· Fachbeitrag · Arbeitsrecht
Probearbeit: Diese Punkte muss der Praxisinhaber beachten
von RA, FA für Medizinrecht Dr. Christian Freund, München, ra-dr-freund.de
| In vielen Heilmittelpraxen und Reha-Zentren wird mit potenziellen Mitarbeitern nach einem ersten Vorstellungsgespräch ein sogenanntes Probearbeiten vereinbart. Dieses Probearbeiten soll regelmäßig dem Bewerber sowie dem zukünftigen Arbeitgeber die Gelegenheit geben, sich näher kennenzulernen und dem Anzustellenden die Möglichkeit, sich über Praxis, Abläufe und Tätigkeiten, Vorgesetzte und Kollegen etc. im täglichen Geschehen einen Überblick zu verschaffen. Erst dann wird über eine Anstellung entschieden. |
Probearbeiten ist etwas anderes als Probezeit!
Von einem Anstellungsverhältnis mit einer Probezeit sind „Schnuppertage“ ohne Arbeitsverhältnis, also ein reines Probearbeiten, zu unterscheiden.
Die Rechtsprechung lässt grundsätzlich ein Probearbeiten unter dem juristischen Fachterminus eines „Einfühlungsverhältnisses“ zu (Einfühlungsverhältnis als unbezahlte Kennenlernphase: Landesarbeitsgericht [LAG] Bremen, Urteil vom 25.07.2002, Az. 3 Sa 83/02). Bei einem derartigen Einfühlungsverhältnis übernimmt der potenzielle Arbeitnehmer keine arbeitsvertraglichen Hauptpflichten und es besteht kein Direktionsrecht des Arbeitgebers, sondern nur dessen allgemeines Hausrecht.
Außerdem darf ein Einfühlungsverhältnis zeitlich auf nur einige wenige Tage beschränkt sein, die Obergrenze wird bei längstens einer Woche angenommen. Jedenfalls sollte der potenzielle Arbeitgeber nach einem Vorstellungsgespräch klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringen, nur einen Einfühlungsvertrag schließen zu wollen.
PRAXISTIPP | Im Zweifel trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass kein Arbeitsverhältnis, sondern nur ein „Einfühlungsvertrag“ geschlossen werden sollte. Dies gilt in besonderem Maß, wenn bei einem Vorstellungsgespräch schon über konkrete Tätigkeiten, Arbeitszeiten, Vergütung etc. gesprochen worden ist (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.04.2007, Az. 13 Sa 129/05, dejure.org). Formulieren Sie deshalb ein „Einfühlungsschreiben“ und schicken bzw. überreichen Sie es dem Bewerber vor Beginn des „Einfühlungsverhältnisses“ (siehe Musterschreiben am Ende des Beitrags). |
Grundsätzlich wird keine Vergütung geschuldet
Bei einem Einfühlungsverhältnis besteht grundsätzlich keine Vergütungspflicht, da der potenzielle Mitarbeiter gerade keine Arbeitsverpflichtung übernimmt. Es gilt also grundsätzlich auch nicht das Mindestlohngesetz.
Etwas anderes kann nach der juristischen Literatur aber dann gelten, wenn der Bewerber während der Schnupperzeit eine wirtschaftlich erhebliche Leistung erbringt. Fehlt in diesem besonderen Fall eine wirksame Vergütungsvereinbarung, richtet sich die Vergütung nach der sonst für die geleistete Arbeit üblichen Vergütung (§ 612 Bürgerliches Gesetzbuch) und der gesetzliche Mindestlohn ist zu beachten.
PRAXISTIPP | Als Praxisinhaber sollten Sie also überlegen, ob und ggf. in welchem Umfang Sie dem Bewerber während der „Schnuppertage“ wirtschaftlich erhebliche Leistungen (z. B. eigenverantwortliche Leitung eines Yogakurses für Selbstzahler) zur eigenständigen Erledigung übertragen. Ansonsten ist davon eher abzuraten, um keine Vergütungsverpflichtungen zu begründen. |
Aktueller Fall: Unfallversicherungsschutz fürs Probearbeiten
Bislang war umstritten, ob ein Arbeitssuchender, der einen Probearbeitstag verrichtet, gesetzlich unfallversichert ist. Dazu liegt nun eine aktuelle Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vor (Urteil vom 20.08.2019, Az. B 2 U 1/18 R, dejure.org). Danach ist ein Arbeitssuchender, der in einem Unternehmen einen Probearbeitstag verrichtet und sich dabei verletzt, gesetzlich unfallversichert (PP 09/2019, Seite 2).
Musterschreiben
Um rechtlichen Auseinandersetzungen mit dem Bewerber vorzubeugen, sollten die Modalitäten der Probearbeit im sog. Einfühlungsverhältnis geklärt sein. Den folgenden Textvorschlag für ein Anschreiben an den Anstellungsbewerber können Sie als offene Textdatei online unter iww.de/pp, Abruf-Nr. 46148599 herunterladen.
Musterschreiben / Bewerberanschreiben Einfühlungsverhältnis |
Sehr geehrte(r) Frau/Herr ...,
es freut uns, dass Sie sich für ein Probearbeiten (sogenanntes Einfühlungsverhältnis) in unserer Physiotherapiepraxis entschieden haben. Der guten Ordnung halber weisen wir auf Folgendes hin:
Das Probearbeiten soll im Zeitraum von drei Arbeitstagen und zwar vom ... bis zum ... während unserer Praxiszeiten stattfinden. Durch das Einfühlungsverhältnis mit Ihnen wird kein Anstellungsvertrag begründet; über eine Anstellung wird erst nach dem Probearbeiten entschieden. Für Ihre Tätigkeiten im Rahmen des Probearbeitens erhalten Sie keine Vergütung; dies schließt auch eventuelle Fahrtkosten etc. ein. Für etwaige Fragen stehe ich gern zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Praxisinhaber |
Weiterführender Hinweis
- „Auch wer an ‚Probetagen‘ arbeitet, ist gesetzlich unfallversichert“ (PP 09/2019, Seite 2)