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  • · Fachbeitrag · Innergemeinschaftliche Lieferungen

    Die Umsatzsteuer-IdNr. im Rahmen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung

    von RA Christian Gaßmann, Kümmerlein Rechtsanwälte & Notare, Essen

    | Die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer gemäß § 27a UStG ist faktisch zwar keine materiell-rechtliche Voraussetzung einer innergemeinschaftlichen Lieferung. Die Praxis zeigt aber, dass die Finanzbehörden die Steuerfreiheit versagen, sobald diese hinsichtlich Vollständigkeit und Schlüssigkeit nicht positiv geprüft werden kann. Der EuGH hat mit Urteil vom 9.2.17 (C-21/16 ) Stellung zu der Frage bezogen, ob es zur Steuerfreiheit zwingend einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer bedarf. Dies wird nachfolgend anhand eines Praxisfalls erörtert. |

    1. Der Praxisfall

    Die A-GmbH liefert Waren ins EU-Ausland. Bei ihren Kunden im EU-Ausland handelt es sich überwiegend um größere Systemgastronomieketten. Zum Teil sind die Umsatzsteuer-Identifikationsnummern (USt-IdNr.) der Kunden als ungültig im System des BZSt hinterlegt. Dies liegt zum Teil daran, dass die einschlägigen Länder mit der Bearbeitung zeitlich hinterherhinken. Im Ergebnis erhalten die Kunden der A-GmbH jedoch meist eine gültige USt-IdNr.

     

    Die A-GmbH liefert Waren an einen spanischen Kunden. Dieser teilte der A-GmbH seine USt-IdNr. mit. Nach Lieferung der Waren ließ die A-GmbH die angegebene USt-IdNr. durch das BZSt überprüfen. Die Gültigkeit wurde mit dem Hinweis abgelehnt, dass die angegebene USt-IdNr. erst ab dem 1.11.17 gültig sei. Die Lieferung erfolgte jedoch bereits im Oktober 2017. Insofern wurde die Steuerfreiheit der Lieferung versagt. Weitere durch die A-GmbH übermittelte Dokumente (Gelangensbestätigung, Lieferschein zur Rechnung und eine Bestätigung der spanischen Behörden über die Unternehmereigenschaft des Kunden) ließ das BZSt unbeachtet.

    2. Pflicht zur Überprüfung der Umsatzsteuer-IdNr.

    Grundsätzlich wird eine Lieferung oder sonstige Leistung dort versteuert, wo die Ware verbraucht wird oder die sonstige Leistung erbracht wird. Gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b i. V. m. § 6a UStG sind Exporte als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei, soweit die gelieferte Ware tatsächlich ins Ausland verbracht wurde.

     

    MERKE | § 4 Nr. 1 UStG soll eine Wettbewerbsgleichheit der Exportwaren auf dem Weltmarkt schaffen. Dies erfolgt durch eine vollständige Entlastung der Ausfuhr von der Umsatzsteuer. Die Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen in Drittländer und für Dienstleistungen an Gegenständen der Ausfuhr dienen damit dem sog. Bestimmungslandprinzip. Danach findet die umsatzsteuerliche Besteuerung jeweils im Bestimmungsland (Verbrauchsland) statt (vgl. Schmölz in: Beck‘scher Online-Kommentar Umsatzsteuergesetz, 16. Edition, § 4 Rn. 3; Heidner in: Bunjes, Umsatzsteuergesetz, 16. Auflage, § 4 Rn. 1).

     

    Erzielt der Leistende Umsätze aus Lieferungen in das EU-Ausland, müssen diese Umsätze im Rahmen seiner Umsatzsteuererklärung bzw. unterjährig anhand von Umsatzsteuervoranmeldungen gemeldet werden. Hierzu muss in der Praxis die USt-IdNr. des Handelspartners angegeben werden. Handelt es sich um steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen werden diese mit einer sog. zusammenfassenden Meldung dem Finanzamt angezeigt. Hierbei wird jeder Umsatz mit einer entsprechenden USt-IdNr. des Handelspartners angegeben. Dadurch wird dem jeweiligen EU-Empfängerland ermöglicht, nachzuvollziehen, ob der betreffende Leistungsempfänger den Umsatz auch der notwendigen Besteuerung unterwirft.

     

    Wird eine ungültige oder fehlerhafte USt-IdNr. angegeben, wird die zusammenfassende Meldung als fehlerhaft ausgewiesen. Gelingt es dem Steuerpflichtigen nicht, eine gültige USt-IdNr. seines Handelspartners nachzuweisen oder alternativ nachzuweisen, dass die Ware tatsächlich ins Ausland verbracht wurde, wird in der Praxis regelmäßig die Steuerfreiheit des Umsatzes versagt.

    3. USt-IdNr. als Voraussetzung für die Steuerfreiheit?

    Der Nachweis einer USt-IdNr. des Leistungsempfängers ist durch den BFH als nicht zwingende materiell-rechtliche Voraussetzung für die Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen eingeordnet worden (vgl. BFH 2.11.16, V B 72/16, BFH/NV 17, 329; BFJ 8.11.07, V R 72/05, BStBl 09 II, 55). Das hat inzwischen auch der EuGH mit seinem Urteil vom 9.2.17 (C-21/16) bestätigt. Das Nichtvorliegen führt auch nicht zur Realisierung einer Ordnungswidrigkeit i. S. d. § 26a UStG (vgl. A. 14 a.1 Abs. 3 S. 4 UStAE).

     

    MERKE | Die Pflicht zur Rechnungsangabe bleibt hiervon jedoch unberührt (vgl. § 14a Abs. 3 S. 2 UStG). Sofern der Erwerber eine USt-IdNr. nachreicht, kann der Lieferer eine bereits ohne diese erteilte Rechnung gemäß § 14 Abs. 6 Nr. 5 UStG i. V. m. § 31 Abs. 5 S. 1 UStDV berichtigen. Wurde die Umsatzsteuer aufgrund des Fehlens der USt-IdNr. durch den Lieferer unrichtig in Rechnung gestellt, kann er seine Rechnung gemäß § 14c Abs. 1 UStG berichtigen (vgl. Korn in: Bunjes, Umsatzsteuergesetz, 16. Auflage 2017, § 14a UStG Rn. 14 ff.).

     

    Gemäß § 138 Abs. 1 der MwSt-RL (RL 2006/112/EG) sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Lieferung von Gegenständen, die die in dieser Vorschrift aufgezählten Voraussetzungen erfüllen, von der Steuer zu befreien. Dies ist insbesondere der Fall, wenn „diese Lieferung an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt wird, der/die als solche/r in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns der Versendung oder Beförderung der Gegenstände handelt“(vgl. § 138 Abs. 1 MwSt-RL).

     

    Der EuGH stellt in seinem Urteil klar, dass weder in Art. 138 Abs. 1 MwSt-RL noch in der Rechtsprechung des Gerichtshofs unter den abschließend aufgezählten materiellen Voraussetzungen der Steuerbefreiung die Verpflichtung des Erwerbers erwähnt wird, über eine MwSt-IdNr. zu verfügen (vgl. EuGH 9.2.17, C-21/16, Rn. 29 ff.). Es wird deutlich, dass der EuGH die materiellen Voraussetzungen für wesentlich betrachtet und formelle Anforderungen, wie eine USt-IdNr., nebensächlich sind.

     

    PRAXISTIPP | Sollte in Fällen wie dem hier vorliegenden eine Steuerfreiheit durch das BZSt versagt werden, insbesondere weil die gültige USt-IdNr. zum Zeitpunkt der Abfrage nicht vorliegt, ist dem Mandanten stets zu raten, gegen diese Entscheidung vorzugehen, sofern die Voraussetzungen der Steuerfreiheit vorliegen. Hier ist es Aufgabe des Beraters, die einschlägige Rechtsprechung des BFH und des EuGH zu zitieren und die erforderlichen Voraussetzungen zur Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferungen darzulegen.

     

    Wie sich zeigt, orientiert sich die Auffassung des BFH am europäischen Gemeinschaftsrecht. Danach handelt es sich bei der USt-IdNr. lediglich um ein formelles Erfordernis der Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen, nicht aber um eine materielle Voraussetzung. Folglich darf die Finanzverwaltung die Steuerfreiheit dann nicht versagen, sofern der Lieferant die Unternehmereigenschaft seines Kunden anhand anderer geeigneter Nachweise (z. B. durch Handelsregisterauszüge, Bestätigungen ausländischer staatlicher Stellen, Handelskammerbescheinigung etc.) erbringen kann.

     

    PRAXISTIPP | Insbesondere wenn die eigenen Mandanten mit einer Vielzahl von Kunden im Ausland Geschäftskontakte pflegen, ist dem Mandanten anzuraten, die USt-IdNr. des Käufers im Regelfall aufzuzeichnen und zu überprüfen. Zu beachten ist hierbei jedoch, dass lediglich vierteljährlich zu festen Terminen die plausiblen, ausländischen USt-IdNr. mit dem Datenbestand in den anderen Mitgliedstaaten der EU abgeglichen werden. Dieser zeitliche Turnus kann, wie der vorliegende Fall zeigt, dazu führen, dass eine Versagung der Steuerfreiheit erfolgt, obwohl eine entsprechende USt-IdNr. im jeweiligen EU-Ausland vorliegt.

     

    4. Fazit

    Das BZSt hat in dem hier beschriebenen Fall zu Unrecht die Steuerfreiheit der Lieferung versagt. Insbesondere die von der A-GmbH vorgelegten weiteren Dokumente hätten zwingend zu einer Steuerfreiheit der Lieferung führen müssen. Die Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen hängt nicht davon ab, ob eine USt-IdNr. vorliegt oder nicht. Vielmehr zeigt die Rechtsprechung des BFH (BFH 2.11.16, V B 72/16, BFH/NV 17, 329; 8.11.07, V R 72/05, BStBl 09 II, 55) und das aktuelle Urteil des EuGH (9.2.17, C-21/16), dass es sich bei der USt-IdNr. lediglich um ein formelles Erfordernis handelt, welches die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Steuerfreiheit nicht berührt. Sollte die Steuerfreiheit also lediglich aufgrund einer fehlenden oder ungültigen USt-IdNr. abgelehnt werden, sollte die Ablehnung unter Bezugnahme auf die hier besprochenen Urteile mittels Einspruch problemlos aufgehoben werden können. Dies führt im Ergebnis für den Mandanten jedoch nicht zu einem Freischein bzgl. innergemeinschaftlicher Lieferungen. Werden durch den Mandanten unvollständige und unzutreffende Beleg- und Buchnachweise bei einer innergemeinschaftlichen Lieferung geführt (fehlt es z. B. an Bestellunterlagen, an einer Möglichkeit der Zuordnung der Unterschrift auf dem Verbringungsnachweis oder der Empfangsbestätigung), muss weiterhin auch mit einer Besteuerung dieser Umsätze gerechnet werden. Selbst das Einholen einer qualifizierten Bestätigungsabfrage zur USt-IdNr. des Abnehmers im EU-Ausland verschafft hier keine Abhilfe.

    Quelle: Ausgabe 06 / 2018 | Seite 159 | ID 45207435