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· Fachbeitrag · Prophylaxe

Kleine Patienten in der Prophylaxe: Kommunizieren Sie alters- und typgerecht!

von Nicole Graw, Lehr-Dentalhygienikerin des Fortbildungsinstituts der Zahnärztekammer Bremen

| In der Regel stellen Kinder erste Fragen zum Thema „Zähne“ bereits im Kindergartenalter: „Woraus sind Zähne gemacht?“, „Wieso können Zähne krank werden?“ und „Wie bleiben meine Zähne gesund?“ Kindern darauf verständliche Antworten zu geben und sie gleichzeitig zur Mundhygiene zu motivieren, ist für viele Zahnärzte und Mitarbeiterinnen in der Prophylaxe oft eine Herausforderung. Dieser Beitrag zeigt in unterhaltsamer und anschaulicher Form auf, wie kleine Patienten zur Zahnpflege motiviert werden können und unterstützt Eltern dabei nachhaltig in ihrer Erziehungsarbeit. |

Verschiedenheit von Kindern berücksichtigen

Kinder sind in vielerlei Hinsicht verschieden: in Alter, Geschlecht, körperlicher Entwicklung, erlernten Fähigkeiten, Sozialisation, Erziehung durch die Familie oder individuellen Charakter. Ein Erfolg versprechender Behandlungsansatz sollte deshalb immer auf die jeweilige Entwicklungsphase und den jeweiligen Charakter des Kindes ausgerichtet sein.

 

  • Unterschiede in der motorischen Entwicklung
Entwicklungsschritte Finger-Handmotorik
Zahnärztliche Relevanz

36 Monate: Das Kind kann präzisen Drei-Finger-Spitzgriff (Daumen, Zeige- und Mittelfinger).

Das Kind beginnt nach der Fones-Technik zu putzen und macht kreisende Bewegungen.

48 Monate: Das Kind hält den Malstift korrekt mit den Spitzen der ersten drei Finger.

Das Kind beginnt ‒ mit Elternhilfe ‒ Flossetten zu benutzen und erlernt das „KAI-System“ (K =Kauflächen, A = Außenflächen, I = Innenflächen).

60 Monate: Das Kind kann einzelne Buchstaben, Zahlen, Namen mit großen Buchstaben schreiben und mit einer Kinderschere entlang einer geraden Linie schneiden.

Das Kind beginnt mithilfe der Rot-Weiß-Technik, die Zähne zu putzen. Eltern putzen nur noch abends die Zähne nach. Das Kind ersetzt die Flossetten durch „normale“ Zahnseide.

 

Quelle: Bundesministerium für Bildung und Forschung: kindliche Kompetenzen im Elementarbereich.

 

Wie mit einem Kind kommuniziert werden kann, hängt auch in hohem Maße von seinem Alter ab.

Kommunikation mit Dreijährigen

Anders als bei Zweijährigen besitzen dreijährige Kinder die Fähigkeit, sich mit anderen Kindern sowie Erwachsenen zu unterhalten. Einige Kinder erfinden jetzt auch Gesprächspartner oder sprechen mit ihrem Spielzeug und erwarten, dass auch die Dinge zu ihm sprechen. Diese Kenntnis machen wir uns in der Praxis zunutze und fordern die Kinder auf, unserer Handpuppe zu erzählen, wie sie ihre Zähne bürsten, wie oft und wonach z. B. ihre Zahnpasta schmeckt.

 

PRAXISHINWEIS | Bei dieser Altersgruppe ist es besonders wichtig, nicht nur verbal Anweisungen zu geben, sondern dies auch mit dem eigenen Vormachen zu verbinden. Dreijährige folgen viel leichter den Bewegungen ihres Gegenübers als einer schlichten Aufforderung. Wenn wir ein Kind bitten, den Mund zu öffnen, so machen wir es ihm bitte deutlich vor.

 

Um dieser Altersgruppe verständlich zu machen, wie wichtig Mundhygiene nach dem Naschen ist, lassen wir ein Stück Zartbitterschokolade über die Frontzähne gleiten. So können wir ihnen zeigen, wie sehr Süßes am Zahn klebt und wie wichtig das anschließende Putzen ist.

 

Ein „Putzvertrag“ kann ein leicht verständliches und einprägsames Regelwerk sein, dass den Kindern die Einhaltung der eigenen Mundhygiene erleichtert. Hier nehmen wir Kindern das Versprechen ab, zukünftig ihre Zähne so lange zu bürsten, bis sie sich ganz glatt und somit sauber anfühlen.

Kommunikation mit Vier- und Fünfjährigen

Ab dem vierten Lebensjahr setzt die Phase der Warum-Fragen ein. Das Kind ist nun verstärkt an Zusammenhängen interessiert und verfügt über einen ausreichenden Wortschatz, um seine Fragen zu artikulieren.

 

Beratung auf das Ziel ausrichten

Kinderfragen sind dabei nicht auf wissenschaftliche Erklärungen oder den ursächlichen Grund ausgerichtet, sondern auf ein Ziel. Einem Vierjährigen z. B. die Phasen der Kariesentstehung zu erläutern, macht hier weniger Sinn. Wichtiger ist vielmehr, auf das Ziel hinzuweisen: Alle Menschen müssen die Zähne putzen, damit diese gesund bleiben.

 

Kind auf eine Fantasiereise schicken

Vier- und Fünfjährige denken viel in Bildern und glauben (auch) an magische Kräfte, denn nichts ist unmöglich. Hier setzen wir insbesondere bei Kindern, die sehr schüchtern sind oder bei denen eine längere Behandlung ansteht, gerne Fantasiereisen ein.

 

Bei einer Fantasiereise folgt das Kind in Gedanken einer frei erzählten Geschichte mit stark suggestiven Bildern. Unruhige Kinder können auf diese Weise oft besser durch gewisse Behandlungsabschnitte geführt werden, ängstliche Kinder beruhigt, rebellische Kinder abgelenkt und zur Mitarbeit angeregt werden. Um möglichst viele Informationen von dem Kind für die Fantasiereise zu erhalten, kann wie folgt vorgegangen werden:

 

  • Vorgehen bei Fantasiereisen
  • 1. Das Kind wählt die Hauptfigur selbst und beschreibt diese.
  • 2. Das Kind beschreibt, wo genau die gewählte Figur lebt.
  • 3. Was macht die vom Kind gewählte Figur am liebsten?
  • 4. Hat die Figur Freunde?
  • 5. Nun kann mithilfe der Details (1 bis 4) die Fantasiereise beginnen.
 

 

PRAXISHINWEIS | Damit die Bewertung der Zahnpflege durch die Eltern gut gelingen kann, geben wir den kleinen Patienten Putztagebücher mit. Sie werden von den Eltern ausgefüllt. Ein Stern kann beispielsweise dabei für eine positive Endkontrolle stehen. Hierzu können Eltern Färbetabletten einsetzen.

 

Kommunikation mit Sechsjährigen

Das Kind verbessert zunehmend seine Fähigkeit zum logischen Denken ‒ aus dem Fantasiespiel wird ein Sozialspiel. In der Motivation ist nun nicht mehr von Karius und Baktus die Rede. Den kleinen Patienten ist allmählich die Kausalität zwischen der Kariesentstehung und Kariesbakterien erklärt. In diesem Alter können gut Zahnmodelle oder Schautafeln von kariösen Zähnen eingesetzt werden, um die Folgen einer nicht konsequent gut durchgeführten Mundhygiene aufzuzeigen.

 

PRAXISHINWEIS | Bis ins frühe Schulalter beschreiben Kinder eher Ereignisse als Sachverhalte. Wir nutzen diese Tatsache, wenn wir dem Kind etwas erklären möchten. Begriffe aus dem zahnärztlichen Bereich sind leichter zu verstehen, wenn die Funktionen beschrieben werden und nicht das Instrument an sich. Wir vermeiden bewusst Fachbegriffe und bedienen uns einer anschaulichen Kindersprache. Ein Röntgengerät ist dann eben nicht ein Röntgengerät, sondern ein Fotoapparat, mit dem man Bilder von Zähnen machen kann.

 

Mit „Zaubertricksp“ Vertrauen aufbauen

Allen Kindern ist gemein, dass sie Zaubertricks lieben. Diese Tatsache kann man sich auch in Zahnarztpraxen zunutze machen ‒ vor allem bei Kindern, die zum ersten Mal die Praxis aufsuchen und deren Vertrauen man schnell gewinnen will. In unserer Praxis erweist sich da unser Magic Coloring Book sehr hilfreich. Das Magic Coloring Book ist ein Bilderbuch mit präparierten Seiten, die an der Kante raffiniert geschnitten sind. Je nachdem, an welcher Stelle es beim Blättern festgehalten wird, sieht der kindliche Betrachter einmal lediglich nur weiße Seiten, einmal Tiermotive in schwarz-weiß und ein drittes Mal vollfarbig illustrierte Seiten.

 

Zunächst zeigen wir dem Kind die leeren, weißen Seiten und bitten das Kind uns zu helfen, Tiere in das Buch zu zaubern. Nachdem das Kind ein wenig Zauberpuste auf das Buch gepustet hat, erscheinen beim Durchblättern lauter Schwarz-Weiß-Motive von Tieren. Wiederholtes Pusten lässt beim erneuten Durchblättern alle Seiten mit vollfarbigen Tieren erscheinen. Et voilà! Mithilfe des gemeinsamen Zaubers ist in nur zwei Minuten das Eis gebrochen.

 

FAZIT | Für gewöhnlich eignen sich Kinder ihr Wissen und ihre Fertigkeiten durch eine aktive Auseinandersetzung mit ihrer Umgebung an. Deswegen gelingt es uns in der Regel auch nicht, Kindern das Basiswissen zur Mundhygiene schnell und einfach weiterzugeben. Aus diesem Grund müssen Aufklärungs- und Prophylaxekonzepte darauf ausgerichtet sein, für Kinder Angebote zum Entdecken, Ausprobieren und Mitmachen zu schaffen.

 
Quelle: Ausgabe 12 / 2017 | Seite 2 | ID 45004447