Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

· Fachbeitrag · Mietrecht

Der pflegebedürftige Mieter ‒ (teilweise) Überlassung der Wohnung an Dritte zulässig?

von RA Dr. Hans-Reinold Horst, Hannover / Solingen

| Werden Senioren pflegebedürftig, hat das auch Folgen für die Wohnsituation. Mit dem Fall eines pflegebedürftigen Mieters befasst sich der in dieser Ausgabe beginnende zweiteilige Beitrag mit folgendem Ausgangsfall: Oma O wohnt in der 1. Etage und ist dement. Ihre Kinder wohnen im Erdgeschoss. Sie möchten die Oma zu sich nehmen, um sie zu pflegen. Die Wohnung im 1. Obergeschoss, die dann frei wird, soll von den Enkelkindern (junge Familie) genutzt werden. |

1. Problemaufriss

Lassen im Alter die Kräfte nach, geht dies oft mit dem Eintritt von Pflegebedürftigkeit einher. Wohnungsmieter können dann allein auf die Inanspruchnahme von Pflegediensten mit Assistenzleistungen im Haushalt und hygienischer Unterstützung nicht verwiesen werden. Denn typischerweise tritt in dieser Situation die konkrete Hilfebedürftigkeit ein, wenn die Pflegekräfte nicht anwesend sind.

 

Beachten Sie | Auch auf Notrufassistenzen kann dann nicht abgestellt werden. Denn sie benötigen Wegezeit, bis sie vor Ort sind. Vor allem aber leisten sie nur „Erste Hilfe“, wenn zum Beispiel durch Stürze Verletzungen eingetreten sind.

 

Der Bedarf einer ständig anwesenden Pflegekraft ist in diesen Fällen evident. Mietrechtlich denkbar ist die Einordnung ihrer (fortwährenden) Anwesenheit in der Wohnung als

  • Besuch
  • Aufnahme in die Wohnung
  • Untervermietung, oder als
  • (nahezu vollständige) Überlassung der gemieteten Wohnung.

 

Zu diesen einzelnen Ansätzen Folgendes:

2. Besuch

Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass der Wohnungsmieter in seiner Wohnung auch zeitlich unbeschränkt sowie ohne Rücksicht auf die Tages- und Nachtzeit Besuch empfangen darf. Gehen damit keine sonstigen Beeinträchtigungen von Nachbarn oder für die Position des Vermieters einher, bleibt dies mietrechtlich völlig unspektakulär und erlaubt.

3. Aufnahme in die Wohnung

Vom Besuchsstatus ist die dauernde Aufnahme in die Wohnung zu unterscheiden. Bei pflegenden engen Familienmitgliedern in auf- oder absteigender Verwandtschaftslinie (z. B. BayObLG, Beschluss 6.10.97, RE-Miet 2/96, juris für die Eltern des Mieters) einschließlich des Ehegatten (dazu: BGH 12.6.13, XII ZR 143/11, NZM 13, 786) ist dem Mieter dies ebenso ohne jede mietrechtliche Sanktion und auch ohne vorherige Information des Vermieters möglich.

 

Beachten Sie | Ein Genehmigungsvorbehalt greift nicht. Allerdings muss der Vermieter informiert werden.

 

a) Erlaubnispflichtige Untervermietung

Dagegen stellt die Aufnahme von Verwandten in der Seitenlinie oder von Verschwägerten, die Pflegeaufgaben übernehmen sollen, eine erlaubnispflichtige Untervermietung dar:

 

  • Nicht zum Kreis engerer Verwandter gehören die Geschwister (BayObLG, Beschluss 29.11.83, ReMiet 9/82, ZMR 1984, S. 88 für den Bruder des Mieters).
  • Auch die Schwägerin darf nicht ohne Zustimmung des Vermieters in die Wohnung aufgenommen werden (AG Berlin Schöneberg 8.1.90, 6 C 457/89).
  • Entsprechendes gilt für den Schwiegersohn sowie den Stiefsohn, wenn die Ehefrau selbst nicht in der Wohnung wohnt (AG Berlin-Neukölln 5.7.90, 14 C 174/90).

 

b) Untervermietung an Nichtverwandte

Eine Untervermietung ist erst recht im Falle eines nicht bestehenden Verwandtschaftsverhältnisses zur Pflegekraft anzunehmen.

 

Damit bleibt der nichteheliche Lebenspartner ausgegrenzt (BGH 5.11.03, VIII ZR 371/02, NJW 04, 56), und zwar unabhängig davon, ob die Partner miteinander verlobt sind oder nicht. Daher erfolgt die Aufnahme dieser Person ‒ auch von Verlobten ‒ nach den Grundsätzen der Untervermietung (Kraemer/von der Osten in: Bub/Treier, 4. Aufl. 2014, Teil III. Rn. 2497, S. 995).

 

PRAXISTIPP | Für die Aufnahme eines Lebensgefährten in eine gemietete Wohnung bedarf der Mieter folglich der Erlaubnis des Vermieters. Auf diese Erlaubniserteilung hat er im Regelfall einen Anspruch (BGH 5.11.03, VIII ZR 371/02, NJW 04, 56; dazu Wiek, WuM 03, 690; Lützenkirchen, MietRB 04, 35).

 

Nach anderer Auffassung umfasst das Gebrauchsrecht des Mieters auch das Recht, seinen Partner in die Wohnung mit aufzunehmen, ohne dass dieser in das Mietverhältnis eintritt oder eintreten muss (so z. B. AG Berlin-Mitte 4.8.98, 11 C 260/98, MM 00, S. 178: Das Gericht billigt dem Mieter einen Anspruch auf Ergänzung des Klingeltableaus mit dem Namen der aufgenommenen Lebensgefährtin zu).

 

c) Abgrenzung zwischen Besuch und Aufnahme/Untervermietung

Für die Praxis typisch sind Abgrenzungsprobleme zwischen dem Besucherstatus und der dauernden Aufnahme/der Untervermietung.

 

Für die Abgrenzung von Besuch und dauernder Aufnahme eines Dritten ist entscheidend, ob die dritte Person die Mietwohnung selbstständig nach dem Willen des Mieters mitgebrauchen darf oder nicht. Ein eigenes Klingelschild und die polizeiliche Ummeldung des Wohnsitzes können Anhaltspunkte sein.

 

Beachten Sie | Dagegen reicht der alleinige Aufenthalt eines Besuchers bei Abwesenheit des Mieters in der Wohnung nicht aus. Auch ein überlassener Haustürschlüssel ist nicht indizierend (AG Münster 17.10.90, 29 C 432/90).

 

Häufig wird auf die Verweildauer abgestellt und hier ‒ aus dem Melderecht hergeleitet ‒ eine sechswöchige Frist fruchtbar gemacht. Auch dies lässt sich so nicht halten. Denn es macht einen Unterschied, ob zum Beispiel aus Australien Besuch für drei Monate kommt, damit sich die weite Reise lohnt. Oder kommt der Besucher aus derselben Stadt, ist also selbst beheimatet „um die Ecke“? Dann wird man schon eher von einer dauernden Aufnahme ausgehen können.

 

PRAXISTIPP | Klarheit bringt der Informations- und Auskunftsanspruch des Vermieters zur Person und zum Wohnort der mit in der Wohnung lebenden Personen (§ 553 Abs. 1 S. 2 BGB).

 

 

Weiterführender Hinweis

  • In der nächsten Ausgabe folgt Teil 2 des Beitrags, einschließlich der Lösung zum Ausgangsfall
Quelle: Ausgabe 04 / 2021 | Seite 70 | ID 47029909