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· Fachbeitrag · Sozialrecht

Wichtige Änderungen für Krankengeldbezieher

von Rechtsanwaltsfachangestellter Christian Noe B.A., Leipzig

| Das am 11.6.15 verabschiedete Versorgungsstärkungsgesetz als auch eine aktuelle Entscheidung des LSG Rheinland-Pfalz sind für Krankengeldbezieher vorteilhaft. Dieser Beitrag erläutert die Neuerungen durch das Gesetz und stellt den Kern der Gerichtsentscheidung vor. |

1. Mandanten geraten in die Krankengeld-Falle

Ältere Mandanten können krankheitsbedingt für längere Zeiträume arbeitsunfähig sein. Resultat: Der ersten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, mit der die Erkrankung festgestellt wird, folgen weitere Folgebescheinigungen. Ist der Mandant länger als sechs Wochen erkrankt, hat er Anspruch auf Krankengeld und der behandelnde Arzt dokumentiert die weiteren Krankheitszeiträume in einem Auszahlungsschein der Krankenkasse. Das Tückische daran: Es können schnell Anspruchslücken entstehen. In diesem Zusammenhang ist oft von der Krankengeld-Falle die Rede, da viele Versicherte erst am Folgetag des Endes ihrer Arbeitsunfähigkeit zum Arzt gehen - und damit verspätet. Notwendig ist daher, die Folgebescheinigung bereits am letzten Krankheitstag abzuholen, der in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung genannt ist. Geschieht dies nicht, kann der Krankengeldanspruch vollständig entfallen. Dies hatte zuletzt auch das BSG mehrfach bestätigt (16.12.14, B 1 KR 31/14 R, B 1 KR 35/14 R, B 1 KR 37/14 R). Das heißt: Arbeitsunfähigkeits- und Folgebescheinigung überschneiden sich um einen Tag. Diese Regelung war umstritten, da sie regelmäßig von vielen Versicherten missverstanden wurde und die ihren Krankengeldanspruch verloren.

 

PRAXISHINWEIS | Vorsicht ist geboten, wenn die Arbeitsunfähigkeit an einem Samstag, Sonntag oder einem Feiertag endet. Der BSG hat betont, dass sich der Erkrankte rechtzeitig um eine Folgebescheinigung kümmern muss, gegebenenfalls sogar durch den an arbeitsfreien Tagen erreichbaren hausärztlichen Notfalldienst (4.3.14, B 1 KR 17/13 R). Empfehlen Sie Ihrem Mandanten daher, regelmäßig einen Blick auf das Enddatum zu werfen, sich den Ablauftag zu notieren und sich ggf. einen oder zwei Tage vor Ablauf bereits eine Folgebescheinigung durch den Arzt ausstellen zu lassen.

 

2. Neues Gesetz entschärft Krankengeld-Falle

Das am 11.6.15 verabschiedete das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (Versorgungsstärkungsgesetz) entschärft die Krankengeld-Falle zumindest ein wenig. Für einen nahtlosen Krankengeldbezug genügt es, wenn sich der Versicherte nicht mehr am letzten Tag der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, sondern am darauffolgenden Tag ausstellen lässt. Er gewinnt also einen Tag mehr Zeit. Die Neuregelung soll am 1.8.15 in Kraft treten. Trotz dieser Änderungen sollte auch künftig nicht der volle Zeitraum ausgeschöpft werden. Ist die Arztpraxis einmal unvorhergesehen geschlossen oder kann er aus körperlichen Gründen nicht dort vorsprechen, nützt auch der eine Tag wenig.

 

PRAXISHINWEIS | Einige Krankenkassen akzeptieren im Übrigen, wenn während des laufenden Krankengeldbezugs der vom behandelnden Arzt aktualisierte Auszahlungsschein eingescannt und vorab per E-Mail eingereicht wird. Dies empfiehlt sich bei absehbar längeren Krankheitsperioden. Die Krankenkasse sollte ihr Einverständnis in einer kurzen schriftlichen Mitteilung oder E-Mail gegenüber dem Mandanten erklären, damit die Regelung nachweisbar ist.

 
 

 

Beachten Sie | Sobald sich Ihr Mandant im Krankengeldbezug befindet, erhält er von der Krankenkasse einen sogenannten Auszahlungsschein. Der behandelnde Arzt trägt hier tabellarisch die jeweils weiterfolgenden Arbeitsunfähigkeitszeiten ein. Der Auszahlungsschein ist der Kasse nach jeder ergänzend eingetragenen Arbeitsunfähigkeit ebenso zügig vorzulegen wie die jeweiligen (gelben) Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zuvor.

 

Eine Schwierigkeit kann sich daraus ergeben, dass während des laufenden Krankengeldbezugs der behandelnde Arzt den Auszahlungsschein mit dem Vermerk „bis auf Weiteres“ versieht und darin einen nächsten Behandlungstermin notiert. Das LSG Rheinland-Pfalz hat hier Klarheit geschaffen und betont, dass in diesem Fall keine zeitliche Begrenzung der Arbeitsunfähigkeit anzunehmen ist und auch keine Anspruchslücke im Krankengeldbezug entsteht (16.4.15, L 5 KR 254/14, Abruf-Nr. 144832).

 

  • Der Fall des LSG Rheinland-Pfalz

Der Hausarzt der Klägerin bescheinigte dieser im April 2013 eine Arbeitsunfähigkeit „bis auf Weiteres“, ohne einen Endzeitpunkt der Arbeitsunfähigkeit anzugeben. Gleichzeitig wurde im Auszahlungsschein der nächste Vorstellungstermin in der Arztpraxis am 8.8.15 vermerkt. Am 15.8.13. bescheinigte der Hausarzt erneut Arbeitsunfähigkeit „bis auf Weiteres“ und ergänzte den Auszahlschein entsprechend. Die Krankenkasse vertrat die Auffassung, dass aufgrund der Angabe des Untersuchungstermins kein Krankengeldanspruch über den 8.8.15 hinaus bestehe. Die nächste Arbeitsunfähigkeit hätte rechtzeitig vor dem 8.8.15 bescheinigt werden müssen und war am 15.8.13 verspätet.

 

Das Gericht hat klargestellt, dass ein genannter Wiedervorstellungstermin in der Arztpraxis nicht als Endzeitpunkt der Arbeitsunfähigkeit zu interpretieren ist. Wird die Arbeitsunfähigkeit „bis auf Weiteres“ bescheinigt und kein konkreter Endzeitpunkt genannt, ist die Dauer der Arbeitsunfähigkeit nicht absehbar. Ein möglicherweise zusätzlich genannter Termin für eine weitere Vorstellung oder Begutachtung ändert daran nichts und das Krankengeld ist ohne Unterbrechung weiterzuzahlen. Somit stand der Klägerin sowohl bis zum 15.8.13 als auch darüber hinaus Krankengeld zu, da weitere Bescheinigungen folgten, die den Vermerk „bis auf Weiteres“ enthielten.

3. Augen auf bei der Bescheinigung

Das BSG hat zuletzt nicht nur die Notwendigkeit lückenloser Folgebescheinigungen betont. Der Erkrankte hat auch darauf zu achten, dass diese nicht fehlerhaft ist. Fehler des Arztes fallen insoweit auf ihn zurück. So kann er sich gegenüber der Krankenkasse nicht wirksam darauf berufen, dass er sich auf die Äußerung des Arztes verlassen habe, die Ausstellung einer rückdatierten Bescheinigung sei ausreichend (16.12.14, B 1 KR 19/14 R). Empfehlen Sie Mandanten daher auch grundsätzlich die Prüfung des Auszahlungsscheins hinsichtlich

  • der korrekt eingetragenen Daten (Beginn und Ende der Arbeitsunfähigkeit)
  • Unterschrift des Arztes und Praxisstempel
  • rechtzeitigen Versand (Eingang innerhalb einer Woche bei der Krankenkasse)

4. Krank vor Ende des Arbeitsverhältnisses

Erkrankt Ihr Mandant noch vor dem Ende seines Arbeitsverhältnisses - hierzu zählt ausdrücklich auch noch der letzte Arbeitstag -, besteht ein Krankengeldanspruch. Hier sind bei länger andauernden Krankheiten die rechtzeitigen Folgebescheinigungen außerordentlich wichtig. Bezieht eine Person Krankengeld und wird während des Bezugs arbeitslos, so endet sowohl das Versicherungsverhältnis mit der Krankenkasse und der Krankengeldanspruch endgültig, wenn eine Lücke im Bezugszeitraum entsteht.

 

Weiterführende Hinweise

  • Krankenkassen-Vergleich: Zusatzleistungen für Senioren (SR 15, 19)
Quelle: Ausgabe 07 / 2015 | Seite 119 | ID 43461530