· Fachbeitrag · Arbeitsrecht
Altersdiskriminierung in einer Stellenanzeige ‒ Entschädigungsanspruch
von RA Christian Deutz, FA Arbeitsrecht, Aachen
| Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot kann der Beschäftigte nach § 15 Abs. 2 AGG eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. |
§ 11 AGG regelt, dass ein Arbeitsplatz nicht unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG ausgeschrieben werden darf. Nach der zuletzt genannten Regelung dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. § 1 AGG verfolgt das Ziel, Benachteiligungen unter anderem aus Gründen des Alters zu verhindern oder zu beseitigen.
Das LAG Nürnberg hatte sich im Rahmen seines ‒ rechtskräftigen ‒ Urteils (27.5.20, 2 Sa 1/20, Abruf-Nr. 216616) in diesem Zusammenhang mit der Frage zu befassen, ob und inwiefern eine Formulierung in einer Stellenausschreibung eine Diskriminierung wegen des Alters bewirkt.
Sachverhalt
Die Parteien stritten über eine behauptete Diskriminierung und hieraus folgende Ersatzansprüche. Der 61-jährige Kläger ist Diplomkaufmann und seit Jahren im SAP-Bereich tätig. Die Beklagte ist ein Unternehmen des Nahrungsmittelgroßhandels.
Im März 2019 schaltete die Beklagte eine Online-Stellenanzeige, mit der sie einen „Mitarbeiter SAP-Anwendungsbetreuung (m/w/d)“ suchte. Unter der Überschrift „Wir bieten Ihnen“ fand sich folgender Text:
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„Zukunftsorientierte, kreative Mitarbeit in einem jungen, hoch motivierten Team in einem sehr interessanten und abwechslungsreichen Themenumfeld.“ |
Im gleichen Monat bewarb sich der Kläger auf diese Stelle. Als Anlagen fügte er seinen Lebenslauf sowie diverse Zertifikate bei. Ob auch Arbeitszeugnisse dabei waren, ist streitig.
Kurze Zeit später lehnte die Beklagte die Bewerbung des Klägers im Rahmen einer Vorauswahl mit der Begründung ab, sich für andere Bewerber entschieden zu haben, die das spezielle Anforderungsprofil noch besser erfüllten.
In der Folgezeit machte der Kläger gegenüber der Beklagten Schadenersatz- und Entschädigungsansprüche wegen einer behaupteten Diskriminierung wegen des Alters geltend.
Aufgrund der Ablehnung durch die Beklagte leitete der Kläger ein Klageverfahren ein. Er begehrte erstinstanzlich u. a. eine Entschädigung nicht unter 26.000 EUR. Das Arbeitsgericht verurteilte die Beklagte, eine Entschädigung in Höhe von zwei Monatsgehältern (rund 6.700 EUR) zu zahlen.
Gegen dieses Urteil ging die Beklagte in Berufung und der Kläger in Anschlussberufung.
Nach Auffassung des Klägers war die Höhe der Entschädigung mit zwei Monatsgehältern zu niedrig bemessen.
Die Beklagte hielt u. a. eine Diskriminierung bereits dem Grunde nach für nicht gegeben.
Entscheidungsgründe
Das LAG hat ‒ rechtskräftig ‒ sowohl die Berufung als auch die Anschlussberufung zurückgewiesen.
So wie auch das Arbeitsgericht hielt das LAG die Klage hinsichtlich der Entschädigung gem. § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von zwei Monatsgehältern für begründet. Das LAG hat sich ausdrücklich die Entscheidungsgründe im Urteil des Arbeitsgerichts zu eigen gemacht.
Beklagte trug die Beweislast nach § 22 AGG
Der Kläger war Bewerber im Sinne von § 6 Abs. 1 S. 2 AGG.
Die Formulierung in der Stellenausschreibung, wonach der Bewerber „in einem jungen, hoch motivierten Team“ tätig werden sollte, ist in diesem Zusammenhang geeignet, die Vermutung im Sinne des § 22 AGG zu begründen, dass der Kläger im Auswahl-/Besetzungsverfahren wegen seines Alters benachteiligt worden ist.
Beachten Sie | Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang keine ausreichenden Tatsachen vorgetragen und bewiesen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe, vorliegend das Alter, zu einer ungünstigeren Behandlung des Klägers geführt haben. Vor allem der Vortrag der Beklagten hat insofern keine Indizentlastung erbracht.
Das LAG hat ergänzend ausgeführt, dass der Kläger durch die Stellenanzeige Indizien bewiesen hat, die vermuten lassen, dass er wegen seines Alters nicht eingestellt wurde. Die Beklagte hat keine Tatsachen ausreichend vorgetragen oder bewiesen, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen haben (§ 22 AGG).
Kläger wurde unmittelbar benachteiligt
Nach Auffassung des LAG wurde der Kläger dadurch, dass er von der Beklagten nicht eingestellt wurde, auch unmittelbar im Sinne von § 3 Abs. 1 AGG benachteiligt. Er hat insoweit eine ungünstigere Behandlung erfahren als der letztlich von der Beklagten eingestellte Bewerber.
Beachten Sie | Das LAG sah den Entschädigungsanspruch des Klägers auch nicht einem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand im Sinne von § 242 BGB ausgesetzt. In diesem Zusammenhang hat das LAG klargestellt, dass aus seiner Sicht diese Frage nicht mit der „Ernsthaftigkeit der Bewerbung“ in Zusammenhang stehe, sondern unter dem Gesichtspunkt „Verstoß gegen Treu und Glauben“ zu prüfen ist. Dabei geht das LAG davon aus, dass die Rechtsstellung als Bewerber nur dann treuwidrig erworben wird mit der Folge, dass die Ausnutzung dieser Rechtsposition rechtsmissbräuchlich wäre, wenn er sich nicht beworben haben sollte, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihm darum gegangen sein sollte, nur den formalen Status als Bewerber zu erlangen ‒ mit dem ausschließlichen Ziel, eine Entschädigung geltend zu machen.
Diesen Anforderungen wurde der Vortrag der Beklagten aber nicht gerecht. Der Umstand, dass der Bewerbung Zeugnisse eventuell nicht beigefügt waren, machte sie allenfalls unvollständig. Zudem hatte der Kläger in diesem Zusammenhang vorgetragen, dass er trotz seiner zahlreichen Bewerbungen kein weiteres Verfahren auf Entschädigung nach dem AGG betreibt.
Nach Auffassung des LAG hat der Kläger vielmehr Indizien bewiesen, die eine Benachteiligung wegen des Alters vermuten lassen. Die Beklagte hat die Stelle entgegen den Vorgaben von § 11 AGG unter Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung ausgeschrieben.
PRAXISTIPP | Die Formulierung, wonach dem Bewerber eine zukunftsorientierte, kreative Mitarbeit in einem „jungen, hoch motivierten Team“ geboten wird, bewirkt eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters. Das LAG hat sich dabei ausdrücklich auf die Rechtsprechung des BAG aus dem Jahr 2016 bezogen. Dort hatten Stellenangebote mit der Mitarbeit in einem „jungen dynamischen Team“ geworben (BAG 19.5.16, 8 AZR 470/14 sowie 11.8.16, 8 AZR 406/14).
Danach sind die Verwendung der Begriffe „dynamisch“ und „hoch motiviert“ in einer Stellenanzeige im Zusammenhang mit einem jungen Team austauschbar und unterscheiden sich in der Zielrichtung kaum. Mit dem Begriff „jung“ wird direkt an das Lebensalter angeknüpft. Verstärkt wird diese Bezugnahme durch die Verbindung mit der Formulierung „hoch motiviert“, die ebenso wie der Begriff „dynamisch“ eine Eigenschaft beschreibt, die im Allgemeinen eher jüngeren als älteren Menschen zugeschrieben wird. Wird in einer Stellenbeschreibung formuliert, dass eine zukunftsorientierte Mitarbeit in einem „jungen, hoch motivierten Team“ geboten wird, enthält dieser Hinweis regelmäßig nicht nur die Botschaft an potenzielle Bewerber, dass die Mitglieder des Teams jung und deshalb hoch motiviert sind. Eine solche Angabe kann regelmäßig so verstanden werden, dass der Arbeitgeber einen Mitarbeiter sucht, der in das Team passt, weil er ebenso jung und hoch motiviert ist wie die Mitglieder des vorhandenen Teams. |
Die Annahme, dass mit der Beschreibung des Teams als „jung“ und „hoch motiviert“ der Zweck verfolgt wird, den potenziellen Bewerber darüber zu informieren, dass das Team selbst noch nicht lange Zeit besteht, ist aus Sicht des LAG demgegenüber fernliegend, weil dieser Umstand nicht sogleich in der Stellenausschreibung erläutert wird.
Beklagte konnte Vorwurf der Diskriminierung nicht entkräften
Das LAG ist zudem nicht vom Vorhandensein von Rechtfertigungsgründen nach § 8 oder § 10 AGG ausgegangen.
Weiter hat das LAG seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass die Beklagte nicht dargelegt und bewiesen hat, dass ausschließlich andere Gründe als das Alter des Klägers für die Nichteinstellung ausschlaggebend waren.
Beachten Sie | Grundsätzlich kann der Arbeitgeber die Vermutung, er habe die klagende Partei wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt, etwa dadurch widerlegen, dass er substanziiert dazu vorträgt und im Bestreitensfall beweist, dass er bei der Behandlung der Bewerbungen nach einem bestimmten Verfahren vorgegangen ist, das eine Benachteiligung ausschließt. Dies kann z. B. anzunehmen sein, wenn der Arbeitgeber ausnahmslos alle Bewerbungen in einem ersten Schritt daraufhin sichtet, ob der Bewerber eine zulässigerweise gestellte Anforderung erfüllt und er alle Bewerbungen von vornherein aussortiert, bei denen dies nicht der Fall ist.
PRAXISTIPP | Der Arbeitgeber, der sich hierauf beruft, muss dann aber nicht nur darlegen und beweisen, dass ein solches Verfahren praktiziert wurde, sondern auch, dass er das Verfahren konsequent zu Ende geführt hat. Deshalb muss er auch substanziiert dartun und ggf. beweisen,
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Im vorliegenden Verfahren konnte die Beklagte entsprechenden Sachvortrag nicht leisten. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang keinerlei Vortrag zum Bewerbungsprozess geleistet. Insbesondere fehlt auch jeglicher Sachvortrag zum Umgang mit den übrigen Bewerbern.
Entschädigungshöhe
Bezüglich der Höhe der Entschädigung hielt das LAG zwei Monatsgehälter für angemessen.
Beachten Sie | Bei der Beurteilung der angemessenen Höhe der festzusetzenden Entschädigung nach § 15 Abs. 2 S. 1 AGG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beachten, dass die Entschädigung einen tatsächlichen und wirksamen Schutz gewährleisten muss.
Es soll insbesondere auch eine abschreckende Wirkung gewährleistet werden. Bei der in § 15 Abs. 2 S. 2 AGG bestimmten Grenze, wonach die Entschädigung bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen darf, wenn der Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, handelt es sich um eine „Kappungsgrenze“.
Relevanz für die Praxis
Die Entscheidung des LAG berücksichtigt konsequent die oben zitierte Rechtsprechung des BAG aus dem Jahr 2016.
Die Entscheidung ist von Bedeutung für die Formulierung von Stellenanzeigen, will der potenzielle Arbeitgeber nicht Gefahr laufen, mit AGG-Entschädigungsklagen konfrontiert zu werden.
PRAXISTIPP | Lesens- und beachtenswert sind die Ausführungen des LAG zu der Frage, was der Arbeitgeber vortragen muss im Hinblick auf das Nicht-Vorliegen einer Diskriminierung wegen des Alters, um die Vermutung der Kausalität zwischen dem (Alters-)Diskriminierungsmerkmal und der Benachteiligung zu widerlegen. Die insofern von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen sind durchaus als hoch zu qualifizieren. |
Beachten Sie | Arbeitgebern, die Stellenanzeigen schalten möchten, ist zu raten, die Rechtsprechung zum AGG im Auge zu behalten. Von Formulierungen wie der hier streitgegenständlichen ist sicherheitshalber abzuraten.
M. E. ändert sich hieran auch nichts durch die Tatsache, dass im Verfahren argumentiert wurde, dass die Formulierung „junges Team“ sich nicht zwingend auf das Lebensalter der Teammitglieder beziehen muss, sondern grundsätzlich auch bedeuten könnte, dass es sich um ein erst kürzlich gebildetes Team handelt.