· Fachbeitrag · DBA-Schweiz
Überdachende Besteuerung stellt keinen Verstoß gegen das Freizügigkeitsabkommen dar
von VRiFG a.D. Prof. Dr. Kay-Michael Wilke, Karlsruhe
Die überdachende Besteuerung des Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz ist in der Abkommenspolitik der Bundesrepublik einmalig. Dass diese Vorschrift die Freizügigkeit als solches behindert, steht außer Zweifel. Zwar ist die Schweiz nicht in der EU, sie hat aber das sog. Freizügigkeitsabkommen (FZA) unterzeichnet, welches wesentliche Vergünstigungen (aus den Grundfreiheiten des AEUV) natürlichen Personen gewährt, die in der Schweiz ansässig sind. Das Verhältnis des FZA zum DBA Deutschland-Schweiz war nun Gegenstand des Verfahrens vor dem EuGH (19.11.15, C-241/14 Bukovansky, BB 15, 2015). |
Sachverhalt
Der Steuerpflichtige B hatte seinen deutschen Wohnsitz Ende Juli 2008 aufgegeben und war in die Schweiz gezogen. Anschließend war er weiterhin als Geschäftsführer für eine in Deutschland ansässige GmbH tätig. Für den Arbeitslohn des Geschäftsführers führte die GmbH lediglich eine Quellensteuer von 4,5 % gemäß Art. 15a Abs. 1 DBA Deutschland-Schweiz (DBA-CH) an den deutschen Fiskus ab. Im Übrigen versteuerte der Geschäftsführer den Arbeitslohn für den Zeitraum August bis Dezember 08 an seinem Wohnsitz in der Schweiz („umgekehrter“ Grenzgänger). Zum FG gelangte der Streitfall, weil das deutsche FA den Geschäftsführer - unter Anrechnung der schweizerischen Steuer - für das gesamte Jahr 08 zur deutschen Einkommensteuer heranzog, wogegen sich dieser wehrt. Das FG Baden-Württemberg hatte die Streitsache im Vorabentscheidungsverfahren dem EuGH vorgelegt, weil es die überdachende Besteuerung nach Wegzug für europarechtswidrig hielt.
Anmerkungen
Hintergrund: Die sogenannte überdachende Besteuerung ist eine Besonderheit im DBA-CH. Sie besagt, dass Deutschland bei einem Steuerpflichtigen, der seinen Wohnsitz in die Schweiz verlegt, im Jahr des Wegzugs und in den folgenden fünf Jahren alle aus Deutschland stammenden Einkünfte voll besteuern darf (Art. 4 Abs. 4 DBA-CH).
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