· Fachbeitrag · Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Freiumschläge der Krankenkasse
| Stellen Krankenkassen Freiumschläge zur Verfügung, damit Ärzte die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen direkt an die Kasse schicken, darf sich der Versicherte darauf verlassen, dass dies ausreicht. Geht die Bescheinigung dann verloren oder verspätet bei der Kasse ein, trifft den Versicherten keine Schuld, sagt das SG Aachen ( 31.1.17, S 13 KR 318/16, Abruf-Nr. 192323 ). |
Sachverhalt
Der Kläger erhielt nach Ablauf der Entgeltfortzahlung Krankengeld. Im weiteren Verlauf schrieb ihn der Arzt mit Folgebescheinigungen weitere Monate krank. Allerdings erreichten die Krankenkasse (hier: Knappschaft) zwei Bescheinigungen erst verspätet, da die Originale verlorengingen. Daher lehnte sie ab, für eine Lücke von rund zwei Wochen Krankengeld zu zahlen.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und anschließend Klage darauf, ihm für den ausstehenden Zeitraum Krankengeld (2.4. bis 25.4.16) zu zahlen. Er verwies auf ein Schreiben des Arztes, wonach die Krankmeldungen bzw. die Ausfertigung für die Krankenkasse am gleichen oder Folgetag direkt dorthin geschickt werden. Bis Mitte 2016 sei es so geregelt gewesen, dass die Kasse den Vertragsärzten adressierte Freiumschläge gab, damit die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AU) direkt an sie verschickt werden konnten. Wegen der fehlenden Folgebescheinigungen meinte die Beklagte, dass der Anspruch auf Krankengeld für den fehlenden Zeitraum ruhe, da die weitere Arbeitsunfähigkeit nicht fristgemäß gemeldet wurde. Das SG gab jedoch der Klage statt und verurteilte die Krankenkasse, das geforderte Krankengeld zu zahlen.
Entscheidungsgründe
Der Versicherte ist verpflichtet, die Arbeitsunfähigkeit ärztlich feststellen zu lassen und auch zu melden. Tut er dies zu spät, muss er sich entstehende Nachteile zurechnen lassen, z. B. dass er einen möglichen Anspruch auf Krankengeld verliert. Dies gilt aber nicht ausnahmslos, wie das SG betont. § 5 Abs. 1 S. 5 EFZG habe sich nicht geändert: Versicherten, die Entgeltfortzahlung beanspruchen können, ist die Verpflichtung abgenommen, ihrer Kasse die Arbeitsunfähigkeit zu melden.
Es spielt auch keine Rolle, dass in dem neuen Formular der gelben AU-Bescheinigung (gültig seit 1.1.16) nicht mehr der Hinweis vermerkt ist, dass der Krankenkasse unverzüglich eine Bescheinigung übersandt wird. Wenn eine Krankenkasse außerdem ihren ärztlichen Vertragspartnern anbietet, die für die Kasse bestimmten Exemplare der AU-Bescheinigungen direkt an sie zu schicken und die Ärzte dies auch tun, darf der Versicherte darauf vertrauen, dass dies ausreichend ist. Genau dies war hier der Fall, denn die Kasse stellte den Ärzten zum einen Freiumschläge für den direkten Versand zur Verfügung. Zum anderen händigte der Arzt dem Versicherten die Ausfertigung für die Krankenkasse gar nicht erst aus.
Relevanz für die Praxis
Soll sich der Mandant mit Anspruch auf Entgeltfortzahlung also darauf verlassen, dass sein Arzt die Bescheinigung an die Krankenkasse weiterreicht oder nicht? Auch wenn das SG hier unter Hinweis auf § 5 Abs. 1 S. 5 EFZG positiv entschied, sollte der Mandant besser stets selbst
- dafür sorgen, die Ausfertigung bei der Krankenkasse einzureichen oder aber
- dort nachzuhalten, dass sie fristgerecht eingegangen ist.
Kommt die Bescheinigung nicht rechtzeitig an, kommt es schnell zu einer Unterbrechung der gezahlten Leistung, aus der meist der Lebensunterhalt bestritten wird. Ferner akzeptieren viele Kassen, dass Ihnen die AU-Bescheinigung vorab (fristwahrend) per E-Mail zugeleitet wird, sodass der Mandant dies leicht selbst erledigen kann. Erlaubt die Kasse allerdings klar, dass der Arzt die Bescheinigung direkt an die Kasse schickt, darf sich der Mandant darauf verlassen.
Nach wie vor ist der Mandant auch besonders darauf hinzuweisen: Ist er krankgeschrieben und will er eine Folgebescheinigung vom Arzt, muss er bei ihm persönlich vorbeischauen. Der Versicherte muss stets persönlich untersucht werden.
PRAXISHINWEIS | Insbesondere bei neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen mag zwar nicht zwingend notwendig sein, körperlich zu untersuchen. Aber auf die Untersuchung als solche kann nicht verzichtet werden, die ggf. in einem persönlichen Gespräch zu erfolgen hat (LSG Schleswig-Holstein 6.2.17, L 5 KR 13/17 B ER). Es genügt auch nicht, dass der Arzt sich telefonisch davon überzeugen lässt, dass sich der Gesundheitszustand nicht verbessert hat (BSG 4.3.14, B 1 KR 17/13 R; LSG Schleswig-Holstein 30.11.16, L 5 KR 100/16). |
Weiterführende Hinweise
- Bis zu drei Tage rückwirkend krankschreiben, SR 16, 57
- Wichtige Änderungen für Krankengeldbezieher, SR 15, 119