· Fachbeitrag · Unionsrecht
Keine gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Dividenden aus Auslandsbeteiligungen
von RA Prof. Dr. Ralf Jahn, Würzburg
Die rückwirkend durch § 36 Abs. 4 GewStG 1999 ab 2001 angeordnete Hinzurechnung von Gewinnanteilen bei Auslandsbeteiligungen nach § 8 Nr. 5 GewStG 1999 verstößt gegen die Kapitalverkehrsfreiheit und findet deshalb keine rückwirkende Anwendung - so entschied der BFH in einem aktuellen Urteil (BFH 6.3.13, I R 14/07, BFH/NV 13, 1325, Abruf-Nr. 132158). |
Sachverhalt
Eine im Inland steuerpflichtige Körperschaft hielt im Jahr 2001 verschiedene Beteiligungen an Kapitalgesellschaften mit Sitz in der EU, wobei sie am Nennkapital jeweils mit weniger als 10 % beteiligt war. 2001 erzielte sie aus diesen Beteiligungen Dividenden, die für Zwecke der Körperschaftsteuer im Ergebnis zu 95 % nach § 8b Abs. 1, 5 KStG 1999 freigestellt waren. Für die Ermittlung des Gewerbesteuermessbetrags legte das FA den Gewinn aus Gewerbebetrieb zugrunde und rechnete diesem bei der Ermittlung des Gewerbeertrages nach § 8 Nr. 5 GewStG 1999 95 % der erzielten und nach dem KStG freigestellten Dividenden hinzu. Der Gewerbeertrag erhöhte sich, der Verlustvortrag minderte sich entsprechend. Die Körperschaft vertrat die Ansicht, dass die Hinzurechnung der Dividenden wegen unzulässiger Rückwirkung der Neufassung von § 8 Nr. 5 GewStG 1999 rückgängig zu machen sei. Die Klage blieb erfolglos (FG Köln 1.6.06, 15 K 55 37/03, EFG 07, 1945). Im Revisionsverfahren gab der BFH der Körperschaft jetzt aber Recht.
Anmerkungen
Mit dem Gesetz zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts (20.12.01 BGBl I 01, 3858) wurde durch § 36 Abs. 4 GewStG 1999 die rückwirkende Anwendung des § 8 Nr. 5 GewStG 1999 eingeführt. Hiernach werden dem Gewinn insbesondere die nach § 8b Abs. 1 KStG 1999 außer Ansatz bleibenden Dividenden nach Abzug der mit diesen Einnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben, soweit sie nach § 8b Abs. 5 KStG 1999 unberücksichtigt bleiben, wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind. Die Hinzurechnung erfolgt nur, wenn nicht die Voraussetzungen des Schachtelprivilegs nach § 9 Nr. 2a oder 7 GewStG 1999 erfüllt sind, also nur bei Streubesitzbeteiligungen von weniger als 10 % (seit 2008: weniger als 15 %).
Diese durch § 36 Abs. 4 GewStG 1999 rückwirkend ab 1.1.01 angeordnete Hinzurechnung von Gewinnanteilen bei Auslandsbeteiligungen hat der BFH jetzt wegen Verstoßes gegen die EU-Kapitalverkehrsfreiheit verworfen. Die Hinzurechnung findet deshalb entgegen der gesetzlichen Regelung auch in 2001 keine Anwendung. Dies begründet der BFH wie folgt:
- Im Zuge des körperschaftsteuerlichen Systemwechsels, also der Aufgabe des früheren Anrechnungsverfahrens und der Einführung des auch aktuell noch gültigen Besteuerungssystems, hatte der Gesetzgeber die Anwendungsvorschriften so gefasst, dass § 8 Nr. 5 GewStG i.d.F. des UntStFG für Dividendeneinnahmen aus Streubesitz-Auslandsbeteiligungen bereits ab dem Erhebungszeitraum 2001 anwendbar sein sollte, für Dividendeneinnahmen aus Streubesitz-Inlandsbeteiligungen dagegen erst ab dem Erhebungszeitraum 2002 (§ 36 Abs. 4 GewStG). Diese Benachteiligung widerspricht der unionsrechtlich verbürgten Kapitalverkehrsfreiheit. § 36 Abs. 4 GewStG 1999 führt zwar zunächst nicht zu einer unmittelbaren Diskriminierung ausländischer Kapitalbeteiligungen, allerdings setzt § 8 Nr. 5 GwStG 1999 „nach § 8b Abs. 1 KStG außer Ansatz bleibende Gewinnanteile (Dividenden)“ voraus. Damit knüpft die Regelung für die Anwendung im Erhebungszeitraum 2001 mittelbar an eine Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft an.
- Der BFH stellt klar, dass die Ausgangssituation im Streitfall vergleichbar ist mit dem vom EuGH entschiedenen Fall des Abzugsverbots für Teilwertabschreibungen bei Auslandsbeteiligungen nach § 8b Abs. 3 KStG 1999 (EuGH 22.1.09, C-377/07, „STEKO Industriemontage“, Abruf-Nr. 091358). Der deutsche Gesetzgeber hatte bei der Umsetzung der Unternehmenssteuerreform im Jahr 2001 die Nichtabzugsfähigkeit von Teilwertabschreibungen auf Auslandsbeteiligungen nach § 8b Abs. 3 KStG bereits zum 1.1.01 eingeführt. Für Inlandsbeteiligungen galt dagegen bis zum 31.12.01 noch das alte Recht. Wie der BFH klarstellt, geht es hier wie dort um Anwendungsvorschriften, die dazu führen, dass für Auslandsbeteiligungen eine belastende Regelung zeitlich früher zur Anwendung kommt als im Fall der Inlandsbeteiligung. Dies verstößt gegen die EU-Kapitalverkehrsfreiheit, sodass wegen Vorrang des EU-Gemeinschaftsrechts die inländische Steuerregelung keine Anwendung findet.
PRAXISHINWEIS | In einer weiteren Entscheidung vom gleichen Tag hat der BFH für den Bereich der Körperschaftsteuer abermals bestätigt, dass das Abzugsverbot für Teilwertabschreibungen bei Auslandsbeteiligungen nach § 34 Abs. 4 S. 3 und 4 KStG 1999 (nunmehr § 34 Abs. 7 S. 3 und 4 KStG 2002), § 8b Abs. 2 S. 1 und 2 KStG im VZ 2001 wegen Verstoß gegen die unionsrechtliche Kapital- und Niederlassungsfreiheit nicht anwendbar ist (BFH 6.3.13, I R 10/11, Abruf-Nr. 132157). Allerdings verstößt das Abzugsverbot für Teilwertabschreibungen bei Auslandsbeteiligungen nach Ansicht des BFH nicht gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes, soweit Gewinnminderungen aus Teilwertabschreibungen für solche Wirtschaftsjahre nicht berücksichtigt werden, die nach dem 10.9.01 (also dem Zeitpunkt der Einbringung des Entwurfs des Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts in den Deutschen Bundestag) enden. Die Einbringung eines Gesetzentwurfs im Bundestag stellt nach der Rechtsprechung das Vertrauen in den künftigen Bestand einer Rechtslage infrage, ist also nicht mehr schützenswert. Deshalb können Steuerpflichtige regelmäßig nicht mehr darauf vertrauen, dass aktuell geltende Regelungen auch in Zukunft unverändert fortbestehen. Vielmehr ist ihnen - laut BFH - zumutbar, mögliche zukünftigen Rechtsänderungen bei ihren wirtschaftlichen Dispositionen zu berücksichtigen (BVerfG 7.7.10, 2 BvL 1/03, DStR 10, 1736). |