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· Fachbeitrag · Behandlungsmethoden

Kofferdam - ein Gewinn für das Praxisteam und für die Patienten

von Sebastian Knop, Zahnarzt und Hypnotherapeut (DGH), Dortmund

| Jeder Zahnmedizin-Student lernt, dass Kofferdam bei Komposit-Füllungen und Wurzelbehandlungen ein absolutes Muss ist. Dabei ist er oft der reinste Horror: der Kampf in der engen Mundhöhle mit dem widerspenstigen Gummi, mit engen Approximalkontakten und mit dem Widerstand des Patienten macht das Anlegen des Kofferdams zur Qual. So manch frisch gebackener Assistent ist deshalb erleichtert, wenn sein erster Chef sagt: „Kofferdam ist etwas für die Uni, im Alltag braucht man so etwas nicht.“ Hier lohnt es sich, umzudenken, denn Kofferdam bietet nicht nur medizinische Vorteile. |

Medizinische Vorteile

Nur wenige besinnen sich darauf, dass mit der absoluten Trockenlegung mittels Kofferdam auch die Qualität der Arbeit steigt. Komposit ist in der Herstellungsphase feuchtigkeitsanfällig, sodass eine absolute Trockenlegung Voraussetzung für eine hohe Haltbarkeit ist. Selbst die beste relative Trockenlegung mit Watterollen schützt nicht vor der Feuchtigkeit in der Atemluft. Und auch bei der Wurzelbehandlung steigt die Wahrscheinlichkeit, den Zahn langfristig zu erhalten, wenn das Kanalsystem nicht zusätzlich mit Bakterien aus dem Speichel infiziert wird. Soweit die medizinischen Vorteile, die man aus seinem Studium kennt. Im Alltag ergeben sich aber noch ganz andere Vorteile.

Entspanntes Arbeiten

Für das Team besteht der Vorteil zunächst darin, sich entspannt auf das Wesentliche konzentrieren zu können: die Füllung bzw. die Wurzelbehandlung. Bei der relativen Trockenlegung mit Watterollen müssen Zahnarzt und Mitarbeiterin stets mit einem Auge darauf achten, dass der „Wasserspiegel“ im Mund nicht bedrohlich steigt. Je nach Speichelfluss muss die Behandlung immer wieder unterbrochen werden, um Watterollen zu wechseln. Von der Mitarbeiterin, die den „Wasserspiegel“ zwischendurch gewissenhaft durch Absaugen senkt, fühlt sich der Zahnarzt gestört, wenn dies zu einem für ihn ungünstigen Zeitpunkt geschieht. So entsteht eine Atmosphäre angespannter Hektik. Liegt dagegen der Kofferdam, ist ein ruhiges, entspanntes Arbeiten möglich.

Traumhafte Ruhe

Wenn nach dem Präparieren und Exkavieren noch der Krach von Turbine, Rosenbohrer und Sauger im Ohr nachhallt, stellen Zahnarzt und Mitarbeiterin fest, wie sich nach dem Anlegen von Kofferdam eine entspannte Ruhe ausbreitet. Es gibt nur wenige Momente im Alltag eines Behandlungsteams, die so still sind wie das Arbeiten unter Kofferdam: Der lärmende Sauger ist überflüssig und noch nicht einmal der Patient kann dazwischenreden. Auch die Angewohnheit mancher Patienten, ihr Unbehagen oder ihre Angst zu bekämpfen, indem sie die Behandlung durch Ausspülen möglichst häufig unterbrechen, ist nun unterbunden. In meiner Praxis läuft übrigens den ganzen Tag Entspannungsmusik. Beim Arbeiten mit Kofferdam haben sowohl das Behandlungsteam als auch der Patient die Möglichkeit, sich voll darauf zu konzentrieren, da es fast keine Nebengeräusche mehr gibt.

 

Auch für den Patienten, der sich auf diese Ruhe einlassen kann, ergeben sich ungeahnte Möglichkeiten. Bei einer längeren ruhigen Behandlung - vor allem der Wurzelbehandlung - kann er innerlich immer besser zur Ruhe kommen. Dazu trägt auch die Tatsache bei, dass der aufgespannte Kofferdam ihn bei seiner Mundöffnung unterstützt und er nicht krampfhaft aktiv den Mund aufreißen muss. So kommt es vereinzelt vor, dass Patienten bei der Behandlung sogar einschlafen. Ein Patient von mir hat dies übrigens auf einer Bewertungsplattform im Internet geschrieben - was für eine Werbewirkung!

Einbindung des Patienten

Das Anlegen von Kofferdam ist für viele Patienten zunächst mit Unbehagen verbunden, da sie es noch nicht kennen. Daher sollte währenddessen die Gelegenheit genutzt werden, den Sinn zu erläutern. Während Qualitätsaspekte rational überzeugen, wirken Sicherheitsaspekte (zum Beispiel Schutz vor Bakterien aus dem Speichel) beruhigend. Und dass Gummis schützen, wissen alle aus der AIDS-Aufklärung.

 

PRAXISHINWEIS | In der Patientenkommunikation ist es hilfreich, statt Kofferdam die Bezeichnung „Spanngummi“ zu verwenden. Unter einem Spanngummi kann sich der Patient mehr vorstellen und Privatpatienten finden diesen Begriff in ihrer Rechnung wieder.

 

Daneben kann das angenehme Gefühl im Mund verstärkt werden: Der Mund bleibt feucht statt auszutrocknen und mit ein bisschen Phantasie kann sich ein Patient vorstellen, dass er Herr über seinen Mund bleibt und der Zahnarzt nur außen - das heißt jenseits des Kofferdamschutzes - agiert.

 

An solchen Argumentationshilfen zeigt sich, dass die Einstellung des Patienten zum Kofferdam vor allem eine Kopfsache ist. Dennoch kann nicht verschwiegen werden, dass ein gewisser Anteil an Patienten sich gar nicht mit Kofferdam anfreunden kann - ja sogar Panik und Atemnot empfindet. Das ist bei entsprechender Vorbereitung aber nur ein geringer Prozentsatz.

Übung macht den Meister

Für das Behandlungsteam ist die Einführung von Kofferdam eine Herausforderung. Bis man eine gewisse Übung hat, ist das Anlegen wirklich ein Kampf. Mit etwas Übung weiß man aber die Vorteile zu schätzen. An die Zahnärzte möchte ich daher appellieren, sich über die Einführung von Kofferdam Gedanken zu machen. Zunächst können Sie ihn ja auf bestimmte Fälle beschränken. Und die Mitarbeiterinnen? Entscheiden können Sie zwar nicht, aber sprechen Sie Ihren Chef doch mal an. Vielleicht hat er schon mit dem Gedanken gespielt, fürchtet aber den Widerstand seines Teams. In diesem Fall würden Sie offene Türen einrennen, wenn Sie ihn auf die Einführung von Kofferdam ansprechen.

Quelle: Ausgabe 03 / 2013 | Seite 14 | ID 37811060