· Fachbeitrag · Mietvertrag
Altersbedingter Umzug als Auflösungsgrund?
von RA Dr. Hans Reinold Horst, Hannover/Solingen
| Kann ein Mieter aus gesundheitlichen Gründen die bisher genutzte Wohnung nicht mehr halten, wird ein Umzug zu seinen Kindern, in eine altersgerechte Wohnung oder ins Alten- und Pflegeheim unausweichlich. |
1. Mietrecht
Das Mietrecht sieht hierfür keinen außerordentlichen Kündigungsgrund vor. In den seltenen Fällen eines befristeten Wohnungsmietvertrags muss sich also der Mieter grundsätzlich an die vereinbarte Vertragslaufzeit halten. Im Fall eines unbefristeten Mietvertrags ist er auf eine fristgerechte Kündigung - drei Monate unabhängig von der Dauer des Mietverhältnisses - verwiesen.
Dem gegenüber kann das Mietverhältnis jeder Zeit einvernehmlich durch Abschluss eines Aufhebungsvertrags beendet werden. Dieser kann auch mündlich und sogar durch schlüssiges Verhalten zu Stande kommen. So ist es als Angebot des Vermieters zum Abschluss eines vorzeitigen Mietaufhebungsvertrags zu werten, wenn er dem Mieter schreibt oder sagt: „Falls du früher eine geeignete Wohnung findest und du früher ausziehen möchtest, stellt es für mich kein Problem dar.“ Zieht der Mieter dann ohne weitere Vorankündigung aus, muss er ab dem folgenden Tag keine Miete mehr entrichten (AG Zweibrücken 26.6.13, 2 C 71/13, WuM 13, 537). Denn der unkommentierte Auszug ist als Annahme des Angebots auf Abschluss des Aufhebungsvertrags zu sehen. Was aber gilt, wenn der Vermieter sich gegen eine vorzeitige Vertragsbeendigung oder gegen ein Vertragsende vor Ablauf der Kündigungsfrist wehrt?
2. Vorzeitiges Entlassen aus dem Mietvertrag
Der Grundsatz, dass Verträge einzuhalten sind, gilt auch zulasten des Mieters (LG Braunschweig 14.7.98, 6 T 86/98, DWW 00, 56). Deshalb hat er grundsätzlich keinen Anspruch auf ein vorzeitiges Entlassen aus dem Mietvertrag. Die Rechtsprechung erkennt einen solchen Anspruch nur ausnahmsweise aus § 242 BGB zu. Er ist gerichtet auf den Anspruch auf Abschluss eines Mietaufhebungsvertrags (Schmidt-Futterer/ Blank, Mietrecht, 11. Aufl., nach § 542 BGB Rn. 10). Dafür müssen vier Voraussetzungen vorliegen:
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a) Deutlich überwiegendes berechtigtes Interesse des Mieters
Als berechtigtes Interesse des Mieters kommt auch der aus gesundheitlichen Gründen infolge seines Alters notwendig werdende Umzug in eine altersgerechte Wohnung (LG Duisburg 2.11.99, 23 S 361/98, WuM 99, 691) oder ins Altenheim oder Pflegeheim in Betracht, wenn der Mieter aufgrund seines Alters und seiner gesundheitlichen Situation seinem Haushalt nicht mehr selbst vorstehen kann und deshalb umziehen will oder muss. Ein solches Interesse ist auch anzunehmen, wenn er eine große Wohnung in Folge der Verkleinerung seiner Familie oder seines Alters aufgeben möchte (Schmidt-Futterer, a.a.O., Rn. 13 m.w.N.).
b) Unzumutbarkeitsschluss
Ist aber der altersbedingt notwendige Umzug des Mieters grundsätzlich als berechtigtes Interesse an der vorzeitigen Entlassung aus dem Mietverhältnis anzuerkennen, kommt es auf dessen Abwägung mit den entgegenstehenden Interessen des Vermieters an. Dafür gilt, dass das Interesse des Mieters an der vorzeitigen Aufhebung umso schwerer wiegt, je älter und gesundheitsbeeinträchtigter er ist, oder je näher das vertragsgemäße Ende kalendarisch liegt (Schmidt-Futterer, a.a.O., Rn. 19).
c) Erhebliche Restlaufzeit
Die Restlaufzeit des Vertrags muss „erheblich“ sein, denn ein nur noch kurzer Vertragslauf zeigt sich für den Mieter nicht als Härte. Eine erhebliche Restlaufzeit muss daher mindestens eine reguläre Kündigungsfrist für den Mieter umfassen. Denn der Mieter soll bei Anspruchsgewährung nicht besser gestellt sein, als wenn er ordentlich kündigt (Münchener Anwaltshandbuch/Lück, 4. Aufl., § 27 Rn. 36).
d) Vorzeitiger Beendigungszeitpunkt
Näher einzugrenzen bleibt dann der konkrete (vorzeitige) Beendigungszeitpunkt. Hat der Mieter einen Nachmieter angeboten, ist der Nachmieter persönlich und wirtschaftlich für den Vermieter zumutbar und ist er bereit, in das Mietverhältnis einzutreten, so kann der Mieter grundsätzlich verlangen, dass er ab dem Zeitpunkt der Eintrittsbereitschaft des Ersatzmieters aus dem Mietverhältnis entlassen wird (Schmidt-Futterer, a.a.O., Rn. 21). Dagegen stehen dem Vermieter folgende Möglichkeiten zur Verfügung:
- Er kann sich auf den Standpunkt stellen, dass er zwar die altersbedingten Gesundheitsbeeinträchtigungen des Mieters nachvollzieht und deshalb grundsätzlich mit dessen Entlassung aus dem Mietverhältnis vorzeitig einverstanden ist, jedoch den angebotenen Nachmieter nicht akzeptiert. In diesem Moment gewinnt der Vermieter einen Anspruch darauf, dass zwischen dem Aufhebungsverlangen und dem Vertragsende eine Frist eingehalten wird, die der gesetzlichen Kündigungsfrist nach § 75a Abs. 3 BGB entspricht (Schmidt-Futterer, a.a.O., Rn. 21 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung).
- Dies soll auch gelten, wenn sich der Vermieter noch nicht endgültig darüber im Klaren ist, ob er mit dem vom Mieter benannten Ersatzmieter einen Vertrag abschließen soll (Schmidt-Futterer, a.a.O., Rn. 21).
e) Akzeptanz des angebotenen Ersatzmieters
Ob der Vermieter den angebotenen Ersatzmieter akzeptieren muss, richtet sich nach folgenden Punkten:
- Sieht der Mietvertrag zur Nachmieterregelung nichts vor, hat der Mieter keinen gesetzlichen Anspruch darauf, dass der Vermieter einen von ihm ausgewählten Ersatzmieter akzeptiert. Denn aus § 242 BGB lässt sich nur ein Anspruch auf ein vorzeitiges Vertragsende herleiten (Schmidt-Futterer, a.a.O., Rn. 24).
- Das soll auch gelten, wenn der Mieter am Eintritt gerade des angebotenen Ersatzmieters ein besonderes Interesse hat.
- Sieht der Mietvertrag allerdings eine Nachmieterklausel vor, ist danach zu differenzieren, ob nach dieser Klausel ein angebotener Nachmieter akzeptiert werden muss (echte Nachmieterklausel), oder ob der Mieter nur grundsätzlich das Recht hat, einen Ersatzmieter anzubieten, der jedoch in der Akzeptanz den sachgetragenen Zumutbarkeitserwägungen des Vermieters unterliegt (unechte Nachmieterklausel; näher dazu vergleiche Horst, Praxis des Mietrechts, 2. Aufl, S. 311, Rn. 1198; S. 313, Rn. 1409).
f) Folgen unberechtigter Ablehnung
Lehnt der Vermieter ohne Grund einen angebotenen Ersatzmieter ab und verhindert er dadurch die vorzeitige Entlassung des Mieters aus dem Vertrag, so verletzt er eine sich aus dem Mietvertrag ergebende Nebenpflicht. Der Mieter kann in diesem Fall deshalb verlangen, so gestellt zu werden, als ob ihn der Vermieter rechtzeitig aus dem Vertrag entlassen hätte. Das bedeutet unter anderem, dass der Vermieter ab dem Entlassungszeitpunkt keine Miete mehr verlangen und eine etwaige Kaution zurückzahlen muss. Das soll auch gelten, wenn der Vermieter an den Ersatzmieter ungerechtfertigte und zusätzliche Anforderungen stellt oder den Vertragsabschluss von zusätzlichen Bedingungen wie zum Beispiel einer Mieterhöhung abhängig machen will (so ausdrücklich: Emmerich/Sonnenschein, Miete-Handkommentar, 9. Aufl., § 537 BGB Rn. 18).
g) Darlegungs- und Beweislast
Eine letzte Bemerkung zur Beweislastverteilung: Der Mieter muss das eigene dringende Interesse an einem vorzeitigen Auszug und die Bereitschaft eines akzeptablen Ersatzmieters zum Eintritt in den Vertrag vortragen und nachweisen. Dem Vermieter obliegt dagegen der Vortrag und der Nachweis vernünftiger Gründe zur Ablehnung des Ersatzmieters (Emmerich/Sonnenschein, a.a.O., Rn. 19).
Weiterführender Hinweis
- Zur Belegeinsicht in Nebenkostenabrechnungen durch ältere Mandanten, SR 14, 17
- Zum Kündigungsschutz von Senioren, SR 14, 18