· Fachbeitrag · Aktuelle Rechtsprechung
Ohne Prüfung zur sektoralen HP-Erlaubnis?
von Rechtsanwalt Manfred Weigt, Norden
| Am 11. Juli 2013 hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in letzter Instanz beschlossen, dass eine sektorale Heilpraktikererlaubnis auch ohne Prüfung erteilt werden kann (Az. 3 B 64/12). Das bedeutet aber nicht, dass generell keine Prüfungen mehr stattfinden. Die zuständigen Stellen dürfen nun aber die sektorale Heilpraktikererlaubnis nach Aktenlage erteilen. |
Der Sachverhalt
Eine Physiotherapeutin, die seit 1991 in eigener Praxis tätig ist, beantragte bei der für sie zuständigen Prüfstelle, dass ihr ohne vorherige Prüfung eine auf den Bereich der Physiotherapie beschränkte Heilpraktikererlaubnis erteilt wird. Zuvor hatte sie eine fünf Jahre dauernde berufsbegleitende Ausbildung im Bereich Osteopathie absolviert sowie zahlreiche fachbezogene Aus- und Fortbildungen besucht. Weiterhin übte sie eine Lehrtätigkeit an einer Schule für Physiotherapie aus und hatte außerdem eine Zusatzausbildung für Physiotherapeuten bei einem Verband nach den Vorgaben eines BVerwG-Urteils aus dem Jahre 2009 absolviert.
Die Behörde lehnte ihren Antrag zunächst ab, woraufhin die Physiotherapeutin vor Gericht zog. Nachdem das Verwaltungsgericht Düsseldorf die Behörde zur Erteilung der sektoralen Heilpraktikererlaubnis verpflichtet hatte, legte diese wiederum Berufung beim zuständigen Oberverwaltungsgericht ein. Die Berufung blieb jedoch erfolglos (Urteil vom 2.3.2009, Az. Vg 7 K 422/07; siehe auch PP 12/2012, Seite 10 ff.).
- So steht es im Gesetz
Nach § 2 Absatz 1 Buchstabe i der Ersten Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz wird die Erlaubnis nicht erteilt, wenn sich aus einer Überprüfung der Kenntnisse und Fertigkeiten des Antragstellers durch das Gesundheitsamt ergibt, dass die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die Volksgesundheit bedeuten würde.
Die aktuelle Entscheidung
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Nach § 2 Absatz 1 Buchstabe i der Ersten Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz wird die Erlaubnis nicht erteilt, wenn sich aus einer Überprüfung der Kenntnisse und Fertigkeiten des Antragstellers durch das Gesundheitsamt ergibt, dass die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die Volksgesundheit bedeuten würde. |
Das Gericht wies nun die Beschwerde der Behörde in letzter Instanz zurück. Es widersprach der Behörde, die meinte, dass allein die Teilnahme an einem Kurs nicht belegt, der vermittelte Stoff sei verstanden worden. Darüber hinaus wies das Gericht die Kritik der Behörde am Oberverwaltungsgericht zurück, das kein medizinisches Sachverständigengutachten angefordert hatte. Im Gegensatz zur Behörde waren die obersten Richter weiterhin der Auffassung, dass die Therapeutin durch ihre Zusatzausbildung eventuelle Ausbildungsdefizite tatsächlich hatte beseitigen können.
Das BVerwG ist vielmehr der Ansicht, dass ein Therapeut mit beschränkter Heilpraktikererlaubnis für Physiotherapie über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur physiotherapeutischen Behandlung ohne ärztliche Verordnung verfügen muss. Physiotherapeuten müssten darlegen, dass sie ihre heilkundliche Tätigkeit gegenüber der von Ärzten und Heilpraktikern abgrenzen könnten. Weiterhin müssen sie in der Lage sein, die einschlägigen Krankheitsbilder zu diagnostizieren und Kenntnisse in Berufs- und Gesetzeskunde einschließlich der rechtlichen Grenzen der nichtärztlichen Ausübung der Heilkunde zu belegen.
Einzelfallbetrachtung erforderlich
Normalerweise sei eine Kenntnisüberprüfung für ausgebildete Physiotherapeuten im Hinblick auf absolvierte Zusatzausbildungen notwendig. Ob und inwieweit diese jedoch ausnahmsweise entbehrlich sein kann, hänge von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Hier verweist das Gericht nochmals ausdrücklich auf sein Urteil vom 26. August 2009, in dem es festgestellt hatte, dass sich die behördliche und gerichtliche Prüfung auf alle vorgelegten Zeugnisse und sonstigen Aus-, Fort- und Weiterbildungsnachweise erstrecken muss (Az. 3 C 19.08). Dieser Umstand zeige, dass sich nur im Einzelfall beantworten lässt, ob eine beigebrachte Ausbildungsunterlage ein tauglicher Kenntnisnachweis ist.
BEACHTEN SIE | Die Aussagekraft von Teilnahmebescheinigungen über absolvierte Lehrgänge, Seminare, Zusatzausbildungen sind differenziert zu betrachten. Schließt eine anerkannte Fachveranstaltung mit einer Prüfung ab, ist dieser im Ergebnis mehr Gewicht beizumessen als einer ohne Prüfung. |
Was bedeutet das für Sie?
Das oberste Bundesgericht hat nunmehr festgestellt, dass Prüfstellen im Einzelfall auf eine Kenntnisprüfung verzichten können. Unter Hinweis auf diese Entscheidung sollten Sie zunächst immer eine sektorale Heilpraktikererlaubnis nach Aktenlage beantragen, das heißt ohne Kenntnisüberprüfung. Sie sollten dabei alle Ihre Fähigkeiten aufzählen und nachweisen. Eine mehrjährige Weiterbildung in Osteopathie kann in diesem Zusammenhang dazu geeignet sein, die Kenntnisse und Fähigkeiten - sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht - zu erweitern. Dasselbe gilt auch für die eigenverantwortliche Tätigkeit als Physiotherapeut, was Sie zum Beispiel als Praxisinhaber vorweisen können.
FAZIT | Die Chancen, ohne Prüfung den sektoralen Heilpraktiker zu erhalten, sind umso größer, je mehr auch Ihre Ausbildung und Tätigkeit dem vom BVerwG entschiedenen Einzelfall ähnlich sind. |
Weiterführender Hinweis
- Sektorale Heilpraktikererlaubnis - wann ist sie notwendig? (PP 6/2013, Seite 3)