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  • · Nachricht · Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen

    Was bewegt sich auf den letzten Metern?

    | Es wartet ein bürokratisches Ungetüm: Die Pflicht zur Mitteilung für grenzüberschreitende Steuergestaltungen steht in den Startlöchern. Der DStV regt als Sachverständiger bei der öffentlichen Anhörung im Finanzausschuss des Bundestags auf den letzten Metern noch wichtige verfassungsrechtlich empfehlenswerte Korrekturen an (s. auch DStV, Mitteilung vom 15.11.19). |

     

    Nur weil etwas lange währt, wird es nicht immer gut! Aktuelles Beispiel: Die Einführung einer Pflicht zur Mitteilung für grenzüberschreitende Steuergestaltungen. Die Büchse der Pandora wurde bereits im Frühjahr 2018 geöffnet, als sich der ECOFin-Rat in Brüssel darauf geeinigt hat, eine Anzeigepflicht für Intermediäre für grenzüberschreitende Steuergestaltungen einzuführen. Der Gesetzgeber hat nun bis Ende des Jahres 2019 Zeit, die daraus resultierende sog. DAC-6 Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.

    Er hat nur einen eingeschränkten Handlungsspielraum, wenn er eine harmonisierte Umsetzung nicht gefährden will. Gleichwohl regte der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) in seiner Stellungnahme S 14/2019 wichtige im Einklang mit der Richtlinie stehende Anpassungen des vorliegenden Gesetzentwurfs an.

     

    Am 11.11.19 Stand das Thema auf der Tagesordnung der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses des Bundestags. Während der von der Ausschussvorsitzenden MdB Bettina Stark-Watzinger (FDP-Bundestagsfraktion) geleiteten Anhörung verlieh der DStV als Sachverständiger seinen Vorschlägen nochmals nachdrückliches Gehör. Vertreten wurde er von RAin/StBin Sylvia Mein (stellv. Geschäftsführerin des DStV).

     

    Kernproblem: Abschreckungswirkung

    Mein nutzte u. a. die Möglichkeit eines der Hauptprobleme der dem Regierungsentwurf zugrunde liegenden DAC-6 Richtlinie zu verdeutlichen: Die verfassungsrechtlich bedenkliche Abschreckungswirkung.

    Abschreckend wirke das Vorhaben schon alleine durch die hohe Rechtsunsicherheit für die Betroffenen. Schließlich seien etliche Rechtsbegriffe unbestimmt und der Anwendungsbereich extrem weit. Diese Unsicherheiten dürften dazu führen, dass eine weitaus höhere Anzahl an Meldungen beim Bundeszentralamt (BZSt) eingehen wird, als vom Gesetzgeber gewünscht. Auch der Präsident der Bundessteuerberaterkammer, StB/FB f. IStR Prof. Dr. Hartmut Schwab, RAin Dr. Monika Wünnemann (BDI) und Prof. Dr. Christine Osterloh-Konrad (Universität Tübingen) rechneten mit einer Meldeflut.

    Die bestehenden Rechtsunsicherheiten führe ‒ so Mein ‒ zwangsläufig dazu, dass das Tagesgeschäft von international beratenden Kanzleien betroffen sei. Es müssten neue sehr aufwändige Compliance-Prozesse eingerichtet werden. Dies treffe sowohl Beratungskanzleien als auch Unternehmen. Die Implementierung sei dabei äußerst ressourcenintensiv. Wünnemann bestätigte, dass die betroffenen Unternehmen ein großes Interesse an Transparenz hätten und die Einrichtung erstmalig erforderlicher IT-Prozesse mit hohem Aufwand einhergehe.

     

    Mein erläuterte ferner, dass die Abschreckungswirkung weiter verstärkt werden würde, wenn Nutzer von Gestaltungen in Betriebsprüfungen besonders kritisch untersucht würden. Die Angabe von Registrier- und Offenlegungsnummern in der Steuererklärung würde als ungerechtfertigtes Schuldeingeständnis wahrgenommen - schließlich handele es sich um legitime Steuergestaltungen.

     

    Diese und weitere Stressmomente führten dazu, dass die Abschreckungswirkung der Mitteilungspflicht überwiege und Steuerpflichtige von der legalen Steuergestaltung abgehalten werden könnten. Der DStV rege daher dringend an, die verfassungsrechtlich bedenkliche Abschreckungswirkung abzuschwächen:

     

    Auf Meldung von Informationen über weitere beteiligte Intermediäre verzichten.

    Die Mitteilung einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung soll neben der Zusammenfassung des Inhalts der Gestaltung noch einige weitere Angaben enthalten. So etwa Angaben zu unter Umständen weiteren an einer Gestaltung beteiligten Intermediären.

     

    Nach der Übermittlung soll der meldende Intermediär zudem die weiteren beteiligten Intermediäre unverzüglich darüber informieren. Sobald er die Registrier- und Offenlegungsnummer vom BZSt erhält, müsste er diese gleichsam mitteilen. Die anderen Intermediäre könnten dann mit Verweis auf die bereits erfolgte Meldung auf eine eigene Meldung verzichten. Soweit die graue Theorie.

     

    Aus Sicht des DStV lässt der Gesetzentwurf dabei praktische Lebenssachverhalte völlig unberücksichtigt. Angenommen eine Gestaltung würde durch ein Zusammenspiel von Steuerberatern, Rechtsanwälten und Banken realisiert, könnte innerhalb der kurzen Meldefrist von 30 Tagen kaum eine rechtzeitige Nummernweitergabe unter den Intermediären sichergestellt werden. Schließlich wird es sich meist um rechtlich und wirtschaftlich unverbundene Personen bzw. Unternehmen handeln. Allein schon, um keine verspätete Abgabe zu riskieren, dürften sämtliche Intermediäre eine eigene Mitteilung der Gestaltung vornehmen.

     

    Hinzu komme, dass die Meldung weiterer Intermediäre weder unter rechtspolitischen noch unter veranlagungsunterstützenden Gesichtspunkten einen Mehrwert böte. Auch sehe die DAC-6 Richtlinie die Meldung nicht verpflichtend vor. Daher regte Mein während des Hearings die Streichung der Verpflichtung zur Meldung weiterer beteiligter Intermediäre an.

     

    Pflicht zur Angabe der Registrier- und Offenlegungsnummer in der Steuererklärung streichen

    Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Nutzer grenzüberschreitender Steuergestaltungen die Registrier- und Offenlegungsnummer in der Steuererklärung angeben müssen.

     

    Der DStV befürchtet, dass die Registrier- und Offenlegungsnummer etwa zur Optimierung des Risikomanagementsystems der Finanzverwaltung eingesetzt werden. Die Unsicherheit über die meldepflichtigen Tatbestände wird voraussichtlich zu einer Vielzahl an Meldungen führen. Damit geht das Risiko einher, dass etliche legal handelnde Steuerpflichtige mit Irritationen in der Steuerfestsetzung oder Betriebsprüfung rechnen müssen. Und dass, obwohl sie keine unerwünschten Gestaltungen durchgeführt haben. Der Eindruck der Stigmatisierung sollte nach Auffassung des DStV dringend vermieden werden. Mein forderte daher nachdrücklich, dass die Verpflichtung zur Angabe der Registrier- und Offenlegungsnummer in der Steuererklärung gestrichen wird.

     

    Mit dieser Forderung war sie nicht alleine. Auch Schwab wies darauf hin, dass die Kenntlichmachung in der Steuererklärung nicht von der Richtlinie gedeckt sei. Sofern sich für den Steuerpflichtigen keine weiteren Vorteile ergäben, sei die Nummernangabe nicht sinnvoll. Dr. Eberhard Richter (WPK) problematisierte ferner die Möglichkeit der Identifikation der Steuerpflichtigen durch die Angabe in der Steuererklärung.

     

    Stärkung der Steuerplanungssicherheit

    Bedauerlicherweise soll das Ausbleiben einer Reaktion auf die Mitteilung einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung keineswegs deren rechtliche Anerkennung bedeuten. Die Auswertung der Mitteilungen würde folglich einseitig dem Transparenzinteresse des Staates dienen. Der DStV moniert, dass der Wunsch nach Rechts- und damit Planungssicherheit seitens der Steuerpflichtigen nicht ausreichend gewürdigt wird.

     

    Bereits das Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen (MPI) hat in seinem Gutachten aus 2016 „ Anzeigepflicht für Steuergestaltungsmodelle in Deutschland „ festgestellt, dass das Interesse der Steuerpflichtigen an steueroptimierender Planung unter weitestgehender Rechtssicherheit ebenso legitim sei, wie das Interesse des Gesetzgebers, rechtspolitisch unerwünschte Lücken im System möglichst rasch zu erkennen und für die Zukunft zu beseitigen. So forderte Osterloh-Konrad - seinerzeit Mitautorin des MPI-Gutachtens - im Hearing erneut eine Ergänzung des Vorhabens um eine Maßnahme zur Verbesserung der Steuerplanungssicherheit (vgl. Osterloh-Konrad, Stellungnahme v. 07.11.2019 ).

     

    Zur Abmilderung der drohenden Benachteiligung der Steuerpflichtigen und Intermediäre sollten sie aus Sicht des DStV mindestens eine verbindliche Auskunft gem. § 89 AO für meldepflichtige Steuergestaltungen beantragen können. Bislang erteilt die Finanzverwaltung für Gestaltungen, bei denen die Erzielung eines Steuervorteils im Vordergrund steht, eine solche Auskunft nicht.

     

    Der DStV regte außerdem eine europaweit harmonisierte „White List“ an, die bereits vorab Auskunft gibt, welche Fälle nicht unter die Mitteilungspflicht fallen. Auch Osterloh-Konrad, Wünnemann und Schwab unterstützten die Idee eines solchen Ausnahmekatalogs auf europäischer Ebene. Zumindest müssten Bund und Länder eine klarstellende Verwaltungsanweisung auf den Weg bringen.

     

    Vorerst keine Anzeigepflicht für innerstaatliche Gestaltungen

    Aber es gab auch gute Nachrichten: Der Vorschlag des Finanzausschuss des Bundesrates für die gleichzeitige Einführung einer rein nationalen Anzeigepflicht ( BR-Drs. 489/1/19 ) fand in der Bundesratssitzung am 08.11.2019 keine Mehrheit ( BR-Drs. 489/19(Beschluss) ).

     

    Osterloh-Konrad wies in der öffentlichen Anhörung gleichsam darauf hin, dass sie es momentan auch nicht für ratsam halte, die Umsetzung der DAC-6 Richtlinie mit einer Anzeigepflicht für rein nationale Gestaltungen zu kombinieren. Vielmehr solle zunächst abgewartet werden, ob und wie gut das europarechtlich vorgegebene Instrument praktisch funktioniere, bevor Überlegungen zu einer Erweiterung auf die Tagesordnung treten sollten.

     

    Angleichung der umsatzsteuerlichen Istbesteuerungsgrenze an die Buchführungsgrenze der AO

    CDU/CSU und SPD haben im parlamentarischen Verfahren ferner die Aufnahme einer Änderung im Umsatzsteuerrecht beantragt. Sie hat eigentlich gar nichts mit der Umsetzung der DAC-6 Richtlinie zu tun. Vielmehr betrifft sie die Angleichung der umsatzsteuerlichen Istbesteuerungsgrenze an die Buchführungsgrenze der AO. Auch wenn die Änderung im Umsetzungsgesetz der DAC-6 Richtlinie etwas fehl am Platz wirkt, handelt es sich doch um ein steuerliches Schmankerl.

     

    Mit dem ersten Bürokratieentlastungsgesetz aus 2015 wurde die Buchführungsgrenze in der AO von 500.000 Euro auf 600.000 Euro Umsatz im Kalenderjahr angehoben. Damit sollte eine größere Anzahl kleinerer Unternehmen von der steuerlichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflicht befreit, von unnötiger Bürokratie entlastet und die wirtschaftliche Dynamik der mittelständischen Wirtschaft unterstützt werden (vgl. BT-Drs. 18/4948, S. 20 ). Indes wurde die umsatzsteuerliche Umsatzgrenze, die eine Besteuerung nach vereinnahmtem Entgelt ermöglicht, nicht angehoben. Sie beträgt weiterhin 500.000 Euro. Die seinerzeit angestrebte Entlastung läuft daher in weiten Teilen ins Leere.

     

    Zuletzt hat der DStV die nunmehr geplante Maßnahme zum Bürokratieabbau in seiner Stellungnahme S 06/19 gefordert. In der Anhörung waren Wünnemann und Mein sich einig, dass der Gleichlauf beider Grenzen endlich hergestellt werden müsse.

     

     

    Quelle: ID 46252930