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  • · Fachbeitrag · Umgang mit „No-Shows“

    Zeit ist Geld ‒ Rechtliches zum Thema Ausfallgebühr

    von RAin, FA MedizinR Prof. Dr. Birgit Schröder, Hamburg

    | Abnehmende Termintreue ‒ das ist nicht nur ein gefühltes Phänomen, sondern lässt sich durch eine aktuelle Auswertung der KV Bremen bestätigen. Dazu wurden „No-Shows“, also Ausfallzeiten durch Nichterscheinen, nach Terminvermittlungen über die Terminservicestelle (TSS) in den Quartalen I und II/2022 erfasst. Die sogenannte No-Show-Rate war insbesondere bei denjenigen Fachgruppen am größten, für die keine Überweisung erforderlich ist: Hausärztliche Internisten (44 Prozent) und Allgemeinärzte (36 Prozent; s. iww.de/s8313 ). Dieses Missverhältnis kann nicht ohne Konsequenzen bleiben: Die KV Bremen fordert die Einführung einer No-Show-Gebühr, die allerdings nicht von den Praxen, sondern über die Krankenkassen in Rechnung gestellt und dann an die Praxen ausgezahlt werden soll. Es braucht Strategien, um die No-Show-Rate so gering wie möglich zu halten, denn No-Show stört den Praxisablauf und führt zu Honorareinbußen. |

    No-Show-Gebühr als letztes Mittel

    Theoretisch sollte es selbstverständlich sein ‒ eine Dienstleistung, die der Patient in Anspruch genommen hat, muss er auch bezahlen. Ein Termin, der nicht in Anspruch genommen wird, wird rechtzeitig abgesagt. Soweit die Theorie. Im Praxisalltag sieht es leider gänzlich anders aus. Immer mehr Praxen klagen nicht nur über eine sinkende Zahlungsmoral, sondern zunehmend auch über sinkende Termintreue. Was tun, um Patienten für das Thema zu sensibilisieren und ggf. auch zu „erziehen“? Mit Patienten ist es oftmals ein wenig wie mit Kindern ‒ liebevolle Konsequenz führt zum Erfolg!

     

    Terminbestätigung kann vorbeugen und sich auszahlen

    Bevor das Instrument einer No-Show-Gebühr zur Anwendung kommt, sind präventive Maßnahmen möglich. So zeigen Erfahrungen vieler Praxen, dass eine erneute Kontaktaufnahme vor einem vereinbarten Termin helfen kann, die Zahl der unentschuldigt versäumten Termine zu reduzieren. Das kann durch einen Anruf beim Patienten erfolgen mit der Bitte um eine Terminbestätigung. Auch automatisierte Terminerinnerungen sind möglich. Auch wenn dieses Vorgehen zusätzliche personelle Ressourcen bindet: Ein persönlicher Kontakt schafft i. d. R. mehr Verbindlichkeit als eine automatisch generierte Textnachricht über die TTS ‒ zumal das nur möglich ist, wenn der Kontaktaufnahme per E-Mail entsprechend zugestimmt wurde. Der damit verbundene Mehraufwand für die Praxen dürfte in einem guten Verhältnis zum erwarteten Ertrag stehen.

     

    Bewusstsein der Patienten schärfen

    Wenn Erinnerungen und Ermahnungen nicht zum Erfolg führen, hilft oft nur der wirtschaftliche Druck ‒ das Geld. Immer mehr Praxen denken darüber nach, eine „Ausfallgebühr“ einzuführen. Diese Gebühr wird i. d. R. dann eingefordert, wenn ein Termin nicht mindestens 24 Stunden vorher abgesagt wird. Dahinter stehen zwei Gedanken: Zum einen: Zeit ist Geld. Ein Termin kann i. d. R. nicht kurzfristig neu vergeben werden, zum anderen soll Patienten mit dieser „Drohung“ mehr Termintreue „anerzogen“ werden. Es soll das Bewusstsein vermittelt werden, dass es überhaupt ein Problem für die Praxis darstellt, wenn Patienten sich nicht an ihre Termine halten. Es gibt aber auch Praxen, die ganz bewusst solche Gebühren nicht fordern, weil sie befürchten, (langjährige) Patienten damit zu verschrecken. Diese Befürchtung ist nachvollziehbar, aber in den meisten Fällen nicht begründet. Im Gegenteil: In Kenntnis der möglichen finanziellen Folgen bemühen sich viele Patienten eher darum, Termine auch einzuhalten. Es geht ohnehin in den meisten Praxen nur um eine sehr kleine Gruppe von Patienten. Denn der Großteil kommt zu vereinbarten Terminen und meldet sich, wenn er verhindert ist.

     

    Behandlungsvertrag zwischen Arzt und Patient

    Zwischen Patient und Arzt besteht ein Behandlungsvertrag im Sinne des § 630a BGB. Dieser bestimmt u. a.: Durch den Behandlungsvertrag wird derjenige, der die medizinische Behandlung eines Patienten zusagt (Behandelnder), zur Leistung der versprochenen Behandlung verpflichtet. Der andere Teil (Patient) ist zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet, soweit dies nicht einem Dritten zufällt. Diesen Vertrag kann ein Patient grundsätzlich jederzeit kündigen. Dafür ist keine Schriftform erforderlich ‒ es reicht sog. konkludentes Handeln. Das kann beispielsweise auch durch Nichterscheinen zum Termin zum Ausdruck gebracht werden.

    Voraussetzungen für eine Ausfallgebühr

    Im Rahmen eines geschlossenen Arztvertrags befindet sich der Patient in einem Annahmeverzug, wenn er einen fest vereinbarten und für ihn freigehaltenen Termin nicht einhält. Ein finanzieller Anspruch setzt grundsätzlich voraus, dass

    • bei einer gut organisierten Bestellpraxis ein fester Behandlungstermin mit dem Patienten vereinbart worden ist,
    • darauf hingewiesen wurde, dass bei Nichterscheinen oder Unpünktlichkeit die reservierte Zeit in Rechnung gestellt wird und
    • dem Behandelnden auch tatsächlich ein Schaden entstanden ist, also kein „Ersatzpatient“ behandelt werden konnte.

     

    MERKE | Grundsätzlich kann kein Ausfallhonorar geltend gemacht werden ‒ unabhängig davon, wie oft Termine verpasst wurden oder wie kurzfristig abgesagt wurde. Ein Ausfallhonorar/eine Ausfallgebühr setzt eine entsprechende Vereinbarung voraus. Ohne diese gehen die Praxen leer aus.

     

    Unabhängig davon sind Fälle denkbar, in denen die Geltendmachung unbillig ist. Das kann der Fall sein, wenn ein Unfall Ursache dafür war, dass ein Termin nicht eingehalten werden konnte oder ein Todesfall in der Familie dazwischen kam. Von diesen sehr seltenen Ausnahmefällen abgesehen, besteht zunächst einmal grundsätzlich ein Anspruch. Zu beachten ist, dass sich diese Vereinbarungen immer an den verbraucherfreundlichen Regelungen des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie der GOÄ messen lassen müssen.

    Bemessung der Höhe

    Die Höhe, die geltend gemacht wird, berechnet sich unterschiedlich: Einige Praxen setzen das entgangene Honorar abzüglich ersparter Aufwendungen an. Viele Praxen ziehen allerdings die Vereinbarung von Pauschalen vor. Diese orientieren sich an den durchschnittlichen Einnahmen während der Dauer des vereinbarten Termins. Wer das Ausfallhonorar auf Basis des durchschnittlichen Kostenfaktors seiner Praxis berechnen möchte, sollte sich an seinen Steuerberater wenden. Im Streitfall muss die Praxis den entstandenen Schaden konkret beziffern und beweisen. Da ersparte Aufwendungen anzurechnen sind, sollte die Pauschale nicht identisch mit den abzurechnenden Gebühren sein!

    Wichtige Inhalte einer Vereinbarung

    Eine Vereinbarung mit dem Patienten zur Ausfallgebühr sollte folgende Punkte enthalten:

    • Dem Patient sollte deutlich vermittelt werden, dass der Termin nur für ihn freigehalten wird.
    • Erforderlich ist eine klare Regelung, bis wann (beispielsweise 24 Stunden vorher) und wie (per Telefon, Fax, E-Mail) eine Absage zu erfolgen hat.
    • Die Höhe des Ausfallhonorars sollte klar festgelegt werden.
    • Die Vereinbarung ist dem Patienten schriftlich zur Unterzeichnung vorzulegen.
    • Zur Erinnerung sollte die Vereinbarung regelmäßig „erneuert“ werden, um nicht in Vergessenheit zu geraten.
    • Ein Exemplar der Vereinbarung ist dem Patienten auszuhändigen.

    Durchsetzung der Ansprüche

    Wenn der Patient seinen Termin unentschuldigt versäumt hat, ist ihm zeitnah eine Rechnung zu übersenden. Zahlt er diese nicht und zeigt auch eine Mahnung keine Wirkung, ist zu überlegen, ob der Anspruch gerichtlich geltend gemacht werden soll. In einem Zivilverfahren vor Gericht kann es zu einer mündlichen Verhandlung unter Ladung des Praxisinhabers mit Zeugenvernehmung der Mitarbeiter kommen. Wer diesen Weg nicht gehen möchte, sollte sich darüber im Klaren sein, dass Ausfallgebühren nur dann ihre volle Wirkung zeigen können, wenn sie auch durchgesetzt werden. Ansonsten spricht es sich u. U. herum, dass es sich nur um einen zahnlosen Tiger handelt.

     

    FAZIT | Ein Ausfallhonorar setzt einen wirksamen Behandlungsvertrag, eine Verantwortlichkeit des Patienten und einen Schaden in Form eines Umsatzausfalls voraus. Die Rechtsprechung ist nicht einheitlich, aber es gibt vermehrt Urteile zugunsten der Praxen, z. B. Amtsgericht Bielefeld (Urteil vom 10.02.2017, Az. 411 C 3/17). Entschieden wurde, dass ein Patient wegen eines erst am gleichen Tag abgesagten Behandlungstermins ein Ausfallhonorar in Höhe von 375,02 Euro zahlen muss, da der Termin spätestens 48 Stunden vorher hätte abgesagt werden müssen.

     

    Unabhängig davon gilt: Nur eine Vereinbarung über ein Ausfallhonorar schafft Verbindlichkeit. Ohne eine solche besteht keine Möglichkeit, einen finanziellen Anspruch geltend zu machen. Kommt ein Patient, der bis dahin immer zuverlässig war, einmal nicht zum Termin, sollte überlegt werden, wie damit umgegangen wird. Es ist Fingerspitzengefühl gefragt. Mit einer Vereinbarung besteht aber zumindest die Möglichkeit, ein Ausfallhonorar durchzusetzen (Eine „Muster-Terminvereinbarung“ steht für Sie bei AAA online unter iww.de/s8314 zum Download bereit).

     
    Quelle: Ausgabe 07 / 2023 | Seite 11 | ID 45776315