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  • · Fachbeitrag · Personal

    Weshalb Physiopraxen von einer hohen Arbeitszufriedenheit profitieren

    von Katja Löffler, M. Sc. Wirtschaftspsychologie, Dipl. Kffr. (FH), Grasbrunn

    | Die Arbeitszufriedenheit von Angestellten ist eines der am stärksten erforschten Gebiete im Personalmanagement ( PP 12/2021, Seite 14 ). Allein schon wegen des Fachkräftemangels lohnt es sich für Physiopraxen auf jeden Fall, sich mit diesem Thema intensiver zu befassen, denn es gibt eindeutige Zusammenhänge zwischen Arbeitszufriedenheit und Fluktuation, Leistung, Gesundheit, Stress und der Bindung von Mitarbeitern an die Praxis. |

    Das Wesen von Arbeitszufriedenheit und ihre Erhebung

    Arbeitszufriedenheit ist die Einstellung von Mitarbeitern zu ihrer Arbeit. Sie zeigt sich in der individuellen Bewertung der Tätigkeit, des Arbeitsplatzes und der Bereitschaft, sich anzustrengen. Arbeitszufriedenheit hat dabei immer mehrere Komponenten. Nicht nur der Arbeitsplatz selbst, sondern auch die Arbeitsaufgaben, die äußeren Bedingungen, die Entwicklungsperspektiven, das Gehalt sowie die unterschiedlichen Menschen, mit denen es umzugehen gilt, wirken auf die Mitarbeiter ein. Um herauszufinden, was Mitarbeitern wirklich wichtig ist und wie zufrieden sie mit dem Arbeitsumfeld sind, ist eine Mitarbeiterbefragung ein sinnvolles Instrument.

     

    Checkliste / Mitarbeiterbefragung zur Arbeitszufriedenheit

    Arbeitsplatz

    • Sind die notwendigen technischen Geräte vorhanden?
    • Funktionieren diese Geräte einwandfrei?
    • Gibt es ergonomische Arbeitsplätze (z. B. rückenschonende Sitzgelegenheiten an der Rezeption, höhenverstellbare Behandlungsliegen)?
    • Wie stark ist die Lärmbelastung?
    • Ist die Beleuchtung gut?
    • Passt die Raumtemperatur?
    • Ist genügend Platz vorhanden?

     

    Arbeitsbedingungen und Organisation

    • Sind Aufgaben und Arbeitsabläufe klar definiert?
    • Sind konkrete Verantwortlichkeiten festgelegt?
    • Werden die Dienstpläne zuverlässig eingehalten?
    • Werden die Mitarbeiter regelmäßig über Änderungen oder Neuerungen informiert?
    • Können Tätigkeiten am Stück abgearbeitet werden?
    • Gibt es häufig Arbeitsunterbrechungen?
    • Können die übertragenen Aufgaben in der vorgesehenen Zeit erledigt werden?
    • Wie zufrieden sind die Mitarbeiter mit dem Arbeitstempo?
    • Wie zufrieden sind die Mitarbeiter mit dem Betriebsklima?
    • Wie zufrieden sind die Mitarbeiter mit der Bezahlung? Empfinden sie ihre Bezahlung als gerecht?

    Arbeitsaufgaben

    • Ist die Tätigkeit abwechslungsreich, spannend, herausfordernd oder gleichförmig?
    • Empfinden die Mitarbeiter die Tätigkeit als bedeutsam und sinnvoll?
    • Fühlen sie sich für das Ergebnis verantwortlich?
    • Können sie die Art und Weise, wie sie ihre Arbeit erledigen, selbst bestimmen?
    • Erhalten sie regelmäßig Rückmeldung über die Qualität ihrer Arbeit?

     

    Menschen

    • Wie zufrieden sind die Mitarbeiter mit der Zusammenarbeit mit ihren Kollegen? Bekommen sie Unterstützung von diesen?
    • Wie zufrieden sind sie mit ihrem Vorgesetzten? Werden sie von ihrem Vorgesetzten individuell gefördert und unterstützt?

     

    Entwicklungsperspektiven

    • Gibt es ausreichend Aufstiegsmöglichkeiten für die Angestellten?
    • Wie zufrieden sind die Mitarbeiter mit den Möglichkeiten, sich individuell weiterzuentwickeln? Gibt es Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten?
    • Ist ihr Arbeitsplatz sicher?
    • Können die Mitarbeiter Verantwortung übernehmen?
     

    All diese Faktoren zusammengenommen bilden die „allgemeine Arbeitszufriedenheit“. Allerdings gewichten Arbeitnehmer die einzelnen Facetten unterschiedlich stark, denn jede Person hat andere Bedürfnisse. Somit ist für jede etwas anderes von Bedeutung. Inhaber von Physiopraxen sollten sich deshalb mit der Frage beschäftigen, welche Bedürfnisse ihre Mitarbeiter haben und wie sie diesen gerecht werden können.

     

    • Beispiele
    • Eine alleinerziehende Therapeutin muss jeden Cent umdrehen. Deshalb ist ihr das Gehalt wichtiger als eine Weiterbildung.
    • Für eine andere Therapeutin bedeutet die Arbeit eine gute Möglichkeit, ihre beruflichen Ziele zu verwirklichen, weshalb sie gute Aufstiegschancen sucht und sich weiterentwickeln möchte.
    • Eine Rezeptionskraft hat häufig Rückenschmerzen. Sie legt großen Wert auf eine rückenschonende Sitzgelegenheit.
     

    Arbeitszufriedenheit und Fluktuation

    Untersuchungen haben gezeigt, dass mit zunehmender Arbeitszufriedenheit die Fluktuationsbereitschaft abnimmt. Praxismitarbeiter, die allgemein mit dem Arbeitsumfeld zufrieden sind oder deren wichtigsten Bedürfnisse befriedigt werden, bleiben länger in der Praxis. Allerdings ist eine niedrige Arbeitszufriedenheit nicht das einzige Kriterium für eine hohe Fluktuation. Auch die allgemeine Lage auf dem Arbeitsmarkt hat erheblichen Einfluss auf die Wechselbereitschaft. Der derzeitige Fachkräftemangel erleichtert es Praxismitarbeitern, ihre Konditionen bei neuen Arbeitgebern durchzusetzen. Gerade unter solchen Arbeitsmarktbedingungen sollten Praxisinhaber alles daransetzen, eine hohe Arbeitszufriedenheit unter den Angestellten zu erreichen.

     

    Ganz anders gestaltete sich die Situation in den 1980er-Jahren, als die geburtenstarken Jahrgänge auf den Arbeitsmarkt drückten. Damals konnten Inhaber von Physiopraxen aus sehr vielen Bewerbern auswählen. Die damalige Generation war froh, überhaupt einen Arbeitsplatz ergattert zu haben. Unter solchen Bedingungen bleiben Arbeitnehmer einem Betrieb i. d. R. länger erhalten ‒ auch bei geringer Arbeitszufriedenheit.

    Arbeitszufriedenheit und Mitarbeiterbindung

    Mitarbeiter, die sich mit ihrer Praxis stark verbunden fühlen, identifizieren sich mit dieser und den dort gelebten Werten. Zahlreiche Studien bestätigen einen positiven Zusammenhang zwischen Arbeitszufriedenheit und Mitarbeiterbindung ‒ im Fachjargon auch als Commitment bezeichnet. Dieses basiert auf unterschiedlichen Faktoren (PP 08/2021, Seite 15 ff.). Zum einen können sich Mitarbeiter der Praxis emotional verbunden fühlen. Solche Verbundenheit entsteht, wenn jemand gerne in der Praxis arbeitet, weil er dort positive Erfahrungen gemacht hat, sich mit den Werten identifiziert und sich generell wohlfühlt. Andere fühlen sich eher moralisch verpflichtet zu bleiben, z. B., weil die Praxis ihnen eine teure Weiterbildung finanziert hat. Für wieder andere spielen rationale Überlegungen eine Rolle. So können z. B. die persönlichen „Kosten“ eines Arbeitgeberwechsels zu hoch sein. Dabei sind die Kosten nicht allein finanzieller Natur. Denkbar wäre hier, dass bei einem längeren Anfahrtsweg entweder die tatsächlich anfallenden Fahrtkosten oder die notwendige Zeit für die Anfahrt darüber entscheiden, ob jemand in der bisherigen Praxis bleibt.

     

    Beachten Sie | Die Personal-Plattform Personio hat in Umfragen bei kleinen und mittleren Unternehmen die wichtigsten Gründe ermittelt, die Mitarbeiter zum Bleiben bewegen: An erster Stelle liegt eine Gehaltserhöhung (54 Prozent), gefolgt von höherer Wertschätzung (35 Prozent) und besseren Zusatzleistungen sowie einer besseren Work-Life-Balance (je 30 Prozent).

     

    MERKE | Mit ihrer Praxis zufriedene Angestellte fühlen sich dieser stärker verbunden als damit unzufriedene. Dies trifft am ehesten auf diejenigen zu, die sich emotional verbunden fühlen. Sie sprechen auch im Freundes- und Bekanntenkreis positiv über ihren Arbeitgeber. Damit kommt solchen Mitarbeitern eine wichtige Vermittlerrolle zu, sowohl was die Akquise neuer Patienten/Kunden als auch die Rekrutierung potenzieller Mitarbeiter betrifft.

     

    Arbeitszufriedenheit und Gesundheit

    Die jährlichen Gesundheitsberichte der gesetzlichen Krankenkassen zeigen, dass Fehltage aufgrund von psychischen Erkrankungen und stressbedingtem Burn-out in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen haben. Auch wenn psychische Erkrankungen eher zu den seltenen Diagnosegruppen zählen, haben sie inzwischen einen erheblichen Anteil an den Krankheitskosten, da sie i. d. R. mit langen Ausfallzeiten von durchschnittlich über 40 Krankheitstagen pro Fall verbunden sind. Die Arbeitszufriedenheit kann hier ein wichtiger Frühindikator für das Auftreten psychischer Beschwerden sein, denn Menschen, die mit ihrem Job und den Karrieremöglichkeiten unzufrieden sind, zeigen häufiger psychische Beschwerden als zufriedenere Mitarbeiter.

     

    Auf die körperliche Gesundheit hat die Arbeitszufriedenheit etwas weniger Einfluss als auf die psychische. Dennoch sollten Physiopraxen alles dafür tun, dass die Mitarbeiter sowohl körperlich als auch mental gesund und arbeitsfähig bleiben. Dies ist insbesondere unter Berücksichtigung der Altersstruktur in der Praxis sinnvoll. So klagen etwa in letzter Zeit immer mehr ältere Mitarbeiter, dass sie aufgrund von Rücken-, Gelenk- oder Fußproblemen nicht mehr den ganzen Tag stehen können. Viele reduzieren deshalb ihre tägliche Arbeitszeit. Auch diese Arbeitsstunden fehlen der Praxis.

    Arbeitszufriedenheit und Stress

    Ein hohes Stresserleben wirkt sich negativ auf die Arbeitszufriedenheit aus. Andererseits kann eine hohe Arbeitszufriedenheit wie ein Puffer wirken, der Stress abmildert und einen positiven Einfluss auf die Arbeitsleistung hat. Damit können vorübergehende stressige Phasen im Praxisalltag (z. B. bei Personalengpässen während der Erkältungssaison) durch eine hohe Arbeitszufriedenheit besser verarbeitet werden. Wer allerdings mit der Arbeitsumgebung unzufrieden ist, nimmt auch stressige Zeiten als stark belastend wahr.

     

    MERKE | Mitarbeiter, die mit ihrem Arbeitsumfeld zufrieden sind, können mit vorübergehend auftretendem Stress besser umgehen. Hält Stress allerdings längerfristig an und fehlen ausreichend Erholungsphasen, wirkt dieser Dauerstress negativ auf die Arbeitszufriedenheit.

     

    Arbeitszufriedenheit und Leistung

    Insbesondere bei hochkomplexen Tätigkeiten, wie sie bei allen Berufsgruppen der Praxis anzutreffen sind, bestehen wechselseitige Beziehungen zwischen der Arbeitszufriedenheit und der Leistung von Praxisangestellten. Eine hohe Arbeitszufriedenheit wirkt sich positiv auf die Leistung aus. Umgekehrt kann eine gute Leistung, die entsprechend wertgeschätzt und belohnt wird, positiven Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit haben.

     

    MERKE | Noch heute wird in einschlägiger Managementliteratur behauptet, das Gehalt sei nicht so wichtig, denn es ist nur ein Hygienefaktor und trägt damit nicht zur Erhöhung der Arbeitszufriedenheit und der Leistung bei. Jedoch ist diese aus den 1950er-Jahren stammende Theorie längst widerlegt. Ein gutes Gehalt gilt vielen als monetäre Wertschätzung für ihre erbrachte Leistung und kann damit positiv auf die Arbeitszufriedenheit wirken.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Nerdinger, F., Blickle, G. & Schaper, N. (2014). Arbeits- und Organisationspsychologie. Springer: Berlin
    • Kanning, U. P. (2022). Bedeutung der Arbeitszufriedenheit, in: 15 Minuten Wirtschaftspsychologie, iww.de/s7428
    • Techniker Krankenkasse, Hamburg (2018). Gesundheitsreport 2018: Arbeitsunfähigkeiten, iww.de/s7445
    Quelle: Ausgabe 05 / 2023 | Seite 17 | ID 49205213