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· Fachbeitrag · Rechtsprechung

Implantate sind nur sehr selten „Kassenleistung“

von RA, FA MedR Dr. med. dent. Wieland Schinnenburg, Hamburg, rechtsanwalt-schinnenburg.de

| Immer wieder versuchen ältere Mandanten, die gesetzlich versichert sind, ihre Krankenkasse zur Kostenübernahme von Zahnimplantaten zu verpflichten. Die Rechtsprechung weist solche Ansprüche regelmäßig zurück. Jüngstes Beispiel ist ein Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 17.8.20, bei dem es um die Abstützung von Zahnersatz bei multiplem Zahnverlust und Würgereiz ging (L 9 KR 12/18, Abruf-Nr. 222422 ). |

 

1. Hintergrund

Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA), der im Regelfall darüber entscheidet, welche Behandlungen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen, also „Kassenleistung“ werden, lässt die Übernahme von Kosten für Implantate in seiner Behandlungsrichtlinie (online unter ogy.de/5xqw) nur in folgenden, seltenen Ausnahmefällen zu. Dieser Maßstab wird von den Gerichten fast immer akzeptiert. Bei

  • größeren Kiefer- und Gesichtsdefekten,
  • extremer Xerostomie,
  • generalisierter genetischer Nichtanlage von Zähnen sowie
  • nicht willentlich beeinflussbaren muskulären Fehlfunktionen im Mund- und Gesichtsbereich.

 

2. Der Fall

Ein gesetzlich versicherter Patient begehrte die Übernahme der Kosten für die Setzung von Implantaten. Er gab an, dass er unter starkem Brechreiz und seit vielen Jahren unter Magengeschwüren leide. Außerdem habe er infolge von acht Giftanschlägen fast alle Zähne verloren. Schließlich habe er einen Schlaganfall und einen Herzinfarkt erlitten und sei deshalb ein Härtefall. Ein eingeschalteter MDK-Gutachter stellte bei einem Provokationstest fest, dass kein extremer Würgereiz bestehe. Der vorhandene Würgereflex bzw. die Nichttoleranz von herkömmlichem Zahnersatz habe psychologische Ursachen.

 

3. Das Urteil

U. a. aus dem letzten Grund lehnte das LSG die Kostenübernahme ab. Es machte allerdings noch weitere interessante Ausführungen, die über den konkreten Fall hinausgehen: So sei die Indikation „Generalisierte genetische Nichtanlage von Zähnen“ nicht gleichzusetzen mit einem Verlust vieler oder aller Zähne im Laufe des Lebens. Auch gehe es beim Würgereiz nicht um „Fehlfunktionen im Mund- und Gesichtsbereich“, vielmehr betreffe dieser den Rachen. Mit anderen Worten: Zahnverlust und Würgereiz sind kein Grund für die Gewährung von Implantaten als „Kassenleistung“. Und das LSG geht noch einen Schritt weiter: „Wenn die Ermöglichung der Abstützung von Zahnersatz durch Implantate das einzige oder das hauptsächliche Behandlungsziel ist, sind die Kosten des Implantats vielmehr vom Versicherten nach den allgemeinen Regelungen eigenverantwortlich zu tragen.“

Quelle: Ausgabe 06 / 2021 | Seite 103 | ID 47138859