· Fachbeitrag · Kindergeld
Dreimonatiger Anspruchsausschluss verstößt gegen EU-Recht
von Prof. Dr. Ralf Jahn, Würzburg
| Ein Unionsbürger mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Aufnahmemitgliedstaat kann nicht deshalb während der ersten drei Monate seines Aufenthalts vom Kindergeldbezug ausgeschlossen werden, weil er keine Einkünfte aus Erwerbstätigkeit in diesem Mitgliedstaat bezieht. Wenn der Aufenthalt rechtmäßig ist, ist der Unionsbürger genauso zu behandeln wie ein inländischer Staatsangehöriger ( EuGH 1.8.22, C-411/20 ). |
Sachverhalt
Die Mutter stammt aus einem EU-Mitgliedstaat (Bulgarien) und klagte vor einem deutschen Gericht gegen die Ablehnung ihres Kindergeldantrags für ihre drei Kinder. Sie hatte bei der zuständigen Familienkasse für die ersten drei Monate nach Begründung ihres Aufenthalts in Deutschland Kindergeld beantragt. Die Familienkasse war der Ansicht, dass die Mutter nicht die im Juli 2019 im Inland geltenden Anspruchsvoraussetzungen erfülle, um als Unionsbürgerin Kindergeld während der ersten drei Monate beanspruchen zu können. Denn in dieser Zeit habe sie keine inländischen Einkünfte bezogen. Diese Einschränkung des Gesetzgebers ziele darauf ab, den Zustrom von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten zu vermeiden, der zu einer unangemessenen Inanspruchnahme des deutschen Systems sozialer Sicherheit führen könne. Dieses Erfordernis gilt dagegen nicht für deutsche Staatsangehörige, die von einem Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat zurückkehren.
Das erstinstanzliche deutsche Gericht legte dem EuGH die Frage vor, ob diese unterschiedliche Behandlung mit dem Unionsrecht vereinbar ist (FG Bremen 20.8.20, 2 K 99/20 (1), PIStB 21, 236). Der EuGH hat jetzt die deutsche Regelung in § 62 Abs. 1a S. 1 EStG für unionsrechtswidrig erklärt.
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