· Außerordentliche Kündigung
Weitergabe fremder Daten führt zur Kündigung
von Dr. Guido Mareck, stellv. Direktor des Arbeitsgerichts Dortmund
| Liest eine Arbeitnehmerin, die im Rahmen ihrer Buchhaltungsaufgaben Zugriff auf den PC und das E-Mail-Konto ihres Arbeitgebers hat, unbefugt eine an ihren Vorgesetzten gerichtete E-Mail und fertigt von dem Anhang einer offensichtlich privaten E-Mail eine Kopie an, die sie an eine dritte Person weitergibt, so rechtfertigt dies eine fristlose Kündigung. |
Der Fall
Die Arbeitnehmerin ist seit 23 Jahren bei einer evangelischen Kirchengemeinde als Verwaltungsmitarbeiterin beschäftigt. Soweit für ihre Buchhaltungsaufgaben erforderlich, hatte sie Zugriff auf den Dienstcomputer des Pastors. Hier sah sie eine E-Mail, die den Pastor auf ein gegen ihn gerichtetes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf sexuelle Übergriffe auf eine im Kirchenasyl der Gemeinde lebende Frau hinwies. Im E-Mail-Konto fand sie als Anhang einer privaten E-Mail einen Chatverlauf zwischen dem Pastor und der betroffenen Frau, den sie auf einem USB-Stick speicherte und eine Woche später anonym an eine ehrenamtliche Mitarbeiterin der Gemeinde weiterleitete. Nach Bekanntwerden der Vorkommnisse kündigte die Kirchengemeinde der Arbeitnehmerin fristlos. Erstinstanzlich erkannte das Gericht in ihrem Verhalten zwar einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung. Es hielt diese jedoch aufgrund des langen und bisher unbelastet verlaufenen Arbeitsverhältnisses und mangels Wiederholungsgefahr für unverhältnismäßig.
Entscheidungsgründe
Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung des Arbeitgebers hatte Erfolg. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln sah das für die Aufgaben der Arbeitnehmerin notwendige Vertrauensverhältnis als unwiederbringlich zerstört an (Urteil vom 02.11.2021, Az. 4 Sa 290/21). In der unbefugten Kenntnisnahme und Weitergabe fremder Daten lag für das LAG auch wegen der damit einhergehenden Verletzung von Persönlichkeitsrechten ein schwerwiegender Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht. Dieser sei auch nicht durch die von der Arbeitnehmerin vorgetragenen Beweggründe, eine im Kirchenasyl lebende Frau schützen und Beweise sichern zu wollen, gerechtfertigt gewesen. Denn mit ihrer Vorgehensweise habe sie keines der angegebenen Ziele erreichen können. Angesichts der Schwere der Pflichtverletzung überwiege das Lösungsinteresse der Gemeinde das Beschäftigungsinteresse der Arbeitnehmerin deutlich.
Relevanz für die Praxis
Selbst die erstmalige Hinnahme einer solchen schweren Pflichtverletzung sei dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich ‒ und auch für die Arbeitnehmerin erkennbar ‒ ausgeschlossen. Im Gegensatz zum erstinstanzlichen Verfahren vor dem Arbeitsgericht Aachen halfen der Arbeitnehmerin in der Berufung vor dem LAG weder die lange Betriebszugehörigkeit noch „gute“ Absichten weiter.