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· Fachbeitrag · Prozessrecht

Gerichtlicher Eingangsstempel ist entscheidend

| Geht ein fristgebundener Schriftsatz bei Gericht ein, ist das Datum des Eingangsstempels maßgeblich. Eine Fehlstempelung kann bewiesen werden. Aber Vorsicht: Allein dass es bloß möglich ist oder glaubhaft gemacht wird, dass es beim Abstempeln zu Fehlern kam, genügt nicht. |

 

Sachverhalt

Der Kläger gab nach eigenen Angaben eine Berufungsschrift am 19.1.15 persönlich in der Geschäftsstelle des LSG Baden-Württemberg ab. Sie richtete sich gegen ein am 20.12.14 zugestelltes Urteil. Der diensthabende Justizangestellte habe ihm gesagt, dass er den Schriftsatz in einem Umschlag abgeben könne. Der Kläger tütete den Schriftsatz daher ein, adressierte den Umschlag und übergab ihn direkt. Der Schriftsatz wurde jedoch auf den 21.1.15 gestempelt. Das Gericht wertete das Datum als korrekt und war nicht davon überzeugt, dass der Schriftsatz am 19.1.15 einging, wie der Kläger behauptete. Es wies die Berufung daher als verfristet zurück.

 

Entscheidungsgründe

Ein gerichtlicher Eingangsstempel ist eine öffentliche Urkunde, mit der sich beweisen lässt, wo und wann ein Dokument eingegangen ist. Allerdings kann auch der Gegenbeweis erbracht werden (§ 418 Abs. 2 ZPO). Es muss dann aber zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen werden, dass die Klage oder das Rechtsmittel rechtzeitig eingegangen sind. Allein dass ein Fehlstempeln möglich ist, genügt nicht. Das Gericht hatte Stellungnahmen eingeholt und zwar von der Gerichtspräsidentin (wie im Gericht mit eingehender Post umgegangen wird) und dem am 19.1.15 in der Poststelle tätigen Angestellten.

 

Es ergaben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass fehlerhaft gestempelt wurde. Vielmehr wich die Art und Weise, wie bei Gericht die eingehende Post bearbeitet und gestempelt wurde, davon ab, was der Kläger vorgetragen hatte. Weder war es üblich, dass Schriftsätze in einem Umschlag abzugeben sind, noch erhalten eingehende Schriftsätze einen LSG-Stempel. Sie erhalten einen Stempel des SG und werden dann intern an das korrekte Gericht weitergeleitet (LSG Baden-Württemberg 25.2.16, L 7 SO 262/15, Abruf-Nr. 146758).

 

Relevanz für die Praxis

Will man einen früheren Zugang beweisen, muss dies mit einem gründlichen und substanziierten Vortrag geschehen. Der Gegenbeweis nach § 418 Abs. 2 ZPO muss in den Details plausibel und widerspruchsfrei sein (BGH 28.7.15, VIII R 50/13, Abruf-Nr. 180572). Allerdings dürfen an ihn auch keine überspannten Anforderungen gestellt werden.

 

  • Beispiel

Ein Rechtsanwalt bricht rechtzeitig mit dem Schriftsatz zu Gericht auf. Wirft ihn in den Nachtbriefkasten und stellt kurz darauf mit einem Blick auf sein Mobilfunkgerät die Uhrzeit 23:52 Uhr fest (BGH 17.2.12 V ZR 254/10, Abruf-Nr. 146759).

 

Es muss auch nicht bewiesen werden, warum es trotz rechtzeitigen Einwurfs des Schriftstücks dazu kam, dass bei Gericht falsch gestempelt wurde. Das Gericht kann technische Funktionen (Klappe im Fristenbriefkasten, Telefaxgeräte) überprüfen, beteiligte Personen vernehmen sowie prüfen, ob sich bei einem Gericht Konflikte um den fristgerechten Eingang häufen. Besonders wichtig ist auch, nicht vorschnell die korrekte Postbearbeitung bei Gericht anzunehmen.

 

Der BGH sieht es als rechtsfehlerhaft an, wenn mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen würde, dass beteiligte Personen (Wachtmeister, Angestellter in der Postbearbeitung) bei der Postbearbeitung einen Fehler machen. Auch wenn diese als überaus zuverlässig bekannt und ihre Aussagen in jeder Hinsicht glaubhaft sind (BGH, a. a. O.)

 

PRAXISHINWEIS | In Verwaltungsverfahren sind auch behördliche Eingangsstempel (z. B. Stadtamt) Urkunden, die den vollen Beweis einer Zustellung erbringen (OVG Bremen 25.6.14, 2 B 126/14). Sie haben daher die gleiche Beweiskraft wie gerichtliche Eingangsstempel und müssen kein Handzeichen (Abzeichnung des Mitarbeiters) tragen.

 

 

Weiterführender Hinweis

  • Gerichte müssen Sachverständigengutachten richtig lesen und deuten, SR 15, 201
Quelle: Ausgabe 04 / 2016 | Seite 64 | ID 43957342