· Fachbeitrag · Fehlervermeidung
Vermeiden Sie für Ihre Mandanten die Versagung der Restschuldbefreiung durch Fahrlässigkeit
| Senioren, die als Schuldner Pflichten gegenüber dem Insolvenzgericht und/oder dem Insolvenzverwalter haben, sind gut beraten, hierbei nicht nachlässig zu werden. Es kommt immer wieder vor, dass Schuldner ihren Pflichten im Insolvenzverfahren nicht bzw. nur unzureichend nachkommen: So erteilen sie oft keinerlei Auskünfte darüber, ob sie arbeiten, sie reichen keine Lohnabrechnungen bzw. Steuerunterlagen ein oder teilen Wohnsitzwechsel nicht mit. Eine solche Fahrlässigkeit kann schnell dazu führen, dass Schuldner die beantragte Restschuldbefreiung gefährden und sie so noch auf den „letzten Metern“ „zu Fall gebracht werden“. Wie Sie dies für Ihre Mandanten vermeiden, zeigt der folgende Beitrag. |
1. Grundsatz: Mitwirkungspflicht des Schuldners
Ein Grundsatz, der in der Praxis vielfach nicht beachtet wird, ist: Ein Schuldner muss im Insolvenzverfahren aktiv mitwirken! Er ist nämlich verpflichtet, dem Insolvenzgericht und dem Insolvenzverwalter über alle das (Insolvenz-)Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu geben. Er muss den Verwalter bei der Erfüllung seiner Aufgaben unterstützen (§ 97 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 InsO).
Beachten Sie | Diese Verpflichtungen setzen sich in der sog. Wohlverhaltensphase fort, also nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens, durch die Erfüllung von unterschiedlichen Obliegenheitspflichten (vgl. § 295 InsO).
2. Möglichkeiten von Insolvenzgläubigern,die Restschuldbefreiung zu verhindern
Gläubigern stehen zwei Optionen offen, einem Schuldner die Restschuldbefreiung versagen zu lassen. Hierbei ist zu unterscheiden:
a) Versagungsgründe innerhalb des Insolvenzverfahrens
Ist das Insolvenzverfahren eröffnet und noch nicht beendet, können Gläubiger, die ihre Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet haben, bis zum sog. Schlusstermin oder bis zur Entscheidung aufgrund sog. Masseunzulänglichkeit nach § 211 Abs. 1 InsO jederzeit schriftlich beantragen, dass dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt wird. Hierüber entscheidet der Insolvenzrichter.
Solche Versagungsgründe im Insolvenzverfahren ergeben sich abschließend aus § 290 Abs. 1 InsO. Sie sind in der folgenden Checkliste übersichtlich zusammengefasst:
Checkliste /K Sechs Versagungsgründe im Insolvenzverfahren |
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Beachten Sie | Der Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung ist nur zulässig, wenn der Gläubiger einen der vorgenannten Versagungsgründe glaubhaft macht. Dabei darf er sich auf die vom Insolvenzverwalter, etwa in seinem Schlussbericht, mitgeteilten Verstöße des Schuldners gegen seine Mitwirkungspflichten berufen (BGH 12.6.08, IX ZB 61/06). Eine pauschale Inbezugnahme ist nicht ausreichend. Vielmehr muss der Gläubiger den Versagungsgrund konkret benennen und vortragen, aus welchen Ausführungen sich die Pflichtverletzung des Schuldners konkret ergibt (BGH NZI 12, 330). Zudem kann die Glaubhaftmachung auch durch die Vorlage einer schriftlichen Erklärung eines Insolvenzverwalters oder Treuhänders erfolgen (BGH Rpfleger 09, 340).
PRAXISTIPP | Die in § 290 Abs. 1 InsO aufgeführten Versagungsgründe kommen in der Praxis selten vor, da viele Gläubiger angesichts der hohen Hürde der erforderlichen Glaubhaftmachung und des Nachweises des schuldhaften Verhaltens des Schuldners den Aufwand scheuen und mitunter bei einer Abweisung auch noch entsprechende Verfahrenskosten zu tragen haben. |
b) Versagungsgründe in der Wohlverhaltensphase
Das Insolvenzgericht (Richter) versagt die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers (§ 296 Abs. 1 S. 1 InsO), wenn der Schuldner in dem Zeitraum zwischen der Aufhebung der Insolvenz und der Restschuldbefreiung (sog. Wohlverhaltensphase) eine seiner Obliegenheiten verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt (§§ 295, 295a InsO).
Checkliste / Versagungsgründe während der Wohlverhaltensphase |
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Beachten Sie | Die in § 295, § 295a Abs. 1 InsO aufgeführten Versagungsgründe kommen in der Praxis ebenfalls selten vor, zumal der Gläubiger nachweisen muss, dass die Gläubigerinteressen durch den Obliegenheitsverstoß beeinträchtigt worden sind (vgl. § 296 Abs. 1 S. 1 InsO). Auch hier scheuen die Gläubiger i. d. R. den Aufwand.
c) Praxisfall: Versagungsgrund bei Wegfall der Kostenstundung
Regelmäßig regen Gläubiger allerdings neben den o. g. Versagungsgründen an, hilfsweise eine Kostenstundung zu prüfen.
aa) Regelfall: Verfahrenskosten werden gestundet
Die Erfahrung lehrt, dass i. d. R. auf Antrag des Schuldners die Verfahrenskosten bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung gestundet werden, da in den meisten Fällen das schuldnerische Vermögen nicht dazu ausreicht, die Kosten des Verfahrens zu decken (§ 4a Abs. 1 InsO). Die Stundung erfolgt nur auf Antrag für jeden Verfahrensabschnitt besonders (§ 4a Abs. 3 S. 2 InsO), also für
- das eröffnete Insolvenzverfahren bis zur Aufhebung und
- die Abtretungsfrist (§ 287 Abs. 2 S. 1 InsO; sog. Wohlverhaltensphase) bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung.
PRAXISTIPP | Wurde Kostenstundung bewilligt, bewirkt dies, dass die angefallenen und anfallenden Gerichts- und Sachverständigenkosten sowie die Vergütung des (vorläufigen) Insolvenzverwalters bzw. Treuhänders in der Wohlverhaltensphase zunächst durch die Staatskasse zu begleichen sind und ein beigeordneter Rechtsanwalt Ansprüche auf Vergütung gegen den Schuldner nicht geltend machen kann (vgl. § 4a Abs. 3 InsO). |
bb) Verstoß gegen Mitwirkungspflichten: i. d. R. Prüfung der Kostenstundung
Das Gericht (Rechtspfleger) ist nach Kenntnis von Obliegenheitsverletzungen i. S. d. §§ 290, 295 f. InsO gehalten, von Amts wegen tätig zu werden. Dies geschieht regelmäßig dadurch, dass es z. B. den Schuldner auffordert, sich binnen einer gesetzten Frist (i. d. R. zwei Wochen) über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu erklären. Hierzu kann es dem Schuldner den amtlichen Vordruck über die „persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse“ zusenden, der für PKH genutzt wird.
Beachten Sie | Regelmäßig wird dem Schuldner das gerichtliche Schreiben mittels Postzustellungsurkunde an die dem Gericht bekannte Meldeadresse (auch bei Umzug durch den Schuldner) zugestellt, um zu gewährleisten, dass der Schuldner die gerichtliche Aufforderung auch tatsächlich erhalten hat. Kommt er dann nicht fristgerecht der Aufforderung nach, kann bzw. wird das Gericht die Stundung aufheben, weil der Schuldner die verlangte Erklärung über seine Verhältnisse nicht abgegeben hat (§ 4c Nr. 1 InsO).
cc) Folgen der Aufhebung der Verfahrenskostenstundung
Mit der rechtskräftigen Aufhebung der Kostenstundung entfallen deren Wirkungen.
MERKE | Dies bedeutet: Sämtliche angefallenen Kosten werden sofort in voller, noch ausstehender Höhe fällig. |
Im Einzelnen ist dabei zu unterscheiden:
- Befindet sich das beantragte Insolvenzverfahren noch in der Eröffnungsphase, wird es mangels Masse abgewiesen (§ 26 InsO). Folge: Es kann keine Restschuldbefreiung erteilt werden.
- Wurde das Insolvenzverfahren bereits eröffnet, ist es mangels Masse einzustellen (§ 207 InsO). Folge: Es kann keine Restschuldbefreiung erteilt werden.
- InsO-Verfahren wurde aufgehoben ‒ Wohlverhaltensphase läuft (s. u., 3.)
3. Regelfall: Versagungsgrund des Treuhänders ‒ Nichtzahlung der Mindestvergütung
Der in der Praxis häufigste Fall der Versagung der Restschuldbefreiung besteht darin, dass diese dem Schuldner auf Antrag des Treuhänders versagt wird, weil der Schuldner die dem Treuhänder jährlich zustehende Mindestvergütung nicht zahlt (§ 298 InsO), obwohl dieser den Schuldner vorher zur Zahlung unter Hinweis auf einen Versagungsantrag angemahnt hat.
MERKE | Wenn also dem Schuldner infolge der Verletzung einer seiner Pflichten die Kostenstundung aufgehoben wurde, muss er in der Wohlverhaltensphase die an den Treuhänder zu zahlende Mindestvergütung von jährlich 140 EUR (netto; § 14 Abs. 3 InsVV) „aus eigener Tasche“ zahlen und zwar notfalls aus seinem pfandfreien Vermögen. Sonst ist ihm die Restschuldbefreiung durch das Insolvenzgericht (Rechtspfleger) zu versagen (§ 298 Abs. 1 InsO). |