· Fachbeitrag · Wiedererteilung der Fahrerlaubnis
Fahrprobe genügt nicht: Fahrerlaubnisbehörde muss ärztliches Gutachten anfordern
von RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg
Bestehen in Zusammenhang mit der Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisbewerbers, so sind diese durch die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens abzuklären. Es steht grundsätzlich nicht im Ermessen der Fahrerlaubnisbehörde, statt dessen eine Fahrprobe als ausreichend zu erachten (OVG Saarland 1.10.14, 1 A 289/14, Abruf-Nr. 143611). |
Sachverhalt
Dem 1947 geborenen Kläger war seine 1965 erworbene Fahrerlaubnis durch Verfügung der Verwaltungsbehörde 1987 entzogen worden, weil er infolge eines Unfallgeschehens im Juni 1984 schwere Hirnverletzungen erlitten hatte und eine fachärztliche Untersuchung zu dem Ergebnis führte, dass eine Fahrtauglichkeit nicht gegeben war.
In den Folgejahren beantragte der Kläger mehrfach die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis. Die Verfahren endeten teils durch Rücknahme bzw. nicht Nichtweiterverfolgung des Antrags, teils durch ablehnende Bescheide. Der Kläger hat dann erneut die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis beantragt, wobei er den Antrag auf das Führen eines Pkw auf bestimmte Gebiete und die in der schnee- und eisfreien Zeit beschränkte.
Dieser Antrag wurde abgelehnt, weil die vom Kläger angebotene Fahrprobe kein geeignetes Mittel sei, die angesichts der medizinischen Vorgeschichte des Klägers gegebenen Zweifel an seiner Kraftfahreignung abzuklären. Es sei die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu fordern. Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das OVG hat nun auch die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
Das OVG hat einen Wiedererteilungsanspruch nach § 20 Abs. 1 FeV i.V. mit § 2 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StVG abgelehnt. Nach § 11 Abs. 2 S. 1 FeV kann die Behörde bei Bekanntwerden von Tatsachen, die Bedenken an der körperlichen oder geistigen Fahreignung begründen, zur Vorbereitung der Entscheidung über die Erteilung der Fahrerlaubnis die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens anordnen.
Vorgaben der FeV
Dazu ist in der FeV (vgl. Anlage 4) allgemein vorgegeben, dass Grundlage der im Rahmen des § 11 FeV vorzunehmenden Beurteilung, ob im Einzelfall Eignung oder bedingte Eignung vorliegt, in der Regel nur folgende Gutachten sein können:
- ein ärztliches Gutachten (§ 11 Abs. 2 FeV) und in besonderen Fällen
- ein medizinisch-psychologisches Gutachten (§ 11 Abs. 3 FeV) oder
- ein Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr (§ 11 Abs. 4 FeV) ist.
Kein Ermessen der Behörde
Gemessen an diesen Vorgaben setzt ein Erfolg des verfahrensgegenständlichen Wiedererteilungsbegehrens voraus, dass ein fachärztliches Gutachten dem Kläger seine körperliche und geistige Fahreignung bescheinigt. Es steht nicht im Ermessen der beklagten Fahrerlaubnisbehörde, dem Kläger die Möglichkeit zu eröffnen, seine Fahreignung durch erfolgreiches Ablegen einer Fahrprobe nachzuweisen.
Praxishinweis
In der Praxis spielen die mit der Erforderlichkeit einer Fahrprobe zusammenhängenden Fragen meist dann eine Rolle, wenn es um die Entziehung der Fahrerlaubnis geht. Hier war die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis beantragt.
Die vom Kläger insoweit als im Hinblick auf die Wiederlegung von Eignungszweifeln allein sachgerecht erachtete Fahrprobe ist in § 11 Abs. 4 FeV (Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr) geregelt und setzt gemäß Nr. 1 der Vorschrift hinsichtlich aller Erkrankungen oder Mängel, die nicht der Nr. 2 der Vorschrift betreffend Behinderungen des Bewegungsapparates unterfallen, voraus, dass eine Fahrprobe nach Würdigung des ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Gutachtens zusätzlich zu diesem erforderlich ist. Damit ist nach der Konzeption der FeV für eine Eignungsüberprüfung im Wege einer Fahrprobe nur Raum, wenn dies nach dem Ergebnis eines ärztlichen und/oder medizinisch-psychologischen Gutachtens angezeigt erscheint.
Eine Fahrprobe ist also, wenn es um die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis, geht immer nur „ergänzend“ in Betracht zu ziehen, wenn bereits ärztliche Gutachten im Sinn des § 11 Abs. 2 FeV vorliegen. Die Verwendung des Wortes „kann“ in § 11 Abs. 2 S. 1 FeV führt nicht zu der Schlussfolgerung, die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens sei eine unter mehreren gleichwertig nebeneinander bestehenden Möglichkeiten, Bedenken bezüglich der körperlichen oder geistigen Eignung auszuräumen, und die Vorschrift eröffne der Fahrerlaubnisbehörde diesbezüglich ein Auswahlermessen.
Weiterführender Hinweis
- Zu medizinischen Gutachten in Sozialgerichtssachen, Noe, SR 14, 26