· Fachbeitrag · Nichteheliche Lebensgemeinschaft
Vermögensrechtliche Ansprüche nach Ende einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft
von RAin Thurid Neumann, Konstanz
| Nicht selten ist es so, dass Ehen, z.B. nachdem die Kinder aus dem Haus sind, geschieden werden. Mit einem neue Lebenspartner wird dann oft weder eine Ehe noch ein Partnerschaftsvertrag geschlossen. Man lebt vielmehr in nichtehelicher Lebensgemeinschaft. Diese ist nicht gesetzlich geregelt. Der folgende Beitrag zeigt, welche Konsequenzen dies auf vermögensrechtliche Ansprüche hat, wenn es zur Trennung kommt. |
1. Kein Ausgleich für Kosten des täglichen Lebens:
Für Ausgaben des täglichen Lebens und Dienstleistungen z.B. im Rahmen der Haushaltsführung erfolgt nach der Trennung grundsätzlich kein Ausgleich. Es gilt ein Abrechnungsverbot (BGH FamRZ 10, 542). Zu den Kosten des täglichen Lebens gehören insbesondere die Miete, Lebensmittel, Urlaub etc. also alle Ausgaben, die die nichteheliche Lebensgemeinschaft benötigt.
2. Zugewinn
Bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft wird nach deren Beendigung kein Zugewinn ausgeglichen.
PRAXISHINWEIS | Kümmert sich ein Lebensgefährte abredegemäß überwiegend um den Haushalt und die Kinder und kann sich daher der andere um seine Karriere und seinen Vermögensaufbau kümmern, sollte vertraglich ein angemessener finanzieller Ausgleich für den Fall der Trennung geregelt werden. |
3. Ausgleich für gemeinschaftsbezogene Zuwendungen
Zuwendungen, die ein Lebensgefährte im Vertrauen auf den Fortbestand der nichtehelichen Lebensgemeinschaft tätigt, bezeichnet der BGH als „gemeinschaftsbezogene Zuwendungen“ (BGH FamRZ 08, 1822). Eine Schenkung liegt dagegen vor, wenn die Zuwendung unentgeltlich im Sinne echter Freigiebigkeit erfolgt ist. Eine gemeinschaftbezogene Zuwendung liegt nach dem BGH vor, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
- Zuwendung eines Vermögenswerts an den anderen Lebensgefährten
- mit der Vorstellung und/oder Erwartung, dass die nichteheliche Lebensgemeinschaft Bestand haben wird oder
- um der nichtehelichen Lebensgemeinschaft willen oder
- als Beitrag zur Verwirklichung oder Ausgestaltung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft und
- wenn die Zuwendung damit regelmäßig auch dem Schenker selbst zugute kommt und nicht nur dem begünstigten Lebensgefährten.
4. Mögliche Anspruchsgrundlagen
Für den Ausgleich gemeinschaftsbezogener Zuwendungen sind folgende Anspruchsgrundlagen denkbar:
- Wegfall der Geschäftsgrundlage: Die o.g. Voraussetzungen sind die Geschäftsgrundlage für die Zuwendung. Entfällt also eine, kann die Zuwendung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ausgeglichen werden (BGH FamRZ 10, 277). Gemäß § 313 Abs. 1 BGB erfolgt dies aber nur, wenn die Beibehaltung der herbeigeführten Vermögensverhältnisse dem zuwendenden Lebensgefährten nicht zugemutet werden kann.
- Ungerechtfertigte Bereicherung: Nach dem BGH kann der Ausgleichsanspruch auch auf ungerechtfertigte Bereicherung gestützt werden (§ 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB). Eine Zweckverfehlung liegt vor, wenn der verfolgte Zweck darin bestand, dass die Zuwendung dem Lebensgefährten auf Dauer zugutekommen sollte und beide Partner vom Fortbestehen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft ausgingen. Voraussetzung hierfür ist aber, dass sich die Lebensgefährten darüber einig waren, dass der Leistung genau diese Erwartung zugrunde lag. Eine einseitige Vorstellung genügt nicht. Allerdings kann von einer stillschweigenden Einigung ausgegangen werden, wenn ein Lebensgefährte einen bestimmten Zweck mit der Zuwendung verfolgt und der andere dies erkennt und die Zuwendung annimmt, ohne zu widersprechen (BGH FamRZ 08, 1822).
- Abwicklung nach gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen: Schließlich kann der Anspruch auch auf gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen gestützt werden (§§ 730 ff. BGB). Danach kann eine Abwicklung erfolgen, wenn zumindest ein konkludenter Vertrag vorliegt. Dies ist der Fall, wenn beide über Jahre hinweg planvoll und zielstrebig gemeinsames Vermögen aufbauen, das sie nicht nur gemeinsam nutzen wollen (z.B. eine Immobilie), sondern das ihnen nach ihrer Vorstellung auch gemeinsam gehören soll und um - auch im Alter - aus dessen Erträgen zu leben und daraus auch weiteres Vermögen zu bilden (BGH FamRZ 06, 607). Wichtige Indizien für das Vorliegen eines schlüssig zustande gekommenen Vertrags können sich daher aus Planung, Umfang und Dauer der Zusammenarbeit ergeben.
Der Ausgleich erfolgt i.d. Regel nicht durch Rückgewähr der Zuwendung, sondern in Geld (BGH, a.a.O.). Besteht das schützenswerte Interesse eines Lebensgefährten jedoch gerade in der Rückgewähr, weil nur dadurch ein untragbarer, mit Treu und Glauben unvereinbarer Zustand vermieden werden kann, kann er diesen ausnahmsweise zurückfordern jedoch nur Zug um Zug gegen Zahlung eines nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessenden Ausgleichs in Geld (BGH FamRZ 06, 394).
5. Höhe des Anspruchs:
Am schwierigsten in der Praxis ist jedoch die Frage nach der Höhe des Anspruchs, da sich diese stets nach den Umständen des Einzelfalls richtet. Dabei kommt es insbesondere auf folgende Kriterien an:
- Dauer der Lebensgemeinschaft vom Zeitpunkt der Zuwendung bis zur Trennung, da der Lebensgefährte in diesem Zeitraum am Vermögenswert teilgehabt hat (z.B. durch Wohnen in dem Haus)
- aktuelle und zukünftige Einkommens- und Vermögensverhältnisse beider Lebensgefährten zum Zeitpunkt der Trennung
- Alter der Lebensgefährten zum Zeitpunkt der Trennung
Das Familiengericht kann unter Zugrundelegung dieser Kriterien nach den Grundsätzen der Billigkeit die Höhe des Ausgleichs schätzen (BGH FamRZ 99, 365). Die obere Grenze des Rückgewähranspruchs ist laut BGH der Betrag, um den das Vermögen des Lebensgefährten zum Zeitpunkt der endgültigen Trennung infolge der Zuwendung bzw. Arbeitsleistungen des anderen Lebensgefährten noch gemehrt ist (Haußleiter/Schulz, Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung, 5. Aufl., 9. Kapitel Rn. 27). Die zeitliche Grenze wird in der Literatur bei 20 Jahren zwischen Zuwendung und Trennung gesehen, da in dieser Zeit der verfolgte Zweck als erreicht anzusehen ist.
6. Ausgleich für gemeinschaftsbezogene Arbeitsleistungen
Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH FamRZ 08, 1822) können aber auch Arbeitsleistungen, die ein Lebensgefährte für den anderen erbringt und mit denen er dessen Vermögen steigert, im Fall einer Trennung ausgeglichen werden (gemeinschaftsbezogene Arbeitsleistungen). Die Voraussetzungen hierfür sind,
- es liegt eine gemeinschaftsbezogene Arbeitsleistung vor
- die erheblich ist, d.h. sie geht über eine bloße Gefälligkeit oder das, was das tägliche Zusammenleben erfordert, hinaus
- die Arbeitsleistung wurde nach einer stillschweigenden Übereinkunft mit dem Lebensgefährten zur Gestaltung der Lebensgemeinschaft erbracht
Diese Voraussetzungen sind nach dem BGH Geschäftsgrundlage für einen Kooperationsvertrag (Vertrag sui generis). Kommt es zur Trennung, entfällt diese Geschäftsgrundlage und es kann ein Ausgleichsanspruch nach den Regeln des Wegfalls der Geschäftsgrundlage entstehen (BGH a.a.O.).
7. Schenkungswiderruf
Liegt keine gemeinschaftsbezogene Zuwendung vor, sondern eine Schenkung, kann sie wegen groben Undanks widerrufen werden (§ 530 BGB), wobei allein die Tatsche, dass sich ein Lebensgefährte vom anderen trennt, noch kein Widerrufsgrund ist (OLG Hamm NJW 78, 224). Ein Widerrufsgrund liegt z.B. vor, wenn sich ein Lebensgefährte einer schweren Verfehlung gegen den anderen oder gegen dessen nahen Angehörige schuldig gemacht hat.
PRAXISHINWEIS | Da es in der Praxis im konkreten Einzelfall sehr schwierig sein wird, einen Ausgleichsanspruch dem Grunde und der Höhe nach zu begründen, empfiehlt sich bei Zuwendungen unter den Lebensgefährten einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft eine vertragliche Regelung über deren Ausgleich für den Fall der Trennung. |