10.11.2023 · Fachbeitrag · Erbschaft- und Schenkungsteuer

Verstößt das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz in Teilen gegen die Kapitalverkehrsfreiheit?

von Dipl.-Finw. (FH) Ingo Krause, Referent für Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie steuerliche Unternehmensbewertung der OFD NRW, Bad Laer

| Der EuGH hat mit Urteil vom 12.10.23 (C-670/21, Abruf-Nr. 238074 ) entschieden, dass die Steuervergünstigung für zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke des Privatvermögens (Wertansatz nur zu 90 % des Grundbesitzwerts) in § 13c ErbStG a. F. bzw. dessen Folgevorschrift § 13d ErbStG bezogen auf in Drittstaaten belegene und zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke, die von der Vergünstigung ausgeschlossen werden, gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV verstößt und damit europarechtswidrig ist. |

1. Vorlauf

Dem Urteil war der Vorlagebeschluss des FG Köln (2.9.21, 7 K 1333/19, Abruf-Nr. 226932) vorausgegangen. Dieses hatte dem EuGH die Frage vorgelegt, ob § 13c ErbStG a. F. (mittlerweile § 13d ErbStG) gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt.

1.1 Sachverhalt

Der im Juni 2016 verstorbene Erblasser vermachte seinem Sohn (Kläger) durch notariell beurkundeten Erbvertrag aus dem Jahr 2013 u. a. seinen hälftigen Anteil am Grundvermögen in Kanada. Die in Kanada belegenen Grundstücke sind zu Wohnzwecken vermietet und nicht Teil eines Betriebsvermögens. Der Erblasser hatte zu Lebzeiten seinen Wohnsitz in Deutschland, wo auch der Kläger zum Zeitpunkt des Erbfalls wohnte (unbeschränkte Steuerpflicht). Die vermachten Vermögensgegenstände sind jeweils mit lebenslangen Nießbrauchsrechten zugunsten der Ehefrau des Erblassers belastet. Mit Bescheid vom 17.7.17 setzte das zuständige FA die Erbschaftsteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 AO fest. Eine Steuerbefreiung nach § 13c ErbStG a. F. für die in Kanada belegenen Grundstücke gewährte es nicht, sodass diese mit ihrem vollen gemeinen Wert angesetzt wurden.