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· Fachbeitrag · Hilfsmittel

Bei Anruf Licht: Hörbehinderte haben Anspruch auf Telefonklingelsender

| Ein Telefonklingelsender wandelt das Klingelgeräusch in ein Lichtsignal um. Solche Geräte müssen Krankenkassen im Rahmen der Hilfsmittelversorgung bezahlen, sagt das LSG Baden-Württemberg. Denn das Grundbedürfnis nach Kommunikation umfasst auch, spontan angerufen werden zu können. |

 

Sachverhalt

Die Krankenkasse hatte dem beidseitig an hochgradiger Schwerhörigkeit leidenden Versicherten nach Kostenvoranschlag als Hilfsmittel zwar einen Rauchmelder sowie einen Türklingelsender (Blitzlampe) gewährt. Die Kostenübernahme für einen Telefonsender für Hörbehinderte (Telefonlichtanlage) von 139 EUR lehnte sie jedoch ab. Ihr Argument: Telefonieren gehört nicht zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens, die die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) sicherstellen müsse. Der zweitangegangene Leistungsträger übernahm die Kosten, verklagte jedoch die Krankenkasse auf Kostenerstattung. Denn bei dem Gerät würde es sich um ein von der GKV zu gewährendes Hilfsmittel i. S. d. § 33 SGB V handeln. Das SG gab der Klage statt. Auch die Berufung der beklagten Krankenkasse vor dem LSG Baden-Württemberg hatte keinen Erfolg (16.5.18, L 5 KR 1365/16, Abruf-Nr. 202132).

 

Entscheidungsgründe

Entscheidend ist, ob der Telefonsender dazu dient, die Grundbedürfnisse des hörbehinderten Menschen nach Kommunikation mit anderen Menschen zu befriedigen. Dieses Grundbedürfnis umfasse auch die passive Erreichbarkeit durch Menschen aus dem Bereich der Außenwelt für Besuche. Nach Ansicht des BSG zählen hierzu auch nicht angemeldete, spontane Besuche (29.4.10, B 3 KR 5/09 R). Daher ist Hörbehinderten ggf. einen Türklingelsender als Hilfsmittel der GKV zu gewähren, damit diese das für Gesunde hörbare Türklingelgeräusch in Form eines Lichtsignals wahrnehmen können.

 

Das LSG erläuterte aber auch, wie weit das Grundbedürfnis nach Kommunikation zu fassen sei: Hierzu zähle eben nicht nur jene passive Erreichbarkeit für (spontane) Besuchskontakte, als reale Kontakte im Sinne des „Besuchtwerdenkönnens“. Ebenso gehöre die passive Erreichbarkeit für (spontane) Telefonkontakte mit anderen Menschen dazu, also telefonisch erreichbar zu sein. Dabei sei es nicht ausschlaggebend, dass sich die Lebenssituation, in der Hörbehinderte mit anderen Menschen kommunizieren, bei spontanen Besuchen anders darstellt als bei spontanen Telefonaten.

 

Das BSG habe zwar nur über die Gewährung eines Türklingelsenders entschieden, gleichwohl aber auch das „Läuten des Telefons“ bzw. das dieses durch einen Telefonsender in ein optisches Signal umgewandelt wird, als Beispiel für einen mittelbaren (Hör-)Behinderungsausgleich durch die GKV angeführt.

 

PRAXISTIPP | Das BSG hat auch bestätigt, dass gehörlose Versicherte auf ihre Bedürfnisse angepasste Rauchwarnsysteme verlangen können. Unabhängig von der Anzahl der in der Wohnung anzubringenden Rauchwarnmelder müssen Versicherte die anfallende Zuzahlung nur einmal leisten (18.6.14, B 3 KR 8/13 R).Ergänzende Hilfen erhält Ihr Mandant auch durch den Deutschen Schwerhörigenbund e.V. (DSB), der Empfehlungen geben kann und eine Online-Beratung anbietet (www.schwerhoerigen-netz.de/online-beratung).

 

Relevanz für die Praxis

In den letzten Jahren entschieden die Sozialgerichte wiederholt in Streitigkeiten, in denen Versicherte teure Hörgeräte verlangten. Anlass hierfür sind häufig berufliche Anforderungen, insbesondere bei qualifizierten Tätigkeiten, die mit hohem Publikumsverkehr sowie intensiver Kommunikation mit Kunden, Mitarbeitern oder im Rahmen von Unternehmensentscheidungen verbunden sind. Dies macht häufig leistungsstarke Modelle erforderlich, die dann auch zu gewähren sind (BayLSG 20.2.18, L 5 KR 213/15). Gerichte bestätigen regelmäßig, dass die Krankenkassen gegenüber hörbehinderten Versicherten auch umfassend beratungspflichtig sind (zuletzt LSG Berlin-Brandenburg 21.12.17, L 9 KR 372/17 B ER). Der Anwalt sollte dem Versicherten empfehlen, hiervon aktiv Gebrauch machen.

 

 

Weiterführende Hinweise

  • Krankenkassen müssen teure Hörgeräte zahlen, SR 15, 159
  • Führerschein einziehen: Schwerhörigkeit allein kein Grund, SR 16, 21
Quelle: Ausgabe 08 / 2018 | Seite 130 | ID 45334217