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· Fachbeitrag · Berufskrankheit

Nur die primäre Gonarthrose zählt

| Für eine Gonarthrose (Kniegelenksarthrose) als Berufskrankheit müssen berufliche Belastungen ursächlich sein. Das ist nicht der Fall, wenn außerberuflich der Innenmeniskus entfernt wird und dadurch das Arthroserisiko stark steigt. Eine aktuelle Entscheidung des SG Karlsruhe bestätigt, warum außerberufliche Schäden problematisch sind. |

 

Sachverhalt

Der Kläger übte seit 1977 verschiedene Tätigkeiten aus. Er arbeitete u. a. als Maschinenführer, Gerüstbauer, Gipser, Bauhelfer und Lagerarbeiter.

 

Er musste bei der Arbeit häufig knien, hocken und kriechen. Wegen eines Meniskus- und Knorpelschadens und einer rechtsseitigen Gonarthrose wurde der Kläger im April 1992 operiert. Am 7.3.11 erlitt er einen Arbeitsunfall und verletzte sich am rechten Fuß und Kniegelenk. Ein künstliches Kniegelenk wurde implantiert.

 

Am 10.12.13 beantragte er, dass eine Berufskrankheit Nr. 2112 anerkannt wird und gab an, dass seine berufsbedingten körperlichen Tätigkeiten für die Meniskusbelastung verantwortlich seien. Die Beklagte lehnte dies mit Bescheid und Widerspruchsbescheid ab. Eine hiergegen erhobene Klage zum SG blieb erfolglos.

 

  • 1. Die Feststellung einer Kniegelenksarthose als Berufskrankheit der Nr. 2112 der Anl. 1 zur BKV kommt ungeachtet der arbeitstechnischen Voraussetzungen nur bei einer primären Gonarthrose in Betracht.
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  • 2. Eine außerberuflich bedingte Entfernung des Innenmeniskus steht als Konkurrenzursache der Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen beruflichen Einwirkungen durch Arbeiten im Knien oder vergleichbaren Kniebelastungen und einer Gonarthrose auch bei Erfüllung der beruflichen Voraussetzungen entgegen.
 

Entscheidungsgründe

Das SG sah eine berufliche Ursache als nicht hinreichend wahrscheinlich. Bereits 1992 litt der Kläger an einem Knorpelabbau, wurde eine rechtsseitige Gonarthrose diagnostiziert und der Innenmeniskus entfernt. Die Gonarthrose entstand nicht primär durch die berufliche Tätigkeit, sondern sekundär als Folge nach der Meniskusoperation. Dieser Zustand stelle medizinisch eine gesicherte Konkurrenzursache dar, dass sich eine Gonarthrose entwickelt.

 

Aufgrund des erhöhten Risikos durch die außerberufliche Meniskusentfernung scheide eine Berufskrankheit aus. Notwendige medizinische-wissenschaftliche Angaben, wie mehrere Faktoren (berufliche und außerberufliche) zusammen die Entwicklung einer Gonarthrose fördern, seien nicht vorhanden. Außerdem habe sich der Kläger widersprüchlich geäußert und angegeben, dass die Kniegelenksprothese allein auf den Arbeitsunfall und dessen Folgen zurückgeht.

 

Relevanz für die Praxis

Ungünstigerweise ist die Gonarthrose eine häufige Erkrankung, deren Ursache im Einzelfall schwer zu beurteilen ist. Medizinisch werden unterschiedliche berufliche und nichtberufliche Faktoren für die Erkrankung angenommen.

 

Die Konkurrenzursachen, also außerberufliche Gesundheitsschäden (z. B. in der Kindheit erworbene, wegen eines Arbeitsunfalls), stellen ein Problem dar. Begünstigen solche Beeinträchtigungen eine Erkrankung oder Risiken für Krankheitsverläufe, ist es schwierig abzuwägen.

 

Entscheidend ist, ob aus medizinischer Sicht die außerberuflichen Gründe (gesicherte Konkurrenzursachen) maßgeblich sind oder ggf. gesundheitsschädigende Gewohnheiten vorliegen, wenn z.B. ein langjähriger Raucher eine berufsbedingte Lungenkrebserkrankung als Berufskrankheit anerkennen will (Hessisches LSG 14.10.14, L 3 U 150/09).

 

Es genügt nicht, dass der Ursachenzusammenhang bloß möglich ist, er muss hinreichend wahrscheinlich sein. Die individuelle Krankheitsgeschichte wird berücksichtigt: Art und Ausmaß der Einwirkung, konkurrierende Ursachen, wie die Erkrankung verläuft und wie sich der Antragsteller in den Folgejahren verhält. Bei den sogenannten offenen Berufskrankheiten (keine klar eingeschränkten Krankheitsbilder oder einwirkende Stoffe) kann mit einer „Indizienkette“ abgewogen werden, ob mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang im naturwissenschaftlichen Sinne spricht (Hessisches LSG, a.a.O.).

 

Das LSG Baden-Württemberg hat bereits früher entschieden, dass bei einer behandlungsbedürftigen Gonarthrose, die vor der Mindesteinwirkungsdauer auftritt (hier: 13.000 Stunden Tätigkeit im Knien oder vergleichbare Kniebelastung und Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt einer Stunde je Arbeitsschicht), kein beruflicher Zusammenhang besteht (28.2.14, L 8 U 5339/12; 26.11.15, L 6 U 2782/15).

 

PRAXISHINWEISE |

  • Beantragen Sie für Ihren Mandanten ein Gutachten gem. § 109 SGG, sollten Sie Orthopäden/orthopädische Kliniken benennen, die mit Gonarthrosen und deren berufsbedingten Zusammenhängen und Krankheitsverläufen erfahren sind und das Gutachten möglichst zügig erstellen.

 

  • Zwar kann auch vor Sozialgerichten Prozesskostenhilfe beantragt werden (§ 73a SGG). Diese erstreckt sich jedoch grundsätzlich nicht auf Kosten für ein Gutachten gemäß § 109 SGG.
 

Beachten Sie | Das SG Aachen betonte jüngst, dass Sozialgerichte Anträge gem. § 109 SGG ablehnen können, wenn die benannten Sachverständigen erklären, sehr lange Zeit für das Gutachten zu benötigen (13.5.16, S 6 R 147/14). Die Frage, wann ein solcher Zeitraum unzumutbar lang ist, ist nicht pauschal zu beantworten. Das SG sah hierfür die konkreten Umstände des Einzelfalls als maßgeblich an.

 

 

 

Weiterführende Hinweise

  • Vier neue Berufskrankheiten, SR 15, 129
  • Kniegelenksschäden eines Fliesenlegers nicht anerkannt, SR 14, 1
Quelle: Ausgabe 07 / 2016 | Seite 117 | ID 44061549