· Fachbeitrag · Umsatzsteuer
Zur Vorsteuervergütung für ausländische Unternehmen mit inländischer Betriebsstätte
von RA Prof. Dr. Ralf Jahn, Würzburg
Die unionsrechtlichen Voraussetzungen der „Ansässigkeit“ im Inland sind nicht erfüllt, wenn der Unternehmer im Inland lediglich eine Zweigniederlassung oder Betriebsstätte innegehabt hat, von der aus keine Umsätze bewirkt worden sind. Da der deutsche Verordnungsgeber das Unionsrecht nicht korrekt umgesetzt hat und § 59 UStDV unionsrechtskonform auszulegen ist, müssen von der Zweigniederlassung oder der Betriebsstätte (i.S.d. § 59 UStDV) aus Umsätze bewirkt worden sein (BFH 5.6.14, V R 50/13, BStBl II 14, 813). |
Sachverhalt
Eine im Ausland ansässige Unternehmerin unterhält eine im Handelsregister eingetragene (§ 13 HGB) inländische Zweigniederlassung. Die Zweigniederlassung gab für sich als Unternehmerin ab 2008 Umsatzsteuererklärungen ab. Darin erklärte sie keine steuerpflichtigen Umsätze, jedoch Vorsteuerbeträge. Das FA und nachfolgend das FG Hamburg (26.1.12, 2 K 49/11, DStRE 13, 2018) versagten den Vorsteuerabzug: Die deutsche Zweigniederlassung sei als unselbstständige Zweigstelle keine Unternehmerin gemäß § 2 Abs. 1 UStG), tätige keine ihr selbst zurechenbaren Umsätze und habe deshalb kein Vorsteuerabzugsrecht. Die ausländische Unternehmerin könne die Vorsteuer deshalb nur im Vergütungsverfahren (§ 18 Abs. 9 UStG) in Anspruch nehmen. Die hiergegen gerichtete Revision hat der BFH jetzt zurückgewiesen.
Anmerkungen
Der Vorsteuerabzug kann von einem Unternehmer im Regelfall im „normalen“ Besteuerungsverfahren (§§ 16, 18 Abs. 1 - 4 UStG) geltend gemacht werden. Die Vergütung der abziehbaren Vorsteuerbeträge an im Ausland ansässige Unternehmer ist demgegenüber in einem besonderen Vorsteuervergütungsverfahren (§§ 59 ff. UStDV) zu beantragen. Ein im Ausland ansässiger Unternehmer ist ein Unternehmer, „der im Inland, auf der Insel Helgoland und in einem der in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebiete weder einen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt, seinen Sitz, seine Geschäftsleitung noch eine Betriebsstätte hat“ (§ 59 S. 2 UStDV). Da alle weiteren Voraussetzungen des § 59 UStDV im Streitfall erfüllt waren, konnten die geltend gemachten Vorsteuerbeträge nur im besonderen Vergütungsverfahren durch das Bundeszentralamt für Steuern vergütet werden.
Streitig war allein, ob im Inland eine Zweigniederlassung (ab 1.1.10: Betriebsstätte) mit Unternehmereigenschaft vorlag. Da die Zweigniederlassung im Inland im Handelsregister eingetragen war, waren diese Voraussetzungen zwar erfüllt. Allerdings erfordert das Unionsrecht (Art. 1 RL 79/71 EWG bzw. Art. 3 a RL 2008/9/EG), dass
- eine „feste Niederlassung“ besteht und zusätzlich
- von dort aus Umsätze bewirkt werden (EuGH 25.10.12, C-318, 319/11).
Da der Unternehmer im Inland lediglich eine Zweigniederlassung bzw. eine Betriebsstätte inne gehabt hat, von der aus selbst keine Umsätze bewirkt worden sind, war die unionsrechtliche Voraussetzung einer Ansässigkeit im Inland nicht erfüllt. Ob dort Umsätze beabsichtigt waren, ist ohne Bedeutung. Fazit: Die ausländische Muttergesellschaft konnte den Vorsteuerabzug im Streitfall deshalb nicht im „normalen“ Besteuerungsverfahren beanspruchen, sondern hätte vielmehr das Vergütungsverfahren (§ 18 Abs. 9 UStG; § 59 ff. UStDV) wählen müssen.
Praxishinweise
Der BFH hat im Streitfall aber auch festgestellt, dass für die ausländische Gesellschaft kaum vorhersehbar war, dass der deutsche Verordnungsgeber das Unionsrecht in §§ 59 ff. UStDV nicht entsprechend umgesetzt hat und das Verordnungsrecht deshalb durch richtlinienkonforme Auslegung korrigiert werden muss. Der BFH nimmt deshalb angesichts des Versäumnisses des deutschen Verordnungsgebers eine „Unbilligkeit“ an, auf deren Basis der geltend gemachte Vorsteuerabzug im Billigkeitsverfahren (§ 163, 227 AO) gewährt werden könnte. Da Steuerfestsetzungsverfahren und Billigkeitsentscheidung allerdings zwei unterschiedliche Steuerverwaltungsakte darstellen, hatte der BFH darüber im Streitfall nicht zu befinden.
Weiterführende Praxishinweise
- Zur Vorsteuerkorrektur bei Rabattgewährung in einer innergemeinschaftlichen Lieferkette (s. BFH 5.6.14, XI R 25/12).