· Fachbeitrag · Herbstkonferenz der Justizministerinnen und -minister
Besserer straf- und zivilrechtlicher Schutz von Seniorinnen und Senioren
| Am 11. und 12. November 2021 fand die diesjährige Herbstkonferenz der Justizministerinnen und Justizminister in Berlin statt. Die Länder geben durch ihre Beschlüsse wichtige Impulse für die Justizpolitik im Bund. Auf der Tagesordnung standen zahlreiche Themen des Zivil- und Strafrechts, von denen vier insbesondere auch ältere Menschen betreffen: der Schutz vor missbräuchlichem Widerruf von Vorsorgevollmachten, der Schutz vor Vermögenskriminalität und zwei Beschlüsse zum Betreuungsrecht. |
Die Beschlüsse der Konferenz der Justizministerinnen und -minister sind online abrufbar unter www.iww.de/s5650.
1. Vorsorgevollmachten vor missbräuchlichem Widerruf schützen
Ältere Menschen sehen sich zunehmend einer Kriminalität ausgesetzt, die es gezielt auf das Vermögen von Senioren abgesehen hat. Dabei nutzen die Täter bewusst die besondere Verletzbarkeit älterer Menschen aus.
Im Beschluss der Justizministerinnen und -minister (im Folgenden kurz: JuMi) zum TOP I. 13 geht es um den Schutz älterer Menschen im Zusammenhang mit Vorsorgevollmachten. Die JuMi erläutern zunächst, dass Menschen, die aufgrund ihres Alters besonders verletzlich sind, in unserer Gesellschaft wirksam geschützt werden müssen. Denn gerade ältere Menschen werden immer wieder Opfer eines Missbrauchs von Vorsorgevollmachten.
BEISPIEL | Der Missbrauch von Vorsorgevollmachten geschieht wie folgt: Eine Person erschleicht sich das Vertrauen eines älteren Menschen und lässt sich eine Vorsorgevollmacht ausstellen. Von dieser macht der Bevollmächtigte dann unkontrolliert zu seinem Vorteil Gebrauch. |
Die JuMi stellen fest, dass Senioren derzeit nicht effektiv genug vor einem Missbrauch von Vorsorgevollmachten geschützt sind. Das zeigt das folgende Szenario: Der Vollmachtgeber stellt zunächst z. B. gegenüber Angehörigen eine Vorsorgevollmacht aus. Später erteilt der Vollmachtgeber einem Dritten, nachdem dieser sich das Vertrauen des Vollmachtgebers erschlichen hat, ebenfalls eine umfassende Vorsorgevollmacht. Dann kommt es in Missbrauchsfällen schließlich dazu, dass der neue Bevollmächtigte die Vorsorgevollmacht zugunsten des Angehörigen widerruft und sodann seine Stellung als alleiniger Bevollmächtigter zu seinem eigenen Vorteil nutzt.
Die JuMi der Länder bitten in ihrem Beschluss daher die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz zu prüfen, wie der Schutz vor Missbrauch von Vorsorgevollmachten durch gesetzliche Regelungen verbessert werden kann, insbesondere zu den Voraussetzungen, unter denen Bevollmächtigte andere Vorsorgevollmachten widerrufen können.
2. Strafrechtlicher Schutz vor Vermögenskriminalität
Im Beschluss zu TOP II. 3 sprechen sich die JuMi für einen besseren Schutz älterer Menschen vor Vermögenskriminalität aus.
Angesichts aktueller Kriminalitätsphänomene und im Lichte der demografischen Entwicklung haben sich die JuMi mit dem strafrechtlichen Schutz älterer Menschen vor Vermögenskriminalität beschäftigt. Sie stellen fest, dass Senioren zwar grundsätzlich ein geringeres Risiko haben, Opfer von Straftaten zu werden. Hiervon gebe es aber Ausnahmen für bestimmte Deliktsbereiche, in denen ältere Menschen sogar stärker bedroht seien: Dazu zählen vor allem täuschungsbasierte Eigentums- und Vermögensdelikte, wie etwa Fälle des Trickbetrugs (z. B. Enkeltrick, Callcenter-Betrug) und des untreuerelevanten Missbrauchs von Vertrauensstellungen (v. a. in Betreuungs-, Vorsorgeverhältnissen).
Beachten Sie | Es haben sich teilweise Geschäftspraktiken herausgebildet, mit denen die Täter professionell und gezielt ältere Menschen zu schädigen versuchen, um hierdurch ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Daher sind sich die JuMi einig, dass derartigen Taten strafrechtlich mit Nachdruck entgegengetreten werden muss.
Zur Verbesserung des Schutzes älterer Menschen vor derlei Praktiken besteht nach Auffassung der JuMi ein Änderungsbedarf in der Strafgesetzgebung. Sie bitten die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz zu prüfen, ob die Einführung strafschärfender Regelungen und Änderungen im Strafantragsrecht (z. B. durch die Einführung eines relativen Strafantragserfordernisses bei § 266 Abs. 2, § 247 StGB) sinnvoll sind.
3. Betreuungsrecht: Bürokratische Hürden und Doppelstrukturen vermeiden, Ehrenamt stärken
Der Beschluss zum TOP I. 16 betrifft die Praxis im Betreuungsrecht. Zunächst begrüßen die JuMi die im Rahmen der kürzlich abgeschlossenen Reform des Betreuungsrechts erreichten Standards sowohl für unter Betreuung stehende Personen als auch mit Blick auf die rechtlichen Betreuerinnen und Betreuer trotz der damit verbundenen Belastung der Länderhaushalte. Zugleich stellen die JuMi fest, dass Überlegungen zu einer extensiven Handhabung und weiteren Ausweitung von Standards indes den Blick auf die zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht vernachlässigen dürfen.
Beachten Sie | Jedoch fordern die JuMi, dass Parallelstrukturen zu vermeiden sind, wie sie z. B. mit der Einrichtung zusätzlicher Beschwerdestellen verbunden wären. Sie sehen nicht, dass solche Stellen justizielle Aufgaben besser wahrnehmen könnten als die dritte Staatsgewalt mit ihren unabhängigen Gerichten. Rechtsschutzdefizite im betreuungsrechtlichen Verfahren seien weder dargetan noch ersichtlich.
Die JuMi fordern zudem, die Voraussetzungen für das Berufsbetreueramt nicht über Gebühr zu formalisieren und appellieren an den Gesetz- und Verordnungsgeber, von einer überzogenen Akademisierung des Berufsbetreuerstands Abstand zu nehmen. Zugleich setzen sich die JuMi dafür ein, das Ehrenamt zu stärken, das der rechtlichen Betreuung als Leitbild zugrunde liegt und an dem Maßstab ausgerichtet ist, die rechtliche Handlungsfähigkeit der Betreuten so zu gewährleisten, wie sie auch den nicht eingeschränkten Bürgerinnen und Bürgern zukommt.
BEGRüNDUNG | Nach Ansicht der JuMi bergen Tendenzen einer Formalisierung oder Akademisierung des Berufsbetreueramtes die Gefahr, dass aufgrund ihrer individuellen Fähigkeiten bestens geeignete Personen vom Betreueramt abgehalten oder potenzielle Betreuer von der Wahl des Berufs abgeschreckt werden, wodurch auch das bereits heute in vielen Regionen angespannte Angebot an Berufsbetreuern weiter verknappt würde. Die Ausgestaltung der Rechtsverordnung soll der Vielgestaltigkeit der Anforderungen an eine Betreuung gerecht werden. Andernfalls seien auch negative Auswirkungen auf die Attraktivität des Ehrenamts der Betreuung zu befürchten, wenn potenzielle ehrenamtliche Betreuer sich angesichts der hohen Anforderungen an einen Berufsbetreuer die Aufgabe nicht mehr zutrauen. |
4. Schutzlücken bei Kontrolle von Vermögensverzeichnissen
Mit der Kontolle von Vermögensverzeichnissen durch die Betreuungsgerichte beschäftigt sich der Beschluss der JuMi zum TOP I. 17 der Herbstkonferenz. Die JuMi haben sich mit dem Schutz betreuter Personen vor Missbräuchen im Bereich der Vermögenssorge befasst und begrüßen vor allem die Verbesserungen bei der Kontrolle von Vermögensverzeichnissen durch das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts.
Beachten Sie | Die JuMi sehen allerdings einen weiteren Verbesserungsbedarf bei der Kontrolle der Vollständigkeit von Vermögensverzeichnissen in Bezug auf Konten, Depots und Bankschließfächer der betreuten Person, die einer gegenständlichen Wahrnehmung durch einen hinzugezogenen Dritten nicht typischerweise zugänglich sind.
Zur Ergänzung der gerichtlichen Kontrollmöglichkeiten soll den Betreuungsgerichten die Möglichkeit eröffnet werden, anlassbezogen bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte, dass weiteres Vermögen vorhanden ist, von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) beziehungsweise dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) Auskunft über die sog. „Kontostammdaten“ zu erhalten. Dazu sollten die Betreuungsgerichte in den Kreis der Behörden aufgenommen werden, denen die (BaFin) bzw. das (BZSt) im automatisierten Verfahren Auskunft über die sog. „Kontostammdaten“ erteilen. Diese Ergänzung solle schon aus systematischen Gründen auch für die vormundschafts- und die nachlassgerichtliche Aufsicht gelten.
Die JuMi bitten daher die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, einen entsprechenden Regelungsvorschlag vorzulegen.