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· Fachbeitrag · Alltagsprobleme

Erfolgreiche Anfechtung eines Fitnessstudiovertrags

| Wer irrtümlich eine Erklärung unterschreibt, die einen anderen Inhalt hat als besprochen und gedacht, kann die Erklärung wirksam anfechten. |

 

Eine siebzigjährige Rentnerin erhielt einen Flyer von einem Fitnessstudio. Auf diesem stand: Testen Sie uns! 2 Wochen 19,90 EUR, letzter Starttermin 28.2.13. Die Rentnerin leidet seit Jahren an Rückenproblemen. Da sie von Sozialhilfe lebt, konnte sie sich einen Vertrag mit einem Fitnessstudio nicht leisten und beschloss, dieses Angebot zu nutzen. Noch vor Ablauf des Aktionszeitraums legte sie im Fitnessstudio den Werbeflyer vor, gab an, dieses Angebot nutzen zu wollen und unterschrieb eine Vereinbarung mit dem Fitnessstudio. Da sie ihre Brille vergessen hatte, hat sie den Wortlaut der Vereinbarung nicht lesen können, was sie dem zuständigen Mitarbeiter des Fitnessstudios auch gesagt hat. Dieser hat auf mehrmalige Fragen versichert, dass es sich um einen Vertrag entsprechend dem Angebot, wie auf dem Flyer abgedruckt, handeln würde. Tatsächlich hat sie einen Vertrag unterschrieben, in dem sie sich unter anderem für 64 Wochen Basispaket zu fast 16 EUR pro Woche verpflichtete. Nachdem sie zu Hause mit der Brille den Vertrag durchgelesen und den Irrtum bemerkt hatte, forderte sie das Fitnessstudio auf, den Vertrag rückgängig zu machen.

 

Das AG München hat entschieden, dass der Vertrag von der Münchnerin wirksam angefochten werden konnte, da sie sich über dessen Inhalt geirrt hat. Sie sei davon ausgegangen, nur eine zweiwöchige Nutzungsvereinbarung abgeschlossen zu haben gemäß dem Flyer, den sie bei den Vertragsverhandlungen vorgelegt hat (18.6.14, 271 C 30721/13, Abruf-Nr. 143202).

 

Der BGH hat bereits 1994 entschieden, dass derjenige, der ein Schriftstück ungelesen unterschrieben hat, den Vertrag anfechten kann, wenn er sich von dessen Inhalt eine bestimmte, allerdings unrichtige Vorstellung gemacht hat. Da die Rentnerin den Vertrag mangels Brille nicht lesen konnte und auch nicht durchgelesen hat, hat sie, ohne dies zu merken, etwas anderes zum Ausdruck gebracht, als das, was sie in Wirklichkeit hatte erklären wollen. Sie hat sich darüber geirrt, welche Bedeutung ihrer Erklärung bei dem Geschäft zugekommen ist. Das AG ist aufgrund der Angaben der Beteiligten wie auch der Gesamtumstände davon überzeugt, dass sie den Vertrag, wenn sie den tatsächlichen Inhalt gekannt hätte, so nicht unterschrieben hätte. Warum sollte sie - ohne das Fitnessstudio zu kennen und mit erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen - gleich einen Langzeitvertrag abschließen wollen, zumal teurer als das Testangebot? Ohnehin kam eine Mitgliedschaft aus finanziellen Gründen nicht infrage.

 

Bei aller Geschäftstüchtigkeit von Fitnessstudios konnte das AG aber nicht die Überzeugung gewinnen, dass die Kundin vorsätzlich getäuscht worden ist. Vielmehr dürfte -wie so oft- der Fehler auf beiden Seiten gelegen haben: Wird schlecht zugehört, redet man ganz schnell aneinander vorbei.

 

Quelle: Pressemitteilung des AG München vom 30.10.2014

Quelle: Ausgabe 11 / 2014 | Seite 188 | ID 43048274