05.05.2011 | Arbeitsschutz
Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen in der Praxis
von Stephanie Schampel, Zahnärztekammer Hamburg
Jeder Arbeitgeber ist nach dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) zur gesundheitlichen Fürsorge für seine Mitarbeiter verpflichtet. Die arbeitsmedizinische Vorsorge ist als Teil dieser Fürsorgepflicht zu verstehen. Die individuelle arbeitsmedizinische Aufklärung und Beratung der Mitarbeiterin, die arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen sowie das Erstellen von Gefährdungsbeurteilungen dienen dem Schutz der Mitarbeiterin. Dieser Beitrag zeigt, wie die gesetzlichen Anforderungen aussehen und was es zu beachten gilt.
Gesetzliche Grundlagen und Bestimmungen
Bis Dezember 2008 war die Durchführung der arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen unter anderem in der Biostoffverordnung (BioStoffV) verankert. Inzwischen ist die Pflicht, Mitarbeiter betriebsärztlich untersuchen zu lassen, in der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) geregelt. Diese hat das Ziel, arbeitsbedingte Erkrankungen - einschließlich Berufskrankheiten - durch entsprechende Maßnahmen zu verhüten oder gegebenenfalls frühzeitig zu erkennen. Die ArbMedVV ist die Grundlage für die Fragestellung, bei welchen Gefährdungen arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen durchzuführen oder anzubieten sind.
Die Biostoffverordnung regelt ergänzend den Umgang mit biologischen Arbeitsstoffen. Die von der Praxis zu erstellenden Gefährdungsbeurteilungen - § 7 BioStoffV - sollen Informationen über die Einstufung und das Infektionspotenzial der in der Praxis vorkommenden biologischen Arbeitsstoffe sowie die von ihnen ausgehenden Gefährdungen enthalten. Der Arbeitgeber hat auf Grundlage dieser Gefährdungsbeurteilungen für eine angemessene arbeitsmedizinische Vorsorge zu sorgen.
Mitarbeiterinnen, die in der Assistenz tätig sind, üben eine „Tätigkeit mit Infektionsgefährdung“ aus. Diese gilt im Sinne des § 2 Abs. 5 BioStoffV nicht als gezielte Tätigkeit, weil biologische Arbeitsstoffe nur als Begleitstoffe vorhanden sind. Aufgrund dieser Gefährdung ist die Beschäftigung einer Schwangeren in der Assistenz nicht möglich.
Außerdem ergibt sich die Notwendigkeit von arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen aus den folgenden gesetzlichen Grundlagen und Bestimmungen:
- Die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) fordert arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen bei einer Belastung durch Gefahrstoffe.
- Das ArbSchG räumt den Beschäftigten die Möglichkeit ein, sich auf eigenen Wunsch im Hinblick auf eine gesundheitliche Belastung bei der Arbeit fachärztlich untersuchen zu lassen.
- BGV A4 (berufsgenossenschaftliche Vorschrift) regelt unter anderem die Bereitstellung und die Aufgaben der Betriebsärzte.
Die Durchführung der arbeitsmedizinischen Vorsorge
In vielen Kammerbereichen gibt es Rahmenverträge für die betriebsärztliche und sicherheitstechnische Betreuung. Die Fachkräfte für Arbeitssicherheit haben die Aufgabe, den Arbeitgeber beim Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung in allen Fragen der Arbeitssicherheit zu beraten und zu unterstützen.
Praxishinweis
Entscheidet man sich für ein Zusatzmodul zur arbeitsmedizinischen Vorsorge, wird man als Service automatisch an die Vorsorgeuntersuchungen der Mitarbeiterinnen erinnert. Andernfalls gilt es, diese im Rahmen des Qualitätsmanagements bewusst zu organisieren. Es ist zu bedenken, dass es sich um eine Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 25 Abs. 1 Nr. 1 ArbSchG handelt, wenn vorsätzlich oder fahrlässig Pflichtuntersuchungen für die Mitarbeiterinnen nicht oder nicht rechtzeitig veranlasst werden. |
Zur Durchführung der arbeitsmedizinischen Vorsorge ist ein Arbeitsmediziner oder ein Arzt mit der Zusatzbezeichnung „Betriebsarzt“ zu beauftragen. Untersucht wird, ob bei der Ausübung einer bestimmten Tätigkeit eine erhöhte gesundheitliche Gefährdung besteht. Aus diesem Grund sind tätigkeitsbezogene Informationen über Betriebsabläufe und Arbeitsverfahren, die Art und die Dauer der Tätigkeiten sowie damit verbundene mögliche Übertragungswege für den Arbeitsmediziner relevant. Die anzubietenden Vorsorgeuntersuchungen umfassen Pflicht-, Angebots- und Wunschuntersuchungen. Sofern keine körperlichen und klinischen Untersuchungen erforderlich sind, kann sich die Vorsorgeuntersuchung auch auf ein beratendes Gespräch beschränken.
Pflichtuntersuchungen nach § 4 ArbMedVV
Pflichtuntersuchungen sind arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen, die bei bestimmten besonders gefährdenden Tätigkeiten der Mitarbeiterinnen in regelmäßigen Abständen zu veranlassen sind. Ohne ein unbedenkliches Untersuchungsergebnis darf der Behandler die Mitarbeiterin nicht in der Assistenz beschäftigen, weil sie dort einschlägig belastet wäre - zum Beispiel durch Gefahrstoffe oder Infektionsgefährdung - oder selber Patienten gefährden könnte. Erklärt sich die Mitarbeiterin nicht zu einer Untersuchung bereit, kann sie zwar weiterbeschäftigt, jedoch nicht mehr in der Assistenz tätig werden. Als regelhaft für die Tätigkeit im zahnärztlichen Assistenzbereich ist die Infektionsgefährdung mit Hepatitis-B- und C-Viren - Untersuchungen nach dem Grundsatz 42 - anzusehen. Die Schutzimpfung ist laut BGR 250 Punkt 9.4 (nur für Hepatitis B möglich) anzubieten. Die Kosten für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen und Schutzimpfungen sind vom Behandler zu übernehmen und dürfen nicht den Mitarbeiterinnen auferlegt werden. Das ergibt sich auch aus § 3 Abs. 3 ArbSchG und § 3 Abs. 2 der Unfallverhütungsvorschrift „Arbeitsmedizinische Vorsorge“ (BGV A4). Auch Feuchtarbeit - wie die Assistenz mit Handschuhen - von regelmäßig vier oder mehr Stunden pro Tag gilt als Gefährdung für die Mitarbeiterin und löst eine Pflichtuntersuchung nach Grundsatz (G) 24 aus.
Angebotsuntersuchungen nach § 5 ArbMedVV
Für Tätigkeiten, die nicht mit Infektionsgefährdungen in Zusammenhang stehen, sind der Mitarbeiterin vom Arbeitgeber Vorsorgeuntersuchungen anzubieten. Das betrifft zum Beispiel Feuchtarbeit von regelmäßig mehr als zwei Stunden pro Tag. Für die Mitarbeiterin ist die Teilnahme an der Untersuchung freiwillig, und die ärztliche Bescheinigung ist keine Voraussetzung für die Tätigkeit. Auch die Angebotsuntersuchungen sind als Erstuntersuchung und anschließend als Nachuntersuchungen in regelmäßigen Abständen durchzuführen.
Möchte die Mitarbeiterin das Angebot nicht wahrnehmen, entbindet das den Arbeitgeber nicht von der Verpflichtung, ihr die Untersuchungen weiterhin regelmäßig anzubieten. Sollte die Mitarbeiterin erkranken und der Verdacht bestehen, dass die Erkrankung im ursächlichen Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit stehen könnte, so ist ihr vom Behandler unverzüglich eine arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung anzubieten.
Wunschuntersuchungen nach § 11 ArbSchG
Aus § 11 ArbSchG ergibt sich, dass, sofern die Mitarbeiterin Grund zu der Annahme einer Erkrankung hat, ihr eine arbeitsmedizinische Untersuchung zu ermöglichen ist. Eine Ausnahme würde hier nur dann gelten, wenn aufgrund der Beurteilung der Arbeitsbedingungen und der getroffenen Schutzmaßnahmen nicht mit einem Gesundheitsschaden zu rechnen ist - zum Beispiel bei einer Mitarbeiterin, die ausschließlich als Verwaltungshelferin tätig ist und bei der eine Ansteckung mit Hepatitis eher nicht zu befürchten ist.
Die Zeitpunkte für die arbeitsmedizinische Vorsorge
Erstuntersuchungen sind vor der Aufnahme einer Tätigkeit als Zahnmedizinische Fachangestellte und für Auszubildende durchzuführen. Nachuntersuchungen sind während einer bestimmten Tätigkeit oder anlässlich ihrer Beendigung durchzuführen. Die erste Nachuntersuchung erfolgt in der Regel nach zwölf Monaten - die weiteren alle drei Jahre. Eine abweichende Frist ist allein vom Arbeitsmediziner festzulegen. Eine letzte Nachuntersuchung ist bei Beendigung einer Tätigkeit mit Infektionsgefährdung anzubieten.
Anlässe für nachgehende Untersuchungen sind zum Beispiel Tätigkeiten mit Exposition gegenüber krebserzeugenden oder erbgutverändernden Stoffen und Zubereitungen der Kategorie 1 oder 2 im Sinne der GefStoffV. Tätigkeiten mit einer solchen Gefährdung sind in der Zahnarztpraxis eher nicht zu erwarten. In der Verordnung wird die Möglichkeit eingeräumt, dass die Verpflichtung zur Unterbreitung von Angeboten für nachgehende Untersuchungen vom Arbeitgeber auf den zuständigen gesetzlichen Unfallversicherungsträger übertragen wird. Die Voraussetzung dafür ist, dass dem Unfallversicherungsträger die erforderlichen Unterlagen in Kopie überlassen werden.
Die Pflichten des Arbeitsmediziners
Der Arbeitsmediziner hat die von ihm untersuchte Mitarbeiterin entsprechend zu beraten. Sofern die Mitarbeiterin oder der Arbeitgeber das Untersuchungsergebnis für nicht nachvollziehbar oder korrekt halten, wird auf Antrag die zuständige Behörde entscheiden. Laut § 9 (2) der Unfallverhütungsvorschrift BGV A4 hat der untersuchende Arzt dem Auftraggeber eine Bescheinigung über die erfolgte arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung der Mitarbeiterin auszustellen. Diese hat Angaben über den Untersuchungsanlass, den Tag der Untersuchung sowie die ärztliche Beurteilung, ob und inwieweit gesundheitliche Bedenken bei der Ausübung einer bestimmten Tätigkeit bestehen, zu enthalten.
Hinweis: Nur im Fall einer Pflichtuntersuchung erhält der Arbeitgeber eine Kopie der Bescheinigung. Wie bei jeder Untersuchung unterliegen sämtliche Befunde und Informationen der ärztlichen Schweigepflicht.
Die Dokumentationspflichten
Zur Dokumentation der Vorsorgeuntersuchungen muss der Praxisinhaber eine Vorsorgekartei führen. Entsprechende Karteiblätter sind bei der BGW erhältlich. Die Vorsorgekartei kann automatisiert geführt werden und hat Angaben über Anlass, Tag und Ergebnis der jeweiligen Untersuchung zu enthalten. Bis zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses sind die Unterlagen aufzubewahren und anschließend zu löschen - es sei denn, dass Rechtsvorschriften etwas anderes bestimmen.
Fordert die zuständige Behörde eine Kopie der Vorsorgekartei an, ist diese auf Anordnung zu übermitteln. Wechselt die Mitarbeiterin die Praxis, hat der Arbeitgeber ihr eine Kopie der sie betreffenden Angaben auszuhändigen.