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Irrtümlich gezahlte USt: Kein Direktanspruch bei grenzüberschreitenden Fällen
| Der EuGH hat entschieden, dass ein Leistungsempfänger, der irrtümlich Umsatzsteuer gezahlt hat und diese aufgrund der Insolvenz des Leistenden nicht zurückerhalten kann, keinen Direktanspruch gegen die Finanzbehörde des Mitgliedstaats hat, in dem die Steuer abgeführt wurde. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Steuer eigentlich in einem anderen EU-Mitgliedstaat geschuldet war. Eine doppelte Erstattung durch die Finanzverwaltung soll so verhindert werden. Vor einer potenziellen Erstattung muss der Leistungsempfänger alle zivilrechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen ( EuGH 5.9.24, C-83/23 ). |
Sachverhalt
Eine in Deutschland ansässige Käuferin erwarb Motorboote von einer ebenfalls deutschen GmbH. Diese stellte Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis aus, die Käuferin machte den Vorsteuerabzug geltend. Später stellte sich heraus, dass die Boote in Italien lagen und dort steuerpflichtig waren. Die GmbH geriet in Insolvenz, der Insolvenzverwalter korrigierte die Rechnungen und erhielt die Umsatzsteuer vom deutschen Finanzamt zurück. Eine korrigierte Rechnung mit italienischer Umsatzsteuer wurde der Käuferin jedoch verweigert. Statt zivilrechtlich gegen den Insolvenzverwalter vorzugehen, beantragte sie beim deutschen Finanzamt eine abweichende USt-Festsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO, hilfsweise einen Erlass nach § 227 AO, nachdem das Finanzamt die Vorsteuer der Klägerin gekürzt hat. Es wurde also gegenüber dem deutschen Fiskus ein Direktanspruch (sog. Reemtsma-Anspruch) auf Erstattung geltend gemacht. Der BFH legte die Frage dem EuGH vor, der den Anspruch ablehnte.
Anmerkungen
Der EuGH tätigte folgende zentrale Aussagen:
- Eine Erstattung durch das Finanzamt ist nur möglich, wenn eine Rückerstattung durch den Leistenden unmöglich oder unzumutbar erschwert ist (EuGH 15.2.07, Reemtsma Cigarettenfabriken, C 35/05).
- Der Anspruch gilt nur für die Steuer des Mitgliedstaats, in dem sie abgeführt wurde.
- Bei grenzüberschreitenden Fällen würde eine doppelte Erstattung drohen.
- Nationale Finanzverwaltungen sind nicht verpflichtet, die Steuerpflicht in anderen Staaten zu überprüfen.
- Vor einem Direktanspruch muss der Leistungsempfänger alle zivilrechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen.
Relevanz für die Praxis
Die Entscheidung verhindert doppelte Erstattungen, ist jedoch aus Sicht der Steuerneutralität fragwürdig. Auffällig ist die schnelle Erstattung der Umsatzsteuer durch das Finanzamt an die Insolvenzmasse. Laut Abschn. 14c.1 Abs. 5 S. 4 UStAE hätte dies erst nach einer Rückerstattung an den Leistungsempfänger erfolgen dürfen. Wäre die Erstattung nicht erfolgt, hätte der EuGH möglicherweise anders entschieden.
Betroffene müssen künftig wohl zivilrechtliche Klagen im Ausland führen, bevor ein Direktanspruch in Deutschland durchsetzbar wird.