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· Fachbeitrag · Fitnessstudio

Kein Sonderkündigungsrecht für Pflegende

| Erkrankt ein Senior plötzlich und ist sportunfähig, kann er den Vertrag mit einem Fitnessstudio außerordentlich kündigen. Personen, die ebenfalls einen Vertrag abschlossen, um den Senior zu begleiten, haben dann ein Problem. Gerade diese Gruppe sollte darauf achten, dass sie ebenfalls schnell aus dem Vertrag herauskommt. |

1. Ein Fall aus der Praxis

Diese Konstellation ist gar nicht so selten: Ältere Menschen unterschreiben auf eigene Initiative oder ärztliche Empfehlung einen Vertrag in einem Fitnessstudio. Das macht Sinn, wenn das Training auf Alter und Kondition abgestimmt ist. Oft werden die neuen Studiosportler dann vom Ehepartner oder pflegenden Familienangehörigen begleitet. So müssen sie nicht allein das Studio aufsuchen und haben einen vertrauten Gesprächspartner. Auch die Begleitung schließt dann für sich einen Vertrag ab.

 

Nun geschieht Folgendes: Der Senior stürzt oder erkrankt schwer und kann das Studio nicht mehr aufsuchen. Er kann seinen Vertrag dann wegen dauernder Sportunfähigkeit auch außerordentlich kündigen. Der pflegende Angehörige hingegen kann sich nicht so leicht aus dem Vertrag befreien. Schlimmstenfalls muss er bis zum Vertragsende (häufig zwei Jahre) die Mitgliedsbeiträge weiterzahlen. Die Begleitung ist in derartigen Fällen häufig auf die Kulanz des Studioinhabers angewiesen. Sagt der jedoch nein, hat die Begleitung schlechte Karten. Umso wichtiger ist, schon vor Vertragsschluss ggf. individuelle Kündigungsrechte zu vereinbaren.

 

 

PRAXISTIPP | Pflegende Angehörige können argumentieren, dass der Studioinhaber entweder zwei neue Kunden oder nur einen oder gar keinen bekommt, wenn Sie als Begleiter keine günstigen Konditionen erhalten. Auch Studios sind auf Neukunden angewiesen, und Sie sollten Ihre Auswahl nicht nur von Angebot und Betreuung im Studio, sondern auch von einem entgegenkommenden Verhalten abhängig machen.

 

2. Die Entscheidung des AG Brandenburg

Eine jüngere Entscheidung des AG Brandenburg sollte ältere Studiobesucher nicht in Sicherheit wiegen. Zwar hat das AG entschieden, dass ein Kunde, der bereits vor Abschluss eines Vertrags an einer Erkrankung litt, trotzdem außerordentlich kündigen kann, wenn sich diese verschlechtert (17.5.19, 31 C 60/18, Abruf-Nr. 210911). Das Gericht sagt aber auch klar, dass diese Vorerkrankung entweder ausgeheilt, nicht mit einem erneuten Aufflammen der Erkrankung zu rechnen war, oder aber das Fitnesstraining auf ausdrücklichen ärztlichen Rat erfolgte (LG Kiel 30.1.09, 8 S 54/08; AG Eisenach 17.10.13, 54 C 321/13). Daher ist auch die o. g. ärztliche Bescheinigung wichtig, da mit dieser im Fall eines Rechtsstreits dargelegt werden kann, dass der Mandant sich nicht das Risiko einer vorzeitigen Kündigung zurechnen lassen musste.

 

Darf der Studiobesucher bei Abschluss des Vertrags darauf vertrauen, dass seine Vorerkrankung einem Fitnessprogramm nicht entgegensteht, ja sogar seine Gesundheit unterstützt, wäre es unbillig, wenn er an den Vertrag gebunden bliebe, wenn die Erkrankung sich wieder verschlimmert.

 

MERKE | Das Urteil des AG Brandenburg ist lesenswert, da sie besonders umfangreich sowohl untergerichtliche, als auch BGH-Rechtsprechung zitiert und anhand derer die Frage klärt, wie sich ein Studiobesucher mit Vorerkrankungen verhalten muss, was das Risiko einer vorzeitigen Vertragskündigung betrifft.

 

3. Was Sie Pflegenden bzw. Begleitern empfehlen können

„Zu Pflegenden gibt es meines Wissens bisher keine Rechtsprechung“, sagt Stefanie Siegert von der Leipziger Verbraucherberatung gegenüber der LVZ. Sich nur auf eine mögliche Kulanz des Studioinhabers zu verlassen, kann dazu führen, dass man die Mitgliedsbeiträge für den gesamten Vertragszeitraum (häufig zwei Jahre) zahlen muss. Empfehlen Sie Begleitern daher dringend, eine erleichterte Kündigung schon im Vertrag festzuhalten.

 

Weiterführende Hinweise

  • Erfolgreiche Anfechtung eines Fitnessstudiovertrags, SR 14, 188
  • Auszug vor Ablauf der Kündigungsfrist: Bewohner können Pflegeheimentgelte zurückfordern, SR 18, 183
Quelle: Ausgabe 09 / 2019 | Seite 158 | ID 46083849