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· Fachbeitrag · Prophylaxe

Therapeutische Lacke und ihre Anwendung in der zahnärztlichen Praxis

von Beate Schulz-Brewing, ZMF, Kiel

| Prohylaxe-Mitarbeiter haben die Wahl zwischen den unterschiedlichsten Medikamenten, die gezielt ausgewählt werden und den Patienten bei der Erhaltung ihrer Zahngesundheit gute Dienste leisten. Hierfür stehen eine Reihe von fluorid- sowie CHX-haltigen Spülungen und Gele zur Verfügung. Will man aber Wirkstoffe mit Langzeitwirkung verabreichen, dann sollte man Lacke verwenden. Sie erfordern zwar mehr Sorgfalt bei der Applikation, geben aber nach und nach ihre Wirkstoffe ab und halten so bis zu vier Monate vor (Depotwirkung). Ihre Anwendung richtet sich nach Befund und Diagnose. |

Welchen Lack setzt man wann ein?

Auf der einen Seite gibt es Lacke, die Fluoride enthalten. Diese können niedrig- oder hochdosiert sein. Während die niedrigdosierten Lacke - zum Beispiel Fluor Protector - bis in die Tiefe der Zahnhartsubstanzen vordringen, können die hochdosierten Lacke - zum Beispiel Duraphat oder Biflorid - die Oberflächenstrukturen stark anreichern. Diese Lacke dienen der Karies-Prophylaxe und fördern die Remineralisation. Sie schützen die Zähne vor Säure-Angriffen - etwa durch häufige Zuckerimpulse oder durch säurehaltige Lebensmittel - und beugen somit auch Erosionen vor.

 

Auf der anderen Seite können die Inhaltsstoffe von Lacken antibakteriell wirken und pathogene Keime reduzieren oder eliminieren. Dies erreicht man mit chlorhexidin-haltigen Inhaltsstoffen, wie sie zum Beispiel in Cervitec Lack oder Cervitec plus Lack enthalten sind. Solche Lacke finden ihren Einsatz unter anderem bei der Behandlung und Verhütung von Gingivitiden oder Parodontopathien.

 

MERKE | Lacke dürfen nur durch einen Zahnarzt und unter seiner Aufsicht verarbeitet werden. Für die häusliche Anwendung sind sie nicht geeignet, da sie zum Teil hochdosiert sind.

Besonderheiten bei der Applikation von Lacken

Das Auftragen von Lacken erfordert naturgemäß mehr Sorgfalt und Zeit als die Applikation von Gelen. Die richtige Vorgehensweise ist aber wichtig, denn nur so kann sich die volle Wirkung entfalten. Aufgrund der guten Benetzungseigenschaften lassen sich schwer zugängliche Stellen - wie zum Beispiel Fissuren, Approximalbereiche und Kronenränder oder Zahnhälse - besser zuverlässig mit diesem viskosen Material bearbeiten. Ein Verblasen mit dem Luftbläser erhöht die Konzentration der Wirkstoffe und verteilt die Lacke bis in die feinsten versteckten Bereiche. Nach einer Minute Wartezeit hat der Lack abgebunden und die Watterollen können entfernt werden. Danach sollte man den Patienten nicht ausspülen und eine Stunde nichts essen oder trinken lassen - das erhöht die Wirksamkeit. Es ist ein kosmetischer Vorteil, wenn die Lacke unsichtbar sind.

 

PRAXISHINWEIS | Die Applikation von Lacken erfolgt normalerweise halbjährlich im Rahmen der PZR-Behandlungen. Bei kariesaktiven Patienten mit hohem DMFT-Wert sowie bei einer MIH oder bei White Spots, bei pflegebedürftigen Senioren oder bei Menschen mit vermindertem Speichelfluss (Xerostomie, zum Beispiel nach einer Strahlentherapie) und bei pubertären Bracket-Kindern mit mangelhafter Compliance sollten die Intervalle jedoch verkürzt werden.

Die Vorbereitung der Zähne für das Auftragen von Lacken

Damit der Lack besser haftet und seine Wirkung voll entfalten kann, empfiehlt es sich, die Zähne vor der Applikation gründlich zu reinigen und zu polieren. Optimal ist hier eine professionelle Zahnreinigung. Generell gilt, dass Lacke auf einer trockenen Oberfläche besser haften, wobei eine relative Trockenlegung genügt. Man arbeitet vorsichtig und sparsam unter Verwendung eines Spezialapplikators oder einer Mikrobrush. Die Lacke dürfen nicht am Gaumen entlanglaufen oder verschluckt werden. Dies löst starken Hustenreiz aus und schmeckt scharf und unangenehm.

 

MERKE | Mit Lacken werden immer nur die Prädilektionsstellen bearbeitet, nie ganze Zähne mit den teuren Lacken überschwemmt! Eine sparsame und gezielte Verarbeitungsweise ist im Sinne der Patienten und der Wirtschaftlichkeit obligat.

 

Bevorzugte Gebiete für das Auftragen von Lacken sind die Regionen der Fissuren, der Approximalbereiche und der Brackets. Bei älteren Patienten finden Lacke ihren Einsatz im Bereich freiliegender Zahnhälse, an Kronenrändern sowie als Vorbeugung vor einer Periimplantitis bei Implantaten.

Antibakteriell wirkende Lacke

Auch beim Schutz von Implantaten und freiliegenden Zahnhälsen mit antibakteriell wirkenden Lacken nutzt man den Vorteil der Fließeigenschaften und der längeren Retention der Wirkstoffe auf den Oberflächen. Nach der schonenden Reinigung von Kronen- oder Implantat-Konstruktionen empfiehlt sich die Applikation von Lacken mit CHX. Dieser Inhaltsstoff reduziert pathogene Bakterien, indem er deren Zellwände durchdringt und zerstört. CHX-Lack schützt die gefährdeten Oberflächen und reduziert die bakteriellen Aktivitäten an Kronenrändern und der marginalen Gingiva (chemische Wirkung).

 

Zusätzlich dichtet der Lack die Odontoblasten-Austrittsstellen an freiliegenden Zahnhälsen und Rezessionen ab. Er versiegelt sie, sodass osmotische Reize durch die Flüssigkeitsbewegungen in den Dentinkanälchen sowie thermische Reize durch Kälte oder Wärme nicht mehr spürbar sind (physikalische Wirkungsweise). Diese Applikationen sollte man drei Mal im Jahr wiederholen.

 

Lacke haben auch in der Kinder- und Jugendprophylaxe ihre Berechtigung. Hat man durch einen Speicheltest erhöhte Keimbelastungen durch Karieserreger festgestellt, so kann man auch schon ab dem Vorschulalter mit Cervitec Lack oder Fluor Protector arbeiten, wobei der Cervitec Lack im Geschmack neutraler ist. Bei Kindern mit hyperplastischen Veränderungen der Gingiva - zum Beispiel hervorgerufen durch eine schlecht gepflegte Bracketversorgung oder durch Medikamenteneinnahmen - leisten Lacke, in kurzen Abständen aufgetragen, gute Dienste.

 

PRAXISHINWEIS | Der Cervitec Lack besitzt den wesentlichen Vorteil, dass er neutral schmeckt. Er ist auf Wasserbasis hergestellt und enthält kein Ethylacetat als Trägersubstanz, das die Atemwege reizt. Auch der Cervitec Lack wirkt kariesprotektiv. Die Firma Vivadent empfiehlt beide Lacke: Cervitec Lack kann im Wechsel mit Fluor Protector appliziert werden. Dabei muss man beachten, dass der Cervitec Lack sehr teuer ist, was man selbst leicht nachrechnen kann. Die sparsame und angenehme Applikationsform gleicht dies jedoch aus.

Fluorid-Lacke

Fluorid-Lacke sind wie Fluorid-Gelées fluoridhaltige Konzentrate, die allerdings wegen ihres neutralen pH-Wertes die Zahnoberfläche nicht anätzen, so wie es bei den Fluorid-Gelées geschieht.

 

Fluor Protector

Eine Sonderstellung unter den ansonsten hochdosierten Fluorid-Lacken nimmt der Fluor Protector ein. Dies ist ein Fluorsilanpräparat, dessen Fluorid-Anteil in einem flüssigen Polyurethanlack gelöst ist. Bei einer niedrigen Fluorid-Konzentration von nur 0,1 Prozent Fluorid erreicht der Schutzlack eine hohe Wirksamkeit, da er bis in tiefe Schmelzstrukturen eindringen kann und dort ein Depot entsteht. Damit verbessert er die Säureresistenz des Zahnschmelzes und vermindert auch die Empfindlichkeiten überempfindlicher Zähne und Zahnhälse. Er ist hervorragend zur Touchierung von White Spots und Erosionen geeignet.

 

Es tauchen keine Überdosierungsprobleme auf, denn erst durch das Trockenblasen auf dem Zahn erhöht sich die Intensität der Fluorid-Konzentration. Die Applikationen sollten nicht den ganzen Zahn umschließen, sondern ausschließlich die Prädilektionsstellen. Leider sind der strenge Geruch und Geschmack gerade bei Kindern im Vorschulalter problematisch, auch ist das Ampullensystem immer noch nicht optimal.

 

Duraphat Lack

Eindeutig besser schmeckt der Duraphat Lack: Seine Bestandteile sind in einem Baumharz gelöst, was dem Lack eine angenehm goldige Farbe und einen guten, aromatischen Geschmack gibt. Allerdings ist er hochdosiert - er enthält 22.600 ppm Natriumfluorid. Da Lack leicht verschluckt wird, ist Duraphat Lack bei Kindern unter 6 Jahren nicht angezeigt, sondern wird erst beim Durchbruch der ersten bleibenden Molaren im Fissurenbereich angewandt. Wegen der Farbe ist Duraphat im Frontzahnbereich nur in Ausnahmefällen geeignet. Neben der klinischen Wirksamkeit ist den Patienten nämlich auch die kosmetische Seite wichtig.

 

Ansonsten empfiehlt sich die vorsichtige Spritzendosierung. Man sollte nicht unnötig mit einer Karpulenspritze im Mund der Kinder hantieren. Das löst verständlicherweise Skepsis und Abwehrreaktionen aus. Am besten geben Sie die durch Teilstriche angegebene Menge Lack auf einen kleinen Einwegblock und applizieren diese dann sparsam mit einem Pellet. Es dürfen insgesamt nicht mehr als 0,5 bis 1 ml Lack aufgetragen werden.

 

MERKE | Für alle Lacke gilt, dass auf eine sofortige mechanische Belastung verzichtet werden sollte. Es darf erst nach einer Stunde wieder gegessen und getrunken werden. Nach dem Auftragen sollte möglichst nicht ausgespült werden.

 

Für beide Lacke gilt, dass ein leicht brennendes Gefühl nach dem Auftragen beklagt werden kann. Dies ist nicht schädlich, aber unangenehm.

 

Wichtige Tipps für den vorsichtigen Umgang mit Lacken

Die Lacke sind nicht nur auf den Zähnen extrem gut haltbar, sondern auch auf Praxismöbeln und Fußböden, wie Sie sicher aus leidvoller Erfahrung wissen. Seien Sie deshalb sehr sorgfältig im Umgang mit diesen Medikamenten, damit kein dauerhafter Schaden entsteht. Dies gilt besonders für den Fluor Protector. Bauen Sie sich einen doppelten Ständer aus Silikon und Gips. Legen Sie immer ein Tuch unter, um Minispritzer zu vermeiden.

 

PRAXISHINWEIS | Man muss mit diesem Material sehr aufmerksam und bewusst arbeiten. Sollte trotzdem eine Ampulle umfallen, so ist der Lack sofort mit einem feuchten Tuch zu entfernen. Auf keinen Fall sollten Sie Desinfektionsmittel darauf sprühen. Dann entstehen gelbe Flecken, die nie wieder zu entfernen sind.

 
Quelle: Ausgabe 09 / 2012 | Seite 12 | ID 35147370