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Abzugsverbot für ausländische Sozialversicherungsbeiträge verstößt gegen Unionsrecht
| Der Ausschluss des Sonderausgabenabzugs von im Ausland gezahlten Sozialversicherungsbeiträgen bei Berechnung des Progressionsvorbehalts ist ein Verstoß gegen die unionsrechtlich garantierte Arbeitnehmerfreizügigkeit. Dies hat der EuGH im Fall einer in Frankreich tätigen Beamtin mit Wohnsitz in Deutschland festgestellt ( EuGH 22.6.17, C-20/16 ). |
Sachverhalt
Die Eheleute wurden 2005 und 2006 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Er erzielte als deutscher Beamter Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit, seine französische Ehefrau war in der französischen Finanzverwaltung verbeamtet. . Das deutsche Finanzamt behandelte bei der Zusammenveranlagung die Einkünfte der Klägerin in den Streitjahren 2005 und 2006 als nach dem DBA-Frankreich unter Progressionsvorbehalt stehende steuerfreie Einkünfte. Es berücksichtigte diese Einkünfte aber, gekürzt um die Positionen „Pension civile“ und „Pension civile IMT“ bei der Bemessung der Steuersätze für den Progressionsvorbehalt (§ 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG). Die Eheleute wendeten sich gegen die Berechnung des Progressionsvorbehalt, bei der die französischen Sozialversicherungsleistungen nicht vom Bruttoarbeitslohn gekürzt wurden. Sie meinten, ihre Bezüge dürften nicht anders ermittelt werden als die steuerpflichtigen Einkünfte deutscher Beamter, denen der Staat erhebliche steuerfreie Sozialleistungen gewähre. Die hierin liegende Ungleichbehandlung verstoße gegen Unionsrecht.
Anmerkungen
Im deutschen Steuerrecht mindern die im Ausland gezahlten Vorsorgeaufwendungen der Ehefrau nicht das für die Berechnung des Progressionsvorbehalts anzusetzende steuerfreie Einkommen, so der BFH in seinem damaligen Vorlagebeschluss (BFH 16.9.15, I R 62/13). Denn in die vorgeschriebene Berechnung zum Progressionsvorbehalt gehen nur „Einkünfte“ ein. Sonderausgaben zählen nicht zu den Einkünften, sondern werden erst im Anschluss an die Ermittlung der Einkünfte vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen. Zudem stehen die betroffenen Aufwendungen in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang mit (nach DBA) steuerfreien Einnahmen und sind insofern vom Sonderausgabenabzug im Prinzip ausgeschlossen. Der BFH hielt es aber trotzdem für möglich, dass sich die Ehefrau auf die unionsrechtlich gewährleistete Freizügigkeit der Arbeitnehmer berufen kann.
Nach Auffassung des EuGH liegt in der Weigerung des Abzugs der Sozialversicherungsbeiträge ein Verstoß gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Hätte die Ehefreu ihren Arbeitslohn in Deutschland und nicht in Frankreich bezogen, wäre es nicht dazu gekommen. Eine solche Beschränkung der Freizügigkeit wäre nur statthaft und müsste hingenommen werden, wenn sie erstens, Situationen betrifft, die nicht objektiv vergleichbar sind, oder zweitens, wenn sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses (beispielsweise die Wahrung der Kohärenz eines Steuersystems) gerechtfertigt ist. Beides verneint der EuGH.