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  • · Fachbeitrag · Nur wer CO2 einspart, bekommt Kredit!

    Banken setzen Unternehmen ehrgeizige Vorgaben auf dem Weg zur Klimaneutralität

    von WP, StB Stefan Kurz, Dipl.-Betriebswirt (BA), Dipl.-Wirtschaftsjurist (FH), Fachberater für Unternehmensnachfolge (DStV e.V.), Sindelfingen

    | Viele Unternehmen machen derzeit eine ganz neue Erfahrung, wenn sie mit ihrer Hausbank über einen Kredit verhandeln. Sie müssen bei Sparkasse, Volksbank oder Großbank nicht nur ihre Kreditwürdigkeit nachweisen, die Bank will von ihren Firmenkunden auch wissen, wie sie ihre CO 2 -Emissionen reduzieren und insgesamt nachhaltiger operieren. |

    1. Neue Vorgaben der Banken an Kreditnehmer

    Eine Analyse des Handelsblatts zur Klimastrategie der Deutschen Bank bestätigt: Für die Branchen Öl und Gas, Energie, Automobil und Stahl gibt es bereits jetzt Ziele, die Unternehmen einhalten müssen, um Kredite bei der Deutschen Bank zu erhalten. In der Zementbranche schreibt die Bank ihren Kunden eine CO2-Verringerung von 29 % bis 2030 vor.

     

    Neu hinzukommen Netto-Null-Pläne (CO2-Emissionen werden auf ein Minimum reduziert und die verbleibenden Emissionen aus der Atmosphäre entfernt) für die Branchen Kohlebergbau, Zement und Schifffahrt bis 2050. So hat die Deutsche Bank also im Firmenkundengeschäft für 55 % der finanzierten CO2-Emissionen einen Pfad in Richtung Klimaneutralität festgelegt. Bereits ab 2026 verlangt das Institut von energieintensiven Unternehmen Pläne, wie sie klimaneutral werden wollen. Als Ausgleich zu Kunden, deren Emissionspfad nicht mit dem Netto-Null-Ziel übereinstimmt, benötigt das Institut andere Kunden, die ehrgeizigere Klimaziele vorweisen.

     

    Auch die Hamburger Sparkasse prüft vor Kreditvergabe bei Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 2,5 Mio. EUR, ob sie ihre Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Ähnliche Vorgaben finden sich in den Nachhaltigkeitsrichtlinien vieler Kreditinstitute für Branchen wie Energie, Stahl, Automobil und Schifffahrt.

    2. Antwort der Bank fällt auch schon mal negativ aus

    Betroffen von solchen Krediteinschränkungen sind keinesfalls nur Großkonzerne, sondern auch mittelständische Unternehmen. „Daher ist es auch aus Eigeninteresse für Unternehmen an der Zeit, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit − und dabei als erstes mit dem Einfluss auf Umwelt und Klima − zu befassen“, bestätigt Stefan Kurz, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater der Kanzlei Kullen Müller Zinser Treuhand GmbH in Sindelfingen, Mitglied im globalen HLB Netzwerk.

    3. Der Hintergrund: Vorgaben der EU

    Die Kreditinstitute fahren diesen Kurs nicht, weil ihnen Nachhaltigkeit auf einmal am Herzen liegt. Vielmehr kommen sie damit einer Verordnung der EU-Kommission nach, die Europa bis 2050 klimaneutral machen will. Um die Transformation der Wirtschaft voranzutreiben, hat die EU ein Regelwerk („Financing Sustainable Growth“) für die Finanzbranche entwickelt.

     

    MERKE | Die sogenannte EU-Taxonomie für nachhaltige Investitionen ist der Hebel, mit dem die Banken die Wirtschaft auf den Pfad der ökologischen Tugend lenken sollen.

     

    Für die Banken gilt seitdem: Sie müssen ihr Risikomanagement und ihre Kreditvergabe in Richtung CO2-Neutralität umsteuern. Wie weit sie auf diesem Weg fortgeschritten sind, darüber gibt die sogenannte Green Asset Ratio Auskunft, die den Anteil nachhaltiger Geschäfte in der Bilanz erfasst. So rühmt sich die Deutsche Bank damit, schon jetzt die Vergabe von mehr als der Hälfte ihrer Firmenkredite an Bedingungen für eine Reduzierung der CO2-Emissionen geknüpft zu haben.

     

    Weil im Gebäudesektor hierzulande 30 % aller Treibhausgasemissionen anfallen, prüfen die Institute ‒ Stichwort grüne Baufinanzierung ‒ vor der Kreditvergabe auch den Energieverbrauch der von ihnen finanzierten Bauprojekte, bewerten die Baumaterialien auf Umweltverträglichkeit und berechnen die Klimagas-Emissionen während des Baus und der Nutzung. Ziel ist es, den Primärenergiebedarf mindestens um 10 % unterhalb des Schwellenwerts für Niedrigstenergiegebäude zu reduzieren.

    4. Die Nachhaltigkeitspolitik der Europäischen Union

    Definiert wird Nachhaltigkeit zumeist auf Basis des Drei-Säulen-Modells Environmental, Social und Governance, kurz ESG. Das E steht für Ökologie, das S für Soziales und beinhaltet auch Aspekte wie Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, Diversity oder gesellschaftliches Engagement. Unter G wird eine nachhaltige Unternehmensführung verstanden. Hierzu zählen Themen wie Unternehmenswerte oder Steuerungs- und Kontrollprozesse (Compliance, Korruption).

     

    „Die Grenzen des Wachstums“ ist eine 1972 veröffentlichte Studie zur Zukunft der Weltwirtschaft. Mit der Einberufung der Brundtland-Kommission nahm die Nachhaltigkeitsdiskussion 1983 ihren Anfang. Von den Vereinten Nationen wurde im September 2015 die „Agenda 2030“ verabschiedet, die 17 Nachhaltigkeitsziele, unterteilt in fünf Kernthemen, umfasst. Zu Beginn des Jahres 2019 stellte die EU-Kommission den sogenannten „Green Deal” mit dem ambitionierten Ziel der Klimaneutralität Europas bis zum Jahr 2050 vor. Dazu haben die EU-Mitgliedsländer und das Europaparlament das europäische Klimagesetz verabschiedet.

     

    Die EU hat sich mit Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens und dem Green Deal ambitionierte Klima- und Umweltziele gegeben. Aus Sicht der EU-Kommission ist der „Green Deal” alternativlos in Anbetracht der ansonsten gravierenden Folgen wie die zunehmende Anzahl von Todesfällen durch Luftverschmutzung, Hitze und Dürre, die Verschlechterung der Wasserverteilung und steigende Lebensmittelpreise.

     

    Die bisher als „freie“, unbegrenzt verfügbare Güter behandelten Ressourcen Luft, Wasser und Wälder werden zukünftig als knapp betrachtet, was beispielsweise durch die Bepreisung mit CO2-Emissionszertifikaten abgebildet wird. Ohne diese Maßnahmen würde einer Studie zufolge die Einpreisung von Folgekosten aus klimaschädlichen Emissionen und Verunreinigungen zu Preisaufschlägen bei Lebensmitteln von bis zu 196 % führen (Quelle: Studie der Universität Augsburg 2018, „Was kosten uns Lebensmittel wirklich?“).

     

    Neben dem Klimaschutz sieht die EU-Kommission zahlreiche weitere Handlungsfelder zum nachhaltigen Wirtschaften wie die Vermeidung von unter unwürdigen Arbeitsbedingungen oder durch Kinderarbeit gewonnenen Rohstoffen, die Armutsbekämpfung durch fair gehandelte Produkte, die Ausweitung des Emissionshandels sowie die nachhaltige Unternehmensfinanzierung („Green Finance“).

     

    Mit dieser Politik sieht sich die EU im Einklang nicht nur mit der historischen Notwendigkeit, den Klimawandel aufzuhalten, sondern auch mit der Stimmung der Mehrheit der europäischen Bevölkerung. „Die junge Generation sieht den Klimawandel als eine der wichtigsten globalen Herausforderungen und dürfte diese gesellschaftliche Entwicklung weiter forcieren“, führt Wirtschaftsprüfer Stefan Kurz weiter aus. „Höchste Zeit also für Unternehmen, sich den Anforderungen des Green Deal zu stellen.“

    5. Nachhaltigkeitspolitik in Zeiten der Rezession

    So sehr diese Politik des Klimaschutzes zu begrüßen ist − für Unternehmen ist sie eine zusätzliche Herausforderung. Denn die Reduzierung der Klimagase gibt es nicht zum Nulltarif. Es kommen immense Kosten auf Unternehmen zu, und das in Zeiten, wo sie ohnehin mit den Folgen von Inflation und Rezession zu kämpfen haben. So verschärft sich die Krise im Wohnungsbau, jedes zehnte Unternehmen berichtet von Finanzierungsschwierigkeiten, meldet das Münchner Ifo-Institut. Eine Insolvenzwelle droht, seit August 2023 steigt die Zahl der Firmenpleiten. Im September 2023 lag die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen um fast 20 % über der des Vorjahresmonats.

     

    FAZIT | „Umso wichtiger ist es, sich jetzt beraten zu lassen, um auf dem schmalen Grat zwischen ökologischen Anforderungen und ökonomischer Vernunft die richtigen Entscheidungen zu treffen, die auch dem Unternehmen eine nachhaltige Zukunft versprechen.“ so Stefan Kurz schlussfolgernd.

     

    Infokasten / Meilensteine in der Entwicklung

    Vom Club of Rome zum Green Deal: Meilensteine in der Entwicklung des Nachhaltigkeitsgedankens

    1972

    Erste weltweite Umweltkonferenz der Vereinten Nationen in Stockholm mit 114 Teilnehmerstaaten. Expertenbericht des Club of Rome „Die Grenzen des Wachstums“.

    1987

    Bericht der World Commission on Environment and Development „Unsere gemeinsame Zukunft“ (Brundtland-Bericht) definiert Nachhaltigkeit als „Entwicklung, die den Ansprüchen der Gegenwart gerecht wird, ohne die Fähigkeit zukünftiger Generationen zu beeinträchtigen, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen“.

    1992

    Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro mit 178 der etwa 200 Staaten. Verabschiedung von sechs Dokumenten zu den wichtigsten Aktionsfeldern einer globalen Umwelt- und Entwicklungspolitik.

    1997

    Im japanischen Kyoto wird das Zusatzprotokoll zur Ausgestaltung der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen beschlossen mit dem Ziel, den Klimawandel durch Klimaschutzmaßnahmen aufzuhalten und die Treibhausgase zu reduzieren.

    2015

    Verabschiedung der Agenda 2030 mit 17 globalen Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals) für eine sozial, wirtschaftlich und ökologisch nachhaltige Entwicklung. Im Pariser Klimaabkommen verpflichten sich die Staaten, dafür zu sorgen, dass die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit beschränkt wird.

    2019

    Mit dem Green Deal formuliert die Europäische Kommission das Ziel: Erreichung der Klimaneutralität bis 2050.

    Ein gemeinsames Verständnis

    „Nachhaltig ist eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen.“ World Commission on Environment and Development (WCED) 1987 in „Our Common Future“ (Brundtland-Bericht).

    SDG (Sustainable Development Goals):

     

    Die 17 Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung

    • 1. Keine Armut
    • 2. Kein Hunger
    • 3. Gesundheit und Wohlergehen
    • 4. Hochwertige Bildung
    • 5. Geschlechtergleichheit
    • 6. Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen
    • 7. Bezahlbare und saubere Energie
    • 8. Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum
    • 9. Industrie, Innovation und Infrastruktur
    • 10. Weniger Ungleichheiten
    • 11. Nachhaltige Städte und Gemeinden
    • 12. Nachhaltiger Konsum und Produktion
    • 13. Maßnahmen zum Klimaschutz
    • 14. Leben unter Wasser
    • 15. Leben an Land
    • 16. Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen
    • 17. Partnerschaften zur Erreichung der Ziele

    Quelle: www.bmz.de/de/agenda-2030/sdg-1

     

    Zum Autor | Stefan Kurz, Dipl.-Betriebswirt (BA), Dipl.-Wirtschaftsjurist (FH), Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Fachberater für Unternehmensnachfolge (DStV e.V.), seit 2007 bei der KMZ Kullen Müller Zinser Treuhand GmbH.

     

    Zur KMZ Gruppe | Mit rund 150 Mitarbeitern und Partnern am Standort Sindelfingen bei Stuttgart betreut KMZ mittelständische private und kommunale Unternehmen der unterschiedlichsten Rechtsformen, Stiftungen und Privatpersonen in allen Fragen des Wirtschaftsrechts, des nationalen und internationalen Steuerrechts, der Betriebswirtschaft sowie der Wirtschaftsprüfung. Seit Anfang 2022 ist die KMZ Kullen Müller Zinser Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft Mitglied bei HLB. Weitere Informationen finden Sie unter https://www.kullen-mueller-zinser.de/.

    Quelle: Ausgabe 01 / 2024 | Seite 10 | ID 49841210