· Krisenmanagement
Corona-Krise: Durch freie Kapazitäten den Neustart vorbereiten!
von Angelika Schreiber, Hockenheim
| Die Corona-Krise trifft viele Berufsgruppen schwer, so auch die Zahnärzteschaft. Oberste Priorität hat in den Praxen der Schutz vor dem Virus für die Patienten und das Praxisteam. Bereits geplante und möglicherweise schon lange anstehende Behandlungen werden auf ein dringend erforderliches Maß begrenzt. Viele Terminabsagen führen zu erheblichem Leerlauf und enormen finanziellen Einbußen. Ihre Praxis ist geöffnet!? Jetzt gilt es, als Team nicht in lähmende Untätigkeit abzugleiten. Nutzen Sie die frei gewordene Zeit, um lange anstehende Aufgaben zu bewältigen. |
Die Aussichten sind ungewiss
Ungeachtet der vielen Terminabsagen hat die zahnärztliche Versorgung der Bevölkerung eine große Bedeutung. Die Situation ist dynamisch und ändert sich täglich. Viele Mitarbeiter bauen alten Urlaub ab, Kurzarbeit und temporäre Praxisschließungen stehen zur Diskussion. Und hier beginnt ein Balanceakt. Aber Krisenzeiten bieten stets auch die Chance, den Neustart danach vorzubereiten. Besonnene und vernünftige Planung ist gefragt, nicht hektische Betriebsamkeit.
Unerledigte Aufgaben aufspüren und angehen
Fast jede Praxis verfügt über einen gewissen Stau an unerledigten Aufgaben. Vielleicht sollte das ein oder andere neu strukturiert oder organisiert werden. Jetzt ist die Zeit dafür. Betrachten Sie die Aufgabengebiete getrennt und ordnen Sie diese den entsprechenden Teammitgliedern zu. Trennen Sie zunächst nach Aufgaben, die in der Praxis ‒ also vor Ort ‒ erledigt werden müssen und solchen, die auch standortunabhängig ‒ also im Homeoffice ‒ durchgeführt werden können. Falls eine temporäre Praxisschließung erfolgen sollte, wäre diese Vorgehensweise sinnvoll. Es folgen Anregungen aus acht Bereichen, welche Aufgaben möglicherweise in Ihrer Praxis angegangen werden können.
1. Patientenbestellsystem pflegen
Vorrangig wird ganz sicher das Patientenbestellsystem einer Überprüfung unterzogen. Hier sind zunächst aktuelle auf die Situation bezogene Änderungen vorzunehmen. Möglicherweise folgen Schritt für Schritt strukturelle Änderungen, die auch Anpassungen in der Zukunft nach sich ziehen, z. B. geänderte Öffnungszeiten oder Schichtpläne, Sprechstunden für bestimmte Patientengruppen (Risikopatienten).
2. Vorräte und Warenbestände kontrollieren
Kontrollieren Sie Warenbestände und Vorräte ‒ nicht um Hamsterkäufe zu tätigen, sondern um auszusortieren, was nicht mehr gebraucht wird (z. B. weil das Mindesthaltbarkeitsdatum bzw. Verfallsdatum überschritten ist). Bestellen Sie nach, was fehlt oder als neues Produkt mit aufgenommen wird. Ermitteln Sie den voraussichtlichen Bedarf unter Berücksichtigung der aktuellen Situation. Vielleicht sollten die einzelnen Produktgruppen auch neu geordnet werden, streng nach der Vorgabe „first in first out“.
Hand auf Herz: Müsste der Notfallkoffer nicht mal wieder auf seine Inhalte überprüft werden? Die Devise lautet: fester Platz, geprüfter Inhalt! Abgelaufene Medikamente bitte regelmäßig (die Empfehlung lautet alle drei Monate) gegen neue austauschen. Steht er wirklich am richtigen Platz? Wissen alle wo?
3. Instrumentenkontrolle durchführen
Prüfen Sie die benötigten Behandlungsinstrumente auf ihre Unversehrtheit und Funktionstüchtigkeit. Blinde Mundspiegel, stumpfe Scheren und Scaler erschweren die Behandlung und beeinträchtigen das Ergebnis negativ. Trennen Sie sich von allen unbrauchbaren Instrumenten und prüfen Sie, was instand gesetzt werden kann. Vielleicht beherrscht ja eine der Kolleginnen das Aufschleifen chirurgischer Instrumente und kann so beispielsweise Scaler, Küretten oder chirurgische Scheren etc. schärfen.
4. Neu ordnen und bedarfsgerecht bestücken
Sortieren Sie ‒ nach Rücksprache mit dem jeweiligen Behandler ‒ Instrumente aus, die seit Jahren nur Schubladen füllen ohne benutzt zu werden. Wenn Sie sich unsicher sind, können diese auch zunächst zwischengelagert und erst nach Ablauf von etwa sechs Monaten aussortiert werden. Übrigens lassen sich Instrumente durchaus auch (möglicherweise online) verkaufen.
Ordnen und bestücken Sie auf diese Weise die einzelnen Behandlungszimmer neu mit einer bedarfsgerechten Menge. So schaffen Sie Platz, auch für Neuanschaffungen. Beachten Sie dabei: Zu einem reibungslosen Behandlungsablauf müssen die benötigten Instrumente in ausreichender Anzahl an dem dafür vorgesehenen Platz liegen. Alles was fehlt, kann zu einer zeit- und manchmal auch nervenaufreibenden Behandlungsunterbrechung führen.
5. Räumlichkeiten auf Sicherheit überprüfen
Auch eine Sicherheitsüberprüfung der Räumlichkeiten könnte hilfreich sein. Gibt es Stolperfallen in Ihrer Praxis, rutschige Fußmatten, scharfe Möbelkanten, zu enge oder vollgestellte Durchgänge? Sind entsprechende Piktogramme (Notausgang, WC, Feuerlöscher etc.) an den richtigen Stellen angebracht? Wenn nicht, besteht Handlungsbedarf. Übrigens sollten Sie auch ein Auge auf die Sicherheitslücken für Einbrecher werfen.
6. Organisatorische Abläufe prüfen
Zeitliche Freiräume bieten die Gelegenheit für zusätzliche Checks im Bereich der Praxisorganisation. Einige Beispiele:
- Funktioniert die Neuaufnahme von Patienten reibungslos oder gibt es Fehlerquellen bzw. Zeitverzögerungen im Praxisablauf?
- Werden die Patientenstammdaten regelmäßig gepflegt? Sind die Adressen und Telefonnummern der Patienten aktuell?
- Ist die Praxis in Sachen Datenschutz und Datensicherheit up to date?
Vielleicht entdecken Sie auch die eine oder andere Karteileiche: Patient verzogen, Adresse nicht zu ermitteln, Rechnung nicht bezahlt!? Einen Heil- und Kostenplan, der nicht abgerechnet wurde, eine begonnene PAR-Behandlung, die nicht weitergeführt wurde, ein Kieferbruchformular aufgestellt zur Planung einer adjustierten Schiene, die nie angefertigt wurde, weil der Patient seine Termine versäumte? Bitte rechnen Sie ggf. auch Teilleistungen ab, sofern die Fristen nicht überschritten und die Rechnungen zustellbar sind.
7. Daten in der Praxissoftware pflegen
Auch Daten in der Praxissoftware können geprüft werden, z. B.:
- Ist das Begründungsverzeichnis für Faktorüberschreitungen, das die Rechnungsstellung deutlich erleichtern kann, auf dem aktuellsten Stand?
- Wann wurden die Verbrauchsmaterialien in der Abrechnungssoftware zum letzten Mal überprüft und ergänzt? Sind die Preise dazu noch aktuell?
- Wie sieht es aus mit Textbausteinen zum Erstellen von Patienteninformationen oder -briefen?
8. Online-Fortbildungen nutzen
Jetzt ist vielleicht auch Zeit dazu, ein Seminar z. B. zur Abrechnung oder zur Praxishygiene zu besuchen. Präsenzveranstaltungen sind ja gerade nicht erlaubt ‒ warum also nicht online?
Nicht ruhen ‒ anpacken!
Sie merken: Schon die vorgenannten Vorschläge und Anregungen sind vielfältig und ließen sich noch lange ergänzen ‒ aber bitte vergessen Sie auch die Azubis nicht. Eine persönliche Lerneinheit in der Praxis oder ein Fachthema zur Bearbeitung als Hausaufgabe hilft nicht nur gegen Langeweile, es kann durchaus auch Interesse auf mehr wecken.
Zum Abschluss noch eine Checkliste: Sie gibt einen Überblick über mögliche Aufgaben. Bitte verstehen Sie sie nicht als Arbeitstabelle, sondern als Anregungen, die den Neustart nach der Krise erleichtern sollen. Packen Sie’s an!
Checkliste / Mögliche sinnvolle Aufgaben in der Krise |
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