· Fachbeitrag · Prophylaxe
Primär-Primär-Prophylaxe für die junge Familie
von Beate Schulz-Brewing, Zahnmedizinische Fachangestellte, Kiel
| Die Frühförderung der zahnärztlichen Gesundheit - die sog. Primär-Primär-Prophylaxe - will junge Eltern schon ab Beginn der Schwangerschaft unterstützen. Der Fokus richtet sich nicht allein auf die Mundgesundheit der Schwangeren; vielmehr möchte das Praxisteam auch die Weichen für die Zahngesundheit des sich entwickelnden Kindes stellen. |
Karies ist übertragbar
Wie wir fast täglich in der Kinderzahnarztpraxis erleben, erkranken immer noch viel zu viele Kinder (ca. 10 bis 15 Prozent) an Milchzahnkaries, dem sog. Early Childhood Caries (ECC), auch „Nuckelflaschenkaries“ genannt. Vielen Eltern ist nicht bekannt, dass Karies als Infektionskrankheit übertragbar ist: Langes Lutschen, Schnullern und Flaschennuckeln sind problematisch. Durch gezielte Aufklärung kann eine langwierige KFO-Behandlung vermieden werden. Händigen Sie daher schon der Schwangeren den Kinderpass aus. Er enthält für die werdende Mutter wertvolle Mundhygiene-Tipps und begleitet Eltern und Kind bis zum sechsten Lebensjahr.
Tipps für das Babyalter
Schnuller beruhigen Neugeborene, bergen aber auch Risiken. Sie sollten nicht von anderen Personen abgeleckt werden, dies gilt auch für Babylöffel und anderes Essbesteck - schon gar nicht, wenn Karies in der Familie verbreitet ist. Ob man eine Überzahl von Kariesbakterien in der Mundhöhle beherbergt, kann man einfach in der Zahnarztpraxis anhand eines Speicheltests nachweisen und ggf. Maßnahmen dagegen ergreifen.
PRAXISHINWEIS | Schnuller sollten auf keinen Fall in Honig oder Zucker getaucht werden, damit sich das Baby schneller beruhigt. Herkömmliche Schnuller verformen zudem den Kiefer - aufwändige kieferorthopädische Behandlungen können die Folge sein. Zeigen Sie Eltern neuartige Spezialschnuller ohne Druckzonen. Übrigens: Schnuller möglichst bis zum dritten Geburtstag abgewöhnen! |
Zahnpflege ab dem ersten Zähnchen
Zahnpflege sollte schon ab dem ersten Zähnchen einsetzen. Obwohl die Milchzähne noch ausgewechselt werden, sollten sie kariesfrei bleiben, denn Karieskeime treten vom Milchgebiss später auf die bleibenden Zähne über. Mit einer kleinen weichen Zahnbürste und einem Hauch fluoridierter Kinderzahnpaste (500 ppm) wird schon von Beginn an jedes Milchzähnchen täglich von den Eltern gepflegt. Es sollte auch nicht vergessen werden, dass Eltern eine wichtige Vorbildfunktion haben, denn sie geben ihre Mundhygienegewohnheiten an ihren Nachwuchs weiter.
Termine für die werdende Mutter
Prophylaxeunterweisungen und professionelle Zahnreinigungen helfen, das Gebiss der Schwangeren belagsfrei und gesund zu erhalten. Kommt die Mutter regelmäßig zur Kontrolle in die Zahnarztpraxis, kann die Vorsorge sinnvoll terminiert werden. Erstes und drittes Schwangerschafts-Trimester bieten einen idealen Zeitraum für die PZR. Für eine Kariessanierung oder gar eine Parodontaltherapie bietet sich das stabile zweite Trimester an.
Mundgesundheit bei Übelkeit im ersten Schwangerschafts-Trimester
Im ersten Trimester der Schwangerschaft leiden viele Frauen unter Übelkeit und Erbrechen. Hier können Spülungen mit Fluoriden den Zahnschmelz auf einfache Weise schonen und erhalten. Wenn erbrochen wurde, sollte das Zähneputzen an diesem Tag unterbleiben, denn die Magensäure greift den Zahnschmelz massiv an. Besser ist es, den Mund mit einer fluoridhaltigen Spülung oder mit Wasser auszuspülen.
Reinigung der Zähne bei Schwangerschaftsgingivitis
Auch eine stark süßsaure Ernährung ist problematisch. Werden Erosionen festgestellt, so kann man mit milden kalziumhaltigen Spezialprodukten die Zähne zusätzlich schützen (z. B. tooth mousse). Häufig entsteht auch eine Schwangerschaftsgingivitis mit starkem Zahnfleischbluten und Pseudotaschen. Trotzdem sollten auch in dieser Situation die Zahnoberflächen sorgfältig und vorsichtig gereinigt werden.
PRAXISHINWEIS | Motivieren Sie Ihre Patientin zu einer intensiven Zahnsaumpflege mit einer weichen Bürste und zur täglichen Pflege der Zahnzwischenräume. |
Prophylaxe-Sitzung im dritten Schwangerschafts-Trimester
Sollte keine zahnärztliche Therapie geplant sein, so ist das dritte Trimester geeignet für eine Prophylaxesitzung. Bestellen Sie die Patientin aber nicht kurz vor der Geburt ein, da sie dann nicht mehr länger in Rückenlage auf dem Behandlungsstuhl verbringen kann. Zudem dürfen Sie die Patientin nicht zu weit und zu schnell zurücklagern und nicht zu schnell wieder aufrichten. Ruckartige Bewegungen können nämlich Schwindel oder Wehen auslösen.
PRAXISHINWEIS | Bei der üblichen Lagerung auf dem Rücken kann es durch das Zusammendrücken der großen Hohlvene im Bauchraum zu Schwindel, Atemnot oder sogar Sauerstoffmangel kommen! Da die große Hohlvene rechts der Wirbelsäule verläuft, sollte die Schwangere etwas seitlich links gelagert werden. Dies erreicht man ganz einfach, indem man eine zusammengerollte Decke oder ein Kissen unter die rechte Hüfte schiebt. |
Termine nach der Geburt
Schön ist es, wenn sich in angemessener Zeit nach der Entbindung Mutter und Baby wieder in der Praxis vorstellen. Jetzt kann das ganze Praxisteam der jungen Mutter wieder zur Seite stehen und sie weiterhin bei der eigenen, aber auch bei der Mundhygiene des Baby fachkundig unterstützen.