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· Fachbeitrag · Prophylaxe

Gefahr durch Fluorid in der Zahnpasta? So beraten Sie verunsicherte Patienten  

von Anna Schmiedel, Dortmund, www.coaching-schmiedel.de 

| In dem im Internet-Blog „News Top-Aktuell“ erschienenen Artikel „Zerstörung und Vergiftung auf Raten“ beschreibt der Autor Ken Davis, wie schädlich das Fluorid in der Zahnpasta sei. Der Beitrag schlug hohe Wellen, wurde mehr als 10.000 mal per Facebook weiterempfohlen, fast 600 mal bewertet und so oft kommentiert, dass die Kommentarfunktion bis auf Weiteres abgeschaltet werden musste. Wahrscheinlich haben auch einige Ihrer Patienten den Artikel gelesen und sind verunsichert. Reagieren Sie darauf? Ist jeder in der Praxis in der Lage, die Fragen zu Fluorid richtig zu beantworten? |

Drastische Thesen und ein unglaublicher Fall

Ken Davis vertritt die Ansicht, die Zahnärzte wüssten, dass Fluorid die Zähne zerstört, und würden davon profitieren. Fluorid sei eine der größten Gesundheitslügen. Fluoride stünden im Verdacht, Einfluss auf die Gehirnzellen zu nehmen und die Willenskraft der Menschen zu hemmen, schließlich ist Fluor in vielen Psychopharmaka als Inhaltsstoff verzeichnet.

 

Weitere Nahrung erhält die Fluorid-Diskussion durch diesen unglaublichen Fall: Der Spiegel berichtete, wie drastisch Fluorid Zähne zerfressen und Knochen zerbröckeln kann. Eine heute 47-jährige Frau kochte sich jeden Tag mehrere Kannen schwarzen Tees mit 100 bis 150 Teebeuteln pro Kanne. Nach 17 Jahren musste sie mit starken Beschwerden ins Krankenhaus. Alle ihre Zähne waren zerbröckelt, ihr Rücken schmerzte, auch die Arme und Beine bereiteten der Frau Beschwerden. Ihr exzessiver Teekonsum - genau genommen das im Tee enthaltene Fluorid - hatte ihr Gebiss und ihre Knochen zerstört. Aber kann man Fluorid bei diesen außergewöhnlich hohen Mengen tatsächlich als Quelle allen Übels bezeichnen?

Fluorid wird heute vielen Produkten zugesetzt

In der Zeit vor den siebziger Jahren machten einige Forscher die Beobachtung, dass Menschen in Gegenden, in denen das Spurenelement Fluorid natürlicherweise im Trinkwasser vorkam, deutlich häufiger weiße Flecken auf den Zähnen hatten. Sie entwickelten jedoch auch seltener Karies als Menschen in vergleichbaren Regionen, in denen das Trinkwasser kaum Fluorid enthielt. Zu dieser Zeit war das Trinkwasser praktisch die einzige Fluorid-Quelle.

 

Als Konsequenz begannen einige Länder - darunter Australien, die USA, Großbritannien und die Schweiz - ihr Trinkwasser künstlich mit Fluorid anzureichern. Auch die Deutschen diskutierten darüber, entschieden sich aber dagegen. Stattdessen reicherte man Produkte mit Fluorid an: Es wurden spezielle Gele, Mundspülungen und Tabletten entwickelt. Dem Speisesalz wurde Fluorid beigemischt.

Fluorid - einer der am besten erforschten Wirkstoffe

Heute belegen zahlreiche Studien zweifelsfrei die positive Wirkung dieses Spurenelements. Mit modernen Zahnpasten lassen sich durch das Fluorid bis zu 40 Prozent aller Kariesfälle verhindern. „Der Nutzen ist auf höchstem wissenschaftlichen Niveau untersucht“, sagt Stefan Zimmer, der an der Universität Witten/Herdecke den Lehrstuhl für Zahnerhaltung und Präventive Zahntechnik leitet.

 

Hinweis | Die Stiftung Warentest bewertet das Spurenelement als so bedeutend, dass alle Zahnpasten ohne Fluorid in ihren Tests sofort durchfallen.

Ein großes Missverständnis

Dass viele Menschen dem Fluorid trotzdem skeptisch gegenüberstehen, liegt wahrscheinlich auch an einem chemischen Missverständnis: Anders als es der Name vermuten lässt, hat Fluorid kaum etwas mit dem hochgiftigen reinen Fluor zu tun. Das chemische Element ist tatsächlich hochreaktiv und frisst sich durch viele Materialien. Dagegen ist Fluorid, das als Salz vorkommt (zum Beispiel Natrium- oder Kalziumfluorid), weitgehend ungefährlich. Ähnlich ist es beim Kochsalz (Natriumchlorid), das kaum etwas mit dem Chlor im Schwimmbecken zu tun hat.

 

MERKE | In den kritischen Anmerkungen liest man häufig von Fluor, einem tatsächlich giftigen Stoff, der allerdings ausschließlich in Verbindung mit anderen Stoffen reagieren kann. In Verbindung mit Salz, wie bei den Fluoriden, hat Fluor eine völlig andere Eigenschaft.

 

 

Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) stellt klar, dass die Giftigkeit der Fluoride nach wissenschaftlichen Untersuchungen fast zehnmal geringer ist als die von Kochsalz.

 

  • Mitteilung der BZÄK

„Chemisch bestehen Fluorid-Verbindungen aus den Elementen Natrium oder Kalzium und Fluor. Als reines Element ist Fluor hochgiftig. Fluoride sind nahe verwandt mit Kochsalz, welches aus den giftigen Einzelelementen Chlor und Natrium besteht. Wie man beim Kochsalz sieht, ist die Verbindung zweier giftiger Grundsubstanzen ein äußerst lebensnotwendiges Salz. Ebenso verhält es sich bei den Fluoriden, die ein wichtiges Spurenelement für den menschlichen Körper sind.“

 

Die Dosis macht’s

Jeder natürliche Zahn durchläuft durch die in der Mundhöhle befindlichen Säuren einen Prozess der Entmineralisierung. Durch die Gabe von Fluoriden - in welcher Form auch immer - wird die Geschwindigkeit der Remineralisation des Zahns nachweislich erhöht. Damit verbessert sich auch die Struktur des Zahnschmelzes.

 

Fluorid-Zufuhr kontrollieren

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) empfiehlt, jeden Tag insgesamt 0,05 Milligramm des Spurenelements pro Kilogramm Körpergewicht zu sich zu nehmen - egal ob als Kind oder Erwachsener, schwanger oder stillend, egal ob aus Zahnpasta, Salz oder Wasser. „Exakte Zufuhrdaten für Fluorid in Deutschland liegen nicht vor, es ist jedoch davon auszugehen, dass diese Menge normalerweise nicht erreicht wird“, schreibt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE. „Insofern besteht bezüglich der Gesamtzufuhr an Fluorid kein Grund zur Sorge“.

 

Was sind die Folgen einer Überdosis?

Kommt es dennoch zu einer Überdosis, droht Kindern ein ästhetisches Problem. Ihr Körper lagert das Fluorid bei der Bildung der Zähne direkt in den Schmelz ein. Bei großen Mengen entstehen weiße Flecken oder Streifen - sogenannte Fluorosen. Aus diesem Grund sollten Kinder bis zum Alter von sechs Jahren spezielle fluorid-reduzierte Zahnpasten benutzen.

 

Um der Gesundheit von Knochen und Zähnen ernsthaft zu schaden, muss das Spurenelement jedoch über zehn und mehr Jahre extrem überdosiert werden (10 bis 25 Milligramm pro Tag). Mit Zahnpasta ist das kaum zu schaffen. Der Fluorid-Anteil darf bei Erwachsenenpasten höchstens 0,15 Prozent, bei Kinderpasten höchstens 0,05 Prozent betragen. „Bei sachgerechter Anwendung (also Putzen der Zähne und anschließendes Ausspucken, nicht Verspeisen des Inhalts von Zahnpastatuben in großen Mengen) ist eine Vergiftung mit Zahnpasta aufgrund der geringen Fluorid-Menge nicht möglich“, schreibt auch das BfR.

 

PRAXISHINWEIS | Früher war es üblich, dass Neugeborenen Vitamin D in Kombination mit Fluorid verabreicht wurde. Mittlerweile wurde der Fluorid-Gehalt in den Kinderzahnpasten angehoben und auf die Fluoretten wird komplett verzichtet. Der Hintergrund ist, dass die orale Gabe zu unkontrollierten Fluorid-Konzentrationen mit Fluorosen der Zähne geführt und die leicht höhere lokale Applikation bessere und kontrollierbare Ergebnisse erbracht hat. Nicht alle Kinderärzte und Krankenhäuser haben diese Veränderung mitbekommen. Informieren Sie Ihre Patienten!

 

Fazit: Fluorid ist unverzichtbar

Fluorid ist aus der Kariesprophylaxe nicht wegzudenken. Die Menge, die in der Zahnpasta enthalten ist, ist für den Körper völlig unbedenklich. Eine Gefahr für die Gesundheit von Knochen und Zähnen droht erst, wenn jemand über Jahre hinweg immer wieder größere Mengen Fluorid aufnimmt.

 

Weiterführender Hinweis

  • „Je mehr Fluorid, desto besser die Zähne? Welche Erkenntnisse eine Fluorid-Anamnese liefert“ in PPZ 12/2011, Seite 10
Quelle: Ausgabe 04 / 2014 | Seite 11 | ID 42579659