· Fachbeitrag · Qualität
Gewährleistung in der Zahnarztpraxis: Das sollten Sie wissen
von Ute Blank, Fachwirtin für Zahnärztliches Praxismanagement, Bielefeld
| Der Zahnarzt übernimmt für die Qualität seiner Leistungen persönlich die Verantwortung. So steht es in § 6 der Musterberufsordnung der Bundeszahnärztekammer. Aber was genau bedeutet das? Wie ist diese Qualität vor dem Hintergrund von Gewährleistung und Garantie zu sehen? Der übliche Sprachgebrauch vermischt fälschlicherweise beide Begriffe. Im juristischen Sinn definiert eine Garantie die freiwillig vereinbarte Verpflichtung eines Garanten, während die Gewährleistung aus dem Gesetz abzuleiten ist. Für das tägliche Patientengespräch sollten Sie die wichtigsten Unterschiede kennen. |
Hintergrund: Dienstvertrag oder Werkvertrag
Der Vertrag zwischen Zahnarzt und Zahntechniker ist ein Werkvertrag und schuldet den Erfolg. Der Vertrag zwischen Zahnarzt und Patient ist ein Dienstvertrag, der nicht den Erfolg schuldet, sondern die Behandlung nach lege artis fordert. Patienten nehmen häufig an, der Zahnarzt schulde ihnen den Erfolg der vereinbarten Behandlung. Wenn dieser nicht eintritt, gehen sie von einem Behandlungsfehler aus und erheben finanzielle Forderungen. Tatsächlich ist seit langem anerkannt, dass ein Arzt keinen Behandlungserfolg schuldet, da er es mit Risiken zu tun hat, die er auch bei großer Sorgfalt und Sachkenntnis nicht vollständig beherrschen kann: Die Reaktion des menschlichen Körpers ist nie sicher vorhersagbar.
Was bedeutet Gewährleistung?
Im Handel sind Verkäufer gesetzlich zur Gewährleistung verpflichtet. Dies ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) festgehalten. Darin sind auch die Pflichten von Verkäufern klar definiert: Sie reichen von Austausch und Reparatur über Preisminderung bis hin zu Kaufrücktritt und Schadenersatz innerhalb von zwei Jahren nach dem Verkauf des Produkts. Dabei entscheidet der Kunde, was er möchte. Eine Verkürzung der Gewährleistungspflicht ist nur unter bestimmten Umständen möglich - beispielsweise bei gebrauchten Waren.
MERKE | Die Gewährleistung definiert eine zeitlich befristete Nachbesserungsverpflichtung ausschließlich für Mängel, die zum Zeitpunkt des Verkaufs - also zum Beispiel der definitiven Eingliederung des Zahnersatzes - bereits bestanden. |
Hinweis | Im Rahmen des Dienstvertrags besteht die Pflicht bzw. das Recht des Zahnarztes auf die Durchführung von erforderlichen Nachbesserungen. Zahnprothesen können oftmals nicht auf Anhieb in einer den Regeln der Zahnmedizin entsprechenden Tauglichkeit eingesetzt werden, sodass im üblichen Rahmen Korrekturen an Zähnen und Zahnersatz gestattet werden.
Was bedeutet Garantie?
Während Verkäufer gesetzlich zu einer Gewährleistung verpflichtet sind, steht es den Herstellern frei, für die Beschaffenheit oder Haltbarkeit des verkauften Produkts zu garantieren. Daher gibt es auch unterschiedliche Zeitangaben zu Garantien. Der Hersteller kann selbst entscheiden, wie lange die Garantie gilt und welche Leistungen sie beinhaltet. Auch der Käufer kann längere Garantiezeiten für einen entsprechenden Aufpreis miterwerben.
MERKE | Ein Garantie-Versprechen ist eine zusätzliche, freiwillige Leistung des Händlers und/oder des Herstellers. Bei einer Garantie spielt der Zustand der Ware zum Zeitpunkt der Übergabe an den Kunden keine Rolle, da ja die Funktionsfähigkeit für den Zeitraum garantiert wird. |
Haftung bei Gewährleistung und Garantie
Unterschiede zwischen Gewährleistung und Garantie bestehen auch in der Haftung. Die Gewährleistung bezieht sich auf die Mangelfreiheit zum Zeitpunkt des Kaufs. Um Ansprüche gegenüber dem Verkäufer geltend machen zu können, muss der Fehler also bereits bei Übergabe der Ware vorhanden gewesen sein.
In der Zahnarztpraxis bedeutet dies: Der Mangel bestand vom Zeitpunkt der Eingliederung an - wie zum Beispiel eine positive Stufe am Kronenrand oder eine Hyperbalance. Entsteht später ein Schaden, muss dieser auf den anfänglichen Fehler zurückzuführen sein. So können bei einem Planungsfehler etwa Abplatzungen der Keramik an den neuen Frontzahnkronen entstehen, weil die Kronen durch fehlende Zähne im Gegenkiefer überbelastet waren.
Hinweis | In den ersten sechs Monaten nach dem Kauf muss der Verkäufer beweisen, dass der Fehler beim Kauf des Geräts noch nicht da war. Danach findet eine Beweislastumkehr statt und der Kunde muss nun beweisen, dass der Fehler bereits beim Kauf bestand.
Der Garantiegeber dagegen haftet innerhalb der vereinbarten Bestimmungen auch für Mängel, die erst nach dem Kauf aufgetreten sind. Hierdurch sind auch Schäden gedeckt, die bei normalem Gebrauch entstehen können - zum Beispiel Materialermüdungen. Die Garantie-Versprechen sind aber häufig nicht so umfangreich wie die Gewährleistung. Vorsätzliche oder fahrlässige Beschädigungen werden von der Garantie ausgeschlossen.
Gewährleistungspflichten für gesetzlich versicherte Patienten
Im Sozialgesetzbuch (SGB) V ist für gesetzlich versicherte Patienten verankert, dass der Zahnarzt für ein- bis dreiflächige Füllungen, Aufbaufüllungen und für die Versorgung mit Zahnersatz oder Kronen eine zweijährige Gewährleistung zu übernehmen hat. Innerhalb dieses Zeitraums hat der Zahnarzt identische Wiederholungen oder Teilwiederholungen von Füllungen und Erneuerungen oder Wiederherstellungen von Zahnersatz kostenfrei vorzunehmen.
Bestimmte Füllungen bzw. Umstände können die Gewährleistung außer Kraft setzen bzw. sind auch innerhalb der Zwei-Jahres-Frist über die Kassen abrechenbar, da in diesen Fällen eine Gewährleistungspflicht des Zahnarztes nicht zumutbar erscheint. Wiederholungsfüllungen innerhalb von zwei Jahren können zulasten der Krankenkassen abgerechnet werden bei
- Milchzahn-, Zahnhals- und mehr als dreiflächigen Füllungen,
- Eckenaufbauten im Frontzahnbereich unter Einbeziehung der Schneidekanten,
- Fällen, in denen besondere Umstände - zum Beispiel Bruxismus oder Vorerkrankungen wie eine endodontische Behandlung - vorliegen, die der Zahnarzt in der Patientenakte festhält.
Auch bei der Herstellung von Zahnersatz ist die Gewährleistungspflicht verschuldensabhängig. Der Zahnarzt haftet für die von ihm verursachten objektiven Mängel des Zahnersatzes. Sollte dem Patienten der Zahnersatz ins Waschbecken fallen und zerbrechen, fällt die notwendige Reparatur selbstverständlich nicht unter Gewährleistungsansprüche, sondern kann mit einer Begründung im Feld „Bemerkungen“ normal abgerechnet werden.
PRAXISHINWEIS | Dokumentieren Sie Reparaturmaßnahmen sehr sorgfältig. Die papierlose Abrechnung fordert dies sogar. Nutzen Sie bitte nicht die Textvorgaben aus der zahnärztlichen Software, sondern beschreiben Sie den Grund und die Ursache der Reparatur mit eigenen Worten - zum Beispiel: „Bruch der UK-Prothese - Prothese ist ins Waschbecken gefallen“. |
Zeiträume für Überprüfungsanträge
Die Antragsfrist für die Überprüfung vermuteter Planungs- und/oder Ausführungsmängel bei der Krankenkasse beträgt 24 Monate nach der Eingliederung des Zahnersatzes. Innerhalb dieses Zeitraums muss ein entsprechender Gutachterauftrag vorliegen. Vor dem Hintergrund der Besonderheiten der Bezuschussung und der Rechtsverhältnisse im Festzuschuss-System wurde zwischen der KZBV und den Spitzenverbänden der Krankenkassen der Konsens erzielt, dass die Krankenkasse prothetische Leistungen in begründeten Einzelfällen bei andersartigen Versorgungen und sogenannten Mischfällen innerhalb von 36 Monaten nach der definitiven Eingliederung überprüfen lassen kann. Diese Drei-Jahres-Frist resultiert aus den Gewährleistungsregelungen des BGB (§ 195), das man hier heranziehen musste.
Gewährleistungspflichten für privat versicherte Patienten
Für den privat versicherten Patienten gelten diese gesetzlichen Gewährleistungsregelungen nicht. Unterläuft dem Zahnarzt ein sogenannter Behandlungsfehler, der die Regeln der zahnärztlichen Kunst missachtet - zum Beispiel ein zu kurzer, ungenauer oder überstehender Kronenrand -, kann der Patient innerhalb von drei Jahren nach Kenntnis von diesem Mangel Ansprüche gegen den Zahnarzt geltend machen.
Hier ermöglicht die Rechtsprechung dem Zahnarzt das Recht auf Nachbesserung, um Schadenersatzansprüche seitens des Patienten abzuwenden. Sollten mehrfache Nachbesserungsversuche dennoch nicht zum Erfolg führen oder ist dem Patienten der Weg zu dem Zahnarzt nach einem Umzug nicht zuzumuten, kann der Patient die Behandlung abbrechen. Dies gilt in Absprache mit der Krankenkasse nach einem Mängelgutachten auch für den gesetzlich versicherten Patienten. Ist der Behandlungsfehler als schwerwiegend bzw. als grober Behandlungsfehler einzustufen und konnte der Patient kein Vertrauen mehr in die Ordnungsgemäßheit der Leistungen des Zahnarztes haben bzw. ist es ihm unzumutbar, den Zahnarzt zwecks Durchführung der angebotenen Nachbesserung erneut aufzusuchen, kann der Patient den Behandlungsvertrag sofort kündigen und sogleich Schadenersatz- sowie unter Umständen Schmerzensgeldansprüche geltend machen.
Tipp: Freiwillige Verlängerung der Gewährleistung
Um Patienten zu gewinnen oder langfristig an die Praxis zu binden, bieten Zahnärzte zusammen mit ihrem zahntechnischen Labor zum Teil eine verlängerte Gewährleistung für eingegliederten Zahnersatz an, was grundsätzlich möglich ist. In § 136b Abs. 2 SGB V ist dies sogar gesetzlich verankert: „Die Zahnärzte, die ihren Patienten eine längere Gewährleistungsfrist einräumen, können dies ihren Patienten bekannt machen.“ Diese Verlängerung der Gewährleistung wird an gewisse Bedingungen, die die Praxis selbst aufstellt, geknüpft. Der Patient bekommt beispielsweise einen Zahnersatzpass, wo regelmäßig Kontrollen und professionelle Zahnreinigungen protokolliert werden. Durch die Eintragungen in einen Pass werden die Bedingungen und deren Erfüllung eindeutig formuliert, sodass es nicht zu Streit zwischen Patient und Zahnarzt kommt.
Weiterführender Hinweis
- „Garantiepässe für Zahnersatz: Wie Sie mit ‚made in Germany‘ punkten können!“ in PPZ Nr. 1/2012, S. 8