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  • · Fachbeitrag · Umsatzsteuer

    Neues zur steuerfreien Ausfuhrlieferung

    von RA Prof. Dr. Ralf Jahn, Würzburg

    | Zwei jetzt veröffentlichte Urteile betreffen erneut praxisrelevante Zweifelsfragen der Umsatzsteuerbefreiung: Der BFH hat entschieden, dass die Beförderung eines Pkw in ein Drittland keine steuerfreie Ausfuhrlieferung darstellt, wenn der Pkw zuvor aus dem Unternehmen in den Privatbereich entnommen worden ist ( BFH 19.2.14, XI R 9/13, BB 14, 1237). Daneben können nach Ansicht des FG Berlin-Brandenburg Buch- und Belegnachweise - als Grundlage einer steuerfreien Ausfuhrlieferung - mit unklaren bzw. unvollständigen Angaben auch noch im finanzgerichtlichen Verfahren präzisiert bzw. ergänzt werden (FG Brandenburg 18.2.14, 5 K 5235/12, Revision unter V R 16/14). |

    1. Sachverhalte

    Im BFH-Fall (XI R 9/13) hatte ein Unternehmer im Mai 2008 einen rund 200.000 EUR teuren Pkw umsatzsteuerlich dem Unternehmensvermögen seines Einzelunternehmens, dessen Gegenstand die Verwaltung eigener und fremder Immobilien sowie die Verpachtung von Gaststätten ist, zugeordnet und den Vorsteuerabzug in Anspruch genommen. Im November verlegte er dann seinen Wohnsitz - nicht jedoch den Sitz seines Unternehmens - in die Schweiz und entnahm im Frühjahr 2009 den PKW in den nichtunternehmerischen Bereich. Der Unternehmer war der Ansicht, die Entnahme des Pkw sei als Ausfuhrlieferung steuerfrei (§§ 4 Nr. 1 a; 6 UStG). Das FA und der BFH folgten dem nicht.

     

    Im Fall des FG Brandenburg (5 K 5235/12) war streitig, ob Buch- und Belegnachweise für die Ausfuhr von Waren nach Russland und in die Ukraine in den Jahren 2007 und 2008 nachträglich erbracht bzw. ergänzt werden können. Die Unternehmerin hatte in größerem Umfang geringwertige Gebrauchsgegenstände exportiert, in den Rechnungen teilweise nur Sammelbezeichnungen verwendet und damit jedenfalls in zahlreichen Fällen die handelsübliche Bezeichnung der ausgeführten Gegenstände nicht hinreichend konkret angegeben. Im Verfahren vor dem FG korrigierte sie jedoch diesen Mangel, indem sie umfangreiche Anlagen zu den einzelnen Rechnungen vorlegte. Das FG Brandenburg hat diese nachträgliche Konkretisierung im FG-Verfahren zugelassen und damit eine steuerfreie Ausfuhrlieferung anerkannt.

    2. Hintergrund

    Die Steuerbefreiungen für Ausfuhrlieferungen (§ 4 Nr. 1 a UStG; § 6 UStG) und für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nr. 1 b UStG; § 6a UStG) setzen u.a. voraus, dass die gelieferte Ware in das Ausland (Drittland) bzw. EU-Ausland befördert oder versendet wird. UStG und UStDV regeln, dass der Unternehmer den Nachweis der Steuerfreiheit bei Ausfuhrlieferungen und innergemeinschaftlichen Lieferungen als Beleg- und Buchnachweis zu erbringen hat (§§ 8 bis 17 ff. UStDV). Die nach der UStDV geforderten Nachweise umfassen insbesondere das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a UStG) sowie in den Abholfällen eine Verbringungserklärung des Abnehmers bzw. seines Bevollmächtigten (Abholer), der zufolge der Gegenstand ins Ausland transportiert wird. Im Auslandsgeschäft ist dies umsatzsteuerlicher Alltag. Allerdings treten in der Praxis Streitfragen vielfach erst im Zusammenhang mit Außenprüfungen bzw. Umsatzsteuer-Sonderprüfungen zutage.

    3. Privatentnahme und Beförderung in ein Drittland

    Der BFH bekräftigt, dass die Entnahme eines Gegenstands aus dem Unternehmens- in den Privatbereich mit anschließender Ausfuhr in ein Drittland weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht eine steuerfreie Ausfuhrlieferung darstellt:

     

    • Die Überführung eines Gegenstandes vom unternehmerischen in den nichtunternehmerischen (privaten) Bereich stellt umsatzsteuerlich eine Entnahme dar (§ 3 Abs. 1b S. 1 Nr. 1 UStG). Eine solche Lieferung wird an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt (§ 3f S. 1 UStG). Diese Lieferung mit anschließender Beförderung ins Drittland ist nach deutschem Recht nicht umsatzsteuerfrei, weil die Anwendung von § 4 Nr. 1 Buchst. a) UStG auf Entnahmen nach § 3 Abs. 1b UStG vom Gesetz ausdrücklich ausgeschlossen wird (§ 6 Abs. 5 UStG). Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass die Gegenstandsentnahme mit anschließender Auslandslieferung nicht „im Rahmen des Unternehmens“ erfolgt, sondern im nicht-unternehmerischen Bereich.

     

    • Eine abweichende Beurteilung ist auch nicht nach Unionsrecht geboten: Der Umsatz ist auch nach Art. 146 Abs. 1 a MwStSystRL (vom 28.11.06 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem) nicht umsatzsteuerfrei. Auch nach Unionsrecht stellt die Entnahme eines Gegenstandes keine steuerfreie Ausfuhrlieferung i.S.d. RL 77/388/EWG dar: Da bei einer Entnahme (Art. 16 MwStSystRL) kein „Verkauf“ stattfindet, existiert auch kein „Verkäufer“, durch den oder auf dessen Rechnung der Gegenstand versandt oder befördert werden könnte. Dies entspricht auch dem Zweck, die Gleichbehandlung des Steuerpflichtigen, der einen Gegenstand seines Unternehmens für private Zwecke entnimmt, einerseits und eines gewöhnlichen Verbrauchers andererseits zu gewährleisten, der einen gleichartigen Gegenstand kauft. Ein Steuerpflichtiger, der beim Kauf eines seinem Unternehmen zugeordneten Gegenstands die Mehrwertsteuer abziehen konnte, soll der Mehrwertsteuerzahlung nicht entgehen, wenn er diesen Gegenstand dem Vermögen seines Unternehmens für seinen privaten Bedarf entnimmt, und daher gegenüber dem Endverbraucher, der den Gegenstand unter Zahlung von Mehrwertsteuer erwirbt, ungerechtfertigte Vorteile genießt (EuGH 6.5.92, C-20/91, HFR 94, 290; EuGH 8.3.01, C-415/98, BFH/NV 01,52).

    4. Nachbesserung von Beleg- und Buchnachweisen

    Die Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg hat große praktische Bedeutung in solchen Fällen, in denen der für die steuerfreie Ausfuhr erforderliche Beleg- und Buchnachweis mangelhaft ist. Gerade das kommt in der Praxis sehr häufig vor und wird vielfach erst im Rahmen einer Außenprüfung aufgedeckt.

     

    Das FG Berlin-Brandenburg hat jetzt eine steuerfreie Ausfuhrlieferung auch bei nachträglicher Konkretisierung der erforderlichen Belege anerkannt:

     

    • Der Unternehmer kann die Ausfuhr der Waren nicht nur durch die in § 10 UStDV aufgeführten Belege, sondern auch auf andere Weise nachweisen, z.B. durch das Exemplar Nr. 3 der Einheitspapiere. Diese Einheitspapiere müssen jeweils mit einem Ausfuhrvermerk der Ausgangszollstelle versehen sein und aus ihnen müssen sich im Zusammenhang mit den Rechnungen für die jeweiligen Lieferungen und den dazu später gefertigten Anlagen alle Angaben ergeben, die der Unternehmer im Rahmen des Belegnachweises nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. b) UStDV nachzuweisen hat. Für die Angabe der handelsüblichen Bezeichnung ist die Aufführung von Artikelnummern hierbei nicht zwingend erforderlich.

     

    • Buch- und Belegnachweis können als Voraussetzungen für eine steuerfreie Ausfuhrlieferung hinsichtlich unklarer oder unvollständiger Angaben noch nachträglich bis zur mündlichen Verhandlung beim FG präzisiert bzw. ergänzt werden, sofern eine Gefährdung des Steueraufkommens und eine Beeinträchtigung der Steuererhebung ausgeschlossen sind.

     

    PRAXISHINWEISE |  

    Die nachträgliche Korrekturmöglichkeit von Nachweisen für eine steuerfreie Ausfuhrlieferung ist aus Sicht des Unternehmers zu begrüßen, weil sie ihn von den zum Teil strengeren Anforderungen der Finanzverwaltung befreit. Das Urteil des FG Berlin-Brandenburg folgt der BFH-Rechtsprechung zur Nachbesserung von Beleg- und Buchnachweisen (BFH 28.5.09, V R 23/08, BStBl II 10, 517): Da der BFH unter Änderung seiner früheren Rechtsprechung den Nachweisvorschriften (§ 6 Abs. 4 UStG; §§ 8 ff. UStDV) keinen materiell-rechtlichen Charakter mehr beimisst, eröffnet er inzwischen die Möglichkeit, Mängel von Beleg- und Buchnachweis bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht zu beseitigen. Die Nachbesserung von Buchnachweisen toleriert der BFH jedoch nur, wenn dieser rechtzeitig geführt ist. Der Nachweis muss also mit der Umsatzsteuer-Voranmeldung abgegeben sein, damit Mängel der Aufzeichnungen noch im gerichtlichen Verfahren ergänzt und berichtigt werden können.

     

    Trotz dieser „Erleichterungen“ bleibt es in der Praxis empfehlenswert, die Formvorschriften der UStDV für den Buch- und Belegnachweis bei Ausfuhrlieferungen und innergemeinschaftlichen Lieferungen unbedingt einzuhalten, weil diese in Zweifelsfällen Voraussetzung für die Gewährung von Vertrauensschutz des Unternehmers sind. Gerade bei einem Reihengeschäft ist große Sorgfalt auf die Nachweispflichten zu verwenden, will man nicht die Umsatzsteuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung riskieren (FG München 8.2.12, 3 K 1296/11, EFG 12, 1502; Jahn, PIStB 12, 200).

     

    Weiterführende Hinweise

    • Zur neueren Rechtsprechung bei Beleg- und Buchnachweisen bei Ausfuhrlieferungen und innergemeinschaftlichen Lieferung s. Jahn, PIStB 09, 298 ff.
    • Der BFH hat auch in der Vergangenheit wiederholt Zweifelsfragen bei innergemeinschaftlichen Lieferungen geklärt, insbesondere zum betrügerischen Umsatzsteuerkarussell: BFH 17.2.11, V R 30/10, s. Jahn, PIStB 11, 284.
    Quelle: Ausgabe 08 / 2014 | Seite 210 | ID 42723964