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Grenzüberschreitende Abwärtsverschmelzung
| Die Verschmelzung einer Mutterkapitalgesellschaft, deren Anteilseignerin im Ausland ansässig ist, auf ihre Tochtergesellschaft (Abwärtsverschmelzung) kann nur dann ohne Aufdeckung stiller Reserven vollzogen werden, wenn die Besteuerung der stillen Reserven der Muttergesellschaft sichergestellt ist. Ein Buchwertansatz ist daher nur dann zulässig, wenn die stillen Reserven des auf den Anteileigner der Muttergesellschaft übergangenen Wirtschaftsguts „Beteiligung“ weiterhin dem deutschen Besteuerungsrecht unterliegen. Maßgebend ist die Vorschrift des § 11 Abs. 2 S. 1 UmwStG, nicht § 11 Abs. 2 S. 2 UmwStG (BFH 30.5.18, I R 31/16). |
Sachverhalt
Die in Deutschland ansässige A-GmbH wurde im Streitjahr 2009 auf ihre Tochtergesellschaft mit Sitz in Luxemburg, verschmolzen. Mit Wirksamwerden der Verschmelzung ging das Vermögen der A-GmbH im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die übernehmende Tochtergesellschaft über. Die Anteile der A-GmbH an ihrer luxemburgischen Tochtergesellschaft wurden an deren alleinigen Gesellschafter, eine Corporation, mit Sitz in den USA ausgekehrt.
Die Verschmelzung erfolgte mit steuerrechtlicher Rückwirkung, steuerlicher Übertragungsstichtag war der 31.7.09. In der steuerlichen Schlussbilanz der A-GmbH wurden sämtliche Aktiva und Passiva mit dem Buchwert angesetzt. Die Anteile an der luxemburgischen Tochtergesellschaft wurden ebenfalls mit ihrem Buchwert angesetzt und zu diesem Wert erfolgsneutral ausgebucht. Das Finanzamt vertrat demgegenüber die Ansicht, dass die Anteile an Tochtergesellschaft mit dem gemeinen Wert anzusetzen seien und begründete dies mit dem Wegfall des inländischen Besteuerungsrechts sowie unter Hinweis auf Rn. 11.19 des Umwandlungssteuererlasses. Das zu versteuernde Einkommen der A-GmbH für den VZ 2009 erhöhte sich hierdurch. Die hiergegen gerichtete Klage der luxemburgischen Tochtergesellschaft hatte in erster Instanz Erfolg (FG Düsseldorf 22.4.16, 6 K 1947/14 K, G). Der BFH dagegen hob das Urteil auf und wies die Klage ab.
Anmerkungen
Entgegen der Auffassung des FG kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass ein Buchwertansatz nach § 11 Abs. 2 S. 1 UmwStG nicht zulässig ist. Die A-GmbH hat vielmehr einen steuerfreien Auflösungsgewinn (§ 8b Abs. 2 S. 3 KStG) erzielt, von dem 5 % als Ausgaben gelten, die nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen (§ 8b Abs. 3 KStG). Das Umwandlungssteuerrecht sieht davon keine Ausnahme vor.
Hintergrund: Zum übergehenden Vermögen gehört auch die Beteiligung an der übernehmenden Körperschaft (BFH 28.10.09, I R 4/09). Die Differenz des gemeinen Wertes der übergehenden Beteiligung zu ihrem Buchwert ergibt den Auflösungsgewinn. Der Ansatz mit dem gemeinen Wert ergibt sich aus § 11 Abs. 1 S. 1 UmwStG, wonach die im Rahmen einer Verschmelzung übergehenden Wirtschaftsgüter grundsätzlich mit dem gemeinen Wert zu erfassen sind. Abweichend von dieser Grundregel eröffnet § 11 Abs. 2 S. 1 den Buchwertansatz, soweit sichergestellt ist, dass die übergehenden Wirtschaftsgüter später bei der übernehmenden Körperschaft der Besteuerung mit Körperschaftsteuer unterliegen und das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgüter bei der übernehmenden Körperschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird.
Ausgehend vom Gesetzeswortlaut stellt der BFH klar, dass die „Beteiligung an der Tochtergesellschaft“ zu den übergehenden Wirtschaftsgütern i.S. des § 11 Abs. 1 S. 1 UmwStG gehört. Die Beteiligung geht als Wirtschaftsgut an die Anteilseigner der A-GmbH über. Damit sind § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 UmwStG im vorliegenden Fall einschlägig und die dort für den Buchwertansatz geforderten Voraussetzungen zu erfüllen. Art. 13 Abs. 5 des DBA-USA 1989 weist dem Ansässigkeitsstaat der Corporation, den USA, das ausschließliche Besteuerungsrecht des Gewinns aus der Veräußerung der übergegangenen Beteiligung zu. Somit werden die stillen Reserven aus der Beteiligung an der übernehmenden Körperschaft durch die Verschmelzung dem deutschen Besteuerungsrecht entzogen, was dem Buchwertansatz nach § 11 Abs. 2 S. 1 entgegensteht.
Beachten Sie | Entgegen der Auffassung des FG stellt der BFH klar, dass es sich bei § 11 Abs. 2 S. 2 UmwStG um keine abschließende Spezialregelung für den Fall einer grenzüberschreitenden Abwärtsverschmelzung handelt. Vielmehr ist darin eine ergänzende Vorschrift zu sehen, die ‒ ausgehend vom Gesetzeswortlaut ‒ lediglich den sog. Beteiligungskorrekturgewinn, der z.B. aus der Rückgängigmachung von zuvor vorgenommenen Teilwertabschreibungen resultiert.
Das abkommensrechtliche Diskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 4 DBA-USA 1989 sieht der BFH im vorliegenden Fall als nicht gegeben an. Auch die Fusionsrichtlinie vermittelt hier keine Schutzwirkung. Dahinstehen lässt der BFH, ob im Streitfall der Schutzbereich der Kapitalverkehrs- oder der Niederlassungsfreiheit eröffnet ist.
PRAXISTIPP | Für den Fall einer grenzüberschreitenden Abwärtsverschmelzung kommt die Finanzverwaltung grundsätzlich ebenso wie der BFH zu dem Ergebnis, dass ein Buchwertansatz nicht zulässig ist. Allerdings wählt die Finanzverwaltung einen anderen Ansatz: Sie hält es für richtig, bei Anteilen an der übernehmenden Gesellschaft zwar auf § 11 Abs. 2 S. 1 UmwStG zurückzugreifen, jedoch auf die Prüfung des § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UmwStG zu verzichten und bei der Prüfung von § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 3 UmwStG statt auf die übernehmende Körperschaft auf die Anteilseignerin der übertragenden Gesellschaft abzustellen (vgl. BMF-Schreiben vom 11.11.2011, Rn. 11.19). Es bleibt abzuwarten, wie die Finanzverwaltung mit dem BFH-Urteil umgehen wird. |