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· Fachbeitrag · Berufskrankheit

Lärm-Grenzwerte bei Lärmschwerhörigkeit

| Bei einer Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit sind dauerhafte Lärmeinwirkungen nachzuweisen. Eine Entscheidung des LSG Baden-Württemberg zeigt, wann auch kürzere Lärmeinwirkungen bedeutsam sind und wann das Gericht einen Gutachterantrag gem. § 109 SGG ablehnen darf. |

 

Sachverhalt

Der Kläger war Chemiearbeiter. Er klagte darauf, dass bei ihm die Berufskrankheit Lärmschwerhörigkeit (BK 2301) anerkannt wird. Die Klage wurde abgewiesen. Im Berufungsverfahren wurde ein Gutachten nach § 109 SGG eingeholt. Dieses kam zu dem Ergebnis, dass die Schwerhörigkeit nicht berufsbedingt verursacht ist oder verschlimmert wurde. Die Berufung wurde zurückgewiesen. Mit seinem Überprüfungsantrag gem. § 44 SGB X scheiterte der Kläger in der Berufung vor dem LSG Baden-Württemberg.

 

Ein Antrag nach § 109 SGG in einem Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X ist rechtsmissbräuchlich, wenn im früheren Rechtsstreit derselbe Sachverständige bereits ein Gutachten nach § 109 SGG erstattete (Abruf-Nr. 186247).

 

Entscheidungsgründe

Die Untersuchungen haben ergeben, dass der Kläger nicht dauerhaft einem Lärm von über 85 dB ausgesetzt war. Zwar hatte er zuletzt nur noch vorgetragen, dass „Impulslärmspitzen“ von 110 dB ursächlich seien, dass er schwerhörig ist. Solche kurzen Spitzenschalldruckpegel sind gesondert zu betrachten, da ab einer Lärmeinwirkung von über 137 dB das Innenohr geschädigt werden kann. Diese Werte wurden messtechnisch jedoch nicht erfasst. Auch die beiden Gutachten stimmten überein, dass der berufliche Lärm und die Schwerhörigkeit des Klägers nicht wesentlich zusammenhängen.

 

In einem Nachprüfungsverfahren kann ein Gutachten nach § 109 SGG beantragt werden. Es spielt auch keine Rolle, ob in einem früheren Rechtsstreit bereits ein solches Gutachten beantragt wurde. Der Kläger gab jedoch nicht an, welche Gründe für eine nochmalige Sachaufklärung sprechen, sondern berief sich schlicht auf sein Antragsrecht. Dies wertete das Gericht als rechtsmissbräuchlich.

 

Relevanz für die Praxis

Eine Lärmschwerhörigkeit entwickelt sich nur, wenn der Lärm ausreichend hoch und lange einwirkt. Erforderlich ist ein Dauerschallpegel von mehr als 85 dB(A) bei einem Achtstundentag über viele Arbeitsjahre (zuletzt auch LSG Baden-Württemberg 17.2.16, L 6 U 4089/15). Auch kurzzeitige Spitzenwerte sind zu beachten, wenn der Lärm 137 dB (C) überschreitet. Jede Partei hat ein Antragsrecht gem. § 109 SGG (Gutachten). Sie muss allerdings die Kosten für solch ein Gutachten selbst zahlen. Nur die vom Gericht in Auftrag gegebenen Gutachten nach § 106 SGG sind für die Parteien kostenfrei. Es darf auch in einem späteren Nachprüfungsverfahren ein Gutachten gem. § 109 SGG zum gleichen Sachverhalt durch denselben Gutachter beantragt werden.

 

PRAXISHINWEIS | Wenn Sie für Ihren Mandanten im Nachprüfungsverfahren ein Gutachten nach § 109 SGG beantragen, müssen Sie dem Gericht Anhaltspunkte geben, warum die Gerichtsentscheidungen, die durch die Nachprüfung aufgehoben werden sollen, möglicherweise falsch sind. Zudem müssen Sie für den Mandanten erklären, warum ein erneutes Gutachten gewünscht wird und welche neuen Ergebnisse er sich davon verspricht. Ohne genauen Vortrag hierzu wird das Gericht die Einholung eines neuen Gutachtens ablehnen.

 

 

 

Weiterführender Hinweis

  • Gutachten in Sozialgerichtssachen: Wichtige Grundsätze für die Mandatsbearbeitung, SR 14, 26
Quelle: Ausgabe 06 / 2016 | Seite 98 | ID 44047878