· Fachbeitrag · Obliegenheiten
So weit geht die Mitwirkungspflicht bei einer Auskunfts- und Datenerhebung des Versicherers
| Je älter die Mandanten, desto häufiger kommt es zum Versicherungsfall und damit auch zum Streit um Leistungen, zum Beispiel bei Berufsunfähigkeit. Der BGH hat nun in einem Urteil darauf hingewiesen, dass sich ein Versicherungsnehmer in einem Leistungsfall nicht darauf zurückziehen kann, nur Auskunft zum aktuellen Versicherungsfall geben zu wollen. Verweigert er Angaben, mit denen der Versicherer mögliche vorvertragliche Anzeigepflichten überprüfen will, kann dies dazu führen, dass sein Leistungsanspruch derzeit noch nicht fällig ist. Der BGH klärt in diesem Urteil, wie weit die abgestufte Auskunftspflicht des Versicherungsnehmers geht. |
1. Die Ausgangslage
Der Versicherungsnehmer (im Folgenden kurz: VN) hatte Ansprüche aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung geltend gemacht. Daraufhin forderte der Versicherer (im Folgenden kurz: VR) von ihm eine Schweigepflichtentbindungserklärung. Er wollte u. a. prüfen, ob der Versicherungsvertrag ordnungsgemäß zustande gekommen sei. Diese Erklärung wollte der VN nicht abgeben und die Erhebung von Auskünften nur genehmigen, soweit sie die Berufsunfähigkeit betrafen. Er widersprach einer Datenerhebung ausdrücklich, soweit sie die Überprüfung „vorvertraglicher Anzeigepflichtverletzungen“ betreffe. Der VR stellte daraufhin die weitere Leistungsprüfung ein.
2. Das Mitwirkungssystem des BGH
Der BGH gab dem VR recht (22.2.17, IV ZR 289/14, Abruf-Nr. 193773). Er entschied, dass der Leistungsanspruch des VN derzeit noch nicht fällig sei. Der VR habe notwendige Erhebungen zur Prüfung vorvertraglicher Anzeigeobliegenheitsverletzungen des VN aufgrund dessen unzureichender Mitwirkung nicht abschließen können.
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Der BGH stellt klar, dass die Fälligkeit des Leistungsanspruchs nach § 14 Abs. 1 VVG auch vom Abschluss der Ermittlungen des VR zur Frage einer vorvertraglichen Anzeigeobliegenheitsverletzung des VN abhängt. Hierzu zählen auch solche Nachforschungen, die klären sollen, ob der VN bei Vertragsschluss seine vorvertraglichen Anzeigeobliegenheiten im Sinne von § 19 Abs. 1 S. 1 VVG ordnungsgemäß erfüllt hat.
Im vorliegenden Fall hatte sich der VN geweigert, in jeglicher Weise an der Beschaffung der insoweit relevanten Gesundheitsdaten bei seiner Krankenkasse sowie dem ihn behandelnden Arzt mitzuwirken. Darum sind die Erhebungen des VR zur Frage vorvertraglicher Anzeigeobliegenheitsverletzungen nicht als beendet im Sinne des § 14 Abs. 1 VVG anzusehen. Der BGH hat daher die Leistungsklage des VN abgewiesen.
Übersicht / Nachforschungsrechte des VR |
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3. Die Folgen der BGH-Entscheidung für die Praxis
Nach allem ist der VN aufgrund der ihn treffenden Aufklärungsobliegenheit weder gehalten, dem VR bei der Datenerhebung völlig freie Hand zu lassen, noch muss er seinerseits vorformulierte Entwürfe des VR für weit gefasste Schweigepflichtentbindungserklärungen oder ähnliche Ermächtigungen des VR in der Weise modifizieren, dass sie über das genannte Maß nicht hinausgehen. Vielmehr müssen sich die Erhebungen des VR zunächst auf solche Informationen beschränken, die ihm einen Überblick über die zur Beurteilung des Versicherungsfalls einschließlich des vorvertraglichen Anzeigeverhaltens des VN relevanten Umstände ermöglichen.
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Dies kann etwa auf einer ersten Stufe der Erhebungen die Frage betreffen, wann in dem für die Anzeigeobliegenheit maßgeblichen Zeitraum ärztliche Behandlungen oder Untersuchungen stattgefunden haben. Das könnte beispielsweise durch eine Auskunft des Krankenversicherers beantwortet werden, den der VN zunächst nur insoweit von seiner Schweigepflicht entbinden müsste. |
Besonders sensible Gesundheitsdaten (etwa Diagnosen, Behandlungsweisen oder Verordnungen) sind von der Auskunftsobliegenheit des VN so lange nicht umfasst, bis der VR aufgrund seiner Prüfung der Vorinformationen sein Auskunftsverlangen weiter konkretisiert. Erst dann müsste der VN dieser Konkretisierung entsprechende Schweigepflichtentbindungen erteilen.
Allerdings bleibt es ihm unbenommen, zur Beschleunigung der Leistungsprüfung stattdessen sogleich umfassende Auskünfte zu erteilen und auch eine unbeschränkte Schweigepflichtentbindung zu erklären. Denn als Träger des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung steht es ihm frei, Daten anderen gegenüber zu offenbaren. Hierüber und über die andernfalls nach den vorgenannten Maßstäben schrittweise zu erfüllende Obliegenheit, Schweigepflichtentbindungen zu erteilen, muss der VR den VN zu Beginn seiner Erhebungen informieren.
Weiterführender Hinweis
- Das gilt zur Erhebung von Gesundheitsdaten durch den VR nach Vertragsschluss: Gundlach, VK 17, 101