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· Fachbeitrag · Krankengeld

Erste, zweite, dritte Krankheit ... aber trotzdem nicht mehr Krankengeld?

von Rechtsanwaltsfachangestellter Christian Noe B. A., Leipzig

| Immer wieder ist es für erkrankte Personen verwirrend, wenn während ihrer Arbeitsunfähigkeit weitere Krankheiten „hinzutreten“. Auch dann gibt es nur maximal 78 Wochen lang Krankengeld. Das LSG Baden-Württemberg sagt, dass eine neue Krankheit auch auf eine bereits zuvor neu „hinzugetretene“ stoßen kann. Was das für Ihre Mandanten bedeutet, erklärt dieser Beitrag (22.2.22, L 11 KR 2166/21, Abruf-Nr. 229172 ). |

 

1. Ausgangsfall: Gleich mehrere Krankheiten kommen hinzu

Die Klägerin war ab Mai 2016 aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld bei der beklagten Krankenkasse mit Anspruch auf Krankengeld pflichtversichert. Erstmals erhielt sie ab dem 1.5.17 Krankengeld, das bis zum 23.10.18 gezahlt wurde. Während ihrer Arbeitsunfähigkeit kam es zum Streit mit der Krankenkasse, wie lange Krankengeld zu zahlen ist.

 

 

2. LSG bestätigt: Hinzugetretene Krankheiten können „Kette“ bilden

Kernvorschrift ist der § 48 Abs. 1 S. 2 SGB V. Hiernach liegt ein „Hinzutreten“ einer Krankheit hinsichtlich Wortlaut sowie nach Sinn und Zweck der Regelung unter folgenden Bedingungen vor: Zeitgleich mit einer zur Arbeitsunfähigkeit (AU) führenden ersten Erkrankung bedingt unabhängig hiervon eine weitere Krankheit die AU des Versicherten. Dabei genügt es, dass diese Krankheiten zumindest an einem Tag zeitgleich nebeneinander bestanden haben (BSG 21.6.11, B 1 KR 15/10 R). Das SG habe allerdings korrekt entschieden, dass weitere Krankheiten nicht nur zu der „Erstkrankheit“ hinzutreten können, mit der die Arbeitsunfähigkeit begann.

 

Führt die hinzugetretene zweite Krankheit (hier: Migräne) nicht zu einer Verlängerung der Höchstbezugsdauer, gilt dies auch für eine dritte Krankheit, die während der durch die zweite Krankheit verursachten AU hinzutritt. Nicht notwendig ist, dass zu diesem Zeitpunkt die AU noch durch die zeitlich erste Krankheit verursacht wird. Dies lasse sich auch nicht aus § 48 SGB V herleiten. Ferner entspreche auch in diesen Fällen die Begrenzung der Höchstbezugsdauer auf 78 Wochen bei fortdauernder AU dem Sinn und Zweck der Vorschrift.

 

PRAXISTIPP | Das BSG betont klar, dass eine Krankheit nicht als „hinzutretend“ gilt, sondern in ihren Rechtsfolgen eigenständig zu beurteilen ist, wenn sie erst am Tage nach Ende der bisherigen AU oder noch später auftritt (BSG a. a. O.). Insoweit hat dann praktisch eine Unterbrechung stattgefunden. Eine neu auftretende Krankheit und Krankschreibung begründet dann auch eine neue Blockfrist (Drei-Jahres-Zeitraum). Die zweite Erkrankung darf jedoch in keinem Zusammenhang mit der ursprünglichen Krankheit stehen.

 

Beachten Sie | Finden sich aber auf einer AU-Bescheinigung die „alte“ als auch eine „neue“ Diagnose, tritt die Krankheit hinzu. So war es auch in diesem Fall vor dem LSG, bei dem eine hinzugetretene Krankheit (Kardiomyopathie) an eine bereits zuvor hinzugetretene (Migräne) anknüpfte.

 

 

Weiterführende Hinweise

  • Eine rückwirkende Krankschreibung „rettet“ das Krankengeld nicht, SR 22, 24
  • So ist der Zeitraum zwischen Krankengeldbezügen zu berechnen, SR 20, 166
Quelle: Ausgabe 06 / 2022 | Seite 99 | ID 48307787