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Implantatbehandlung: Risikoaufklärung auch bei fachfremdem Mediziner erforderlich
von Rechtsanwalt Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht, Unna
| Mit Urteil vom 20. Februar 2014 hat das Landgericht Münster (Az. 111 O 45/11, Abruf-Nr. 142605 ) einen Zahnarzt verpflichtet, an den Patienten ein Schmerzensgeld in Höhe von 6.500 Euro zu zahlen sowie für weitere materielle und immaterielle Schäden aus einer Implantatbehandlung aufzukommen. |
Der Fall
Der am 2. August 1952 geborene Chirurg mit Schwerpunkt Proktologie ließ sich am 3. September 2010 in regio 36 in Lokalanästhesie ein Zahnimplantat im Unterkiefer einsetzen. Nachdem die Betäubung nachließ, verspürte er ein Taubheitsgefühl und Kribbeln, zum Teil auch schmerzhafte Missempfindungen der linken Unterlippe und der Mundschleimhaut am Unterkiefer links. Das Implantat wurde wenige Tage später entfernt. Bis heute verspürt er beim Rasieren eine Zunahme des Kribbelns und beißt sich manchmal beim Essen wegen des Taubheitsgefühls in die linke Unterlippe.
Das Urteil
Der gerichtlich bestellte Sachverständige bestätigte, dass es beim Einsetzen des Implantats zu einer dauerhaften Schädigung des Nervus alveolaris inferiorlinks in der Endverzweigung des Nervus mentalis gekommen war (Risiko: 5 bis 15 Prozent). Dies stelle zwar keinen Behandlungsfehler dar, aber nach Ansicht des Gerichts haftete der Zahnarzt wegen eines Aufklärungsverschuldens: Bei der Nervschädigung handele es sich um ein eingriffstypisches Risiko, über das regelmäßig aufzuklären sei.
Die Aufklärungspflicht entfalle auch nicht deshalb, weil der Kläger selber als Arzt tätig sei. Er sei kein Zahnarzt, sondern Chirurg mit Schwerpunkt Proktologie. Er verfügte demnach nicht schon von Berufswegen über Kenntnis von Risiken einer Implantatbehandlung im Unterkiefer. Der Zahnarzt habe die gebotene Aufklärung im Prozess nicht bewiesen.
Eventuell habe der Zahnarzt von einer Aufklärung über das Nervschädigungsrisiko abgesehen, weil er meinte, der Patient wisse als Arzt hierüber ohnehin Bescheid. Der Einwand der hypothetischen Einwilligung greife nicht durch. Der Patient habe plausibel erklärt, dass er sich in Kenntnis eines Verletzungsrisikos des Nervs von bis zu 15 Prozent zunächst für eine 3D-Diagnostik entschieden hätte, die nach Ausführungen des Sachverständigen das Risiko einer Nervschädigung deutlich reduziert hätte. Dass es auch nach Durchführung einer 3D-Diagnostik bei entsprechender Implantatbehandlung zu einem anderen Zeitpunkt ebenfalls zur dauerhaften Nervschädigung gekommen wäre, hätte der Beklagte weder substantiiert vorgetragen noch bewiesen.