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Keine Zwangsräumung bei Gefahr für Gesundheit und Leben
| Immer wieder gibt es Streit darüber, wann Krankheiten so schwerwiegend sind, dass eine Zwangsräumung unzumutbar ist. Das BVerfG hat es für unzulässig erklärt, dass ein 78-jähriger seine Wohnung verliert, wenn ein komplexes psychiatrisch-neurologisches Krankheitsbild vorliegt. Dann bestünde eine konkrete Gefahr für Gesundheit und Leben des Betroffenen (13.4.22, 2 BvR 447/22, Abruf-Nr. 229171 ). |
Vorliegend wehrte sich der Beschwerdeführer mit einer Verfassungsbeschwerde gegen seine Zwangsräumung. Gutachterlich war bei ihm ein beginnendes, demenzielles Syndrom mit deutlich wahnhafter Komponente und eine Persönlichkeitsstörung festgestellt worden. Somit lagen psychische Erkrankungen und chronisch-progrediente Leiden vor. Der Beschwerdeführer könne seinen Willen nicht mehr frei bestimmen bzw. nicht entsprechend seiner Einsicht handeln. Das Gutachten schilderte ein derart ausgeprägtes Krankheitsbild, dass auch die Voraussetzungen für eine anzuordnende umfassende Betreuung selbst gegen den Willen des Beschwerdeführers vorlägen.
Eine konkrete Gefahr für Gesundheit und Leben des 78-jährigen, erkrankten und alleinstehenden Beschwerdeführers war nicht auszuschließen. Er sei nicht in der Lage, selbstständig einen Umzug durchzuführen und sich in neuer Umgebung zurechtzufinden. Seine psychische und physische Gesundheit drohe sich dann zu verschlechtern.
Beachten Sie | Das Gericht stellte die Zwangsräumung daher mit einer einstweiligen Anordnung vorläufig ein. Betreffend die gerichtliche Folgenabwägung wiege eine ggf. um wenige Monate verzögerte Räumung nicht so schwer wie für den Senioren der Verlust der Wohnung.
Weiterführende Hinweise
- Zwangsräumung: § 885a Abs. 4 ZPO richtig auslegen und anwenden, SR 21, 164
- Härtegründe bei Eigenbedarfskündigung, SR 21, 17