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· Fachbeitrag · Weisungsrecht des Arbeitgebers

Versetzung einer Krankenschwester rechtmäßig

von Assessorin jur. Petra Wronewitz, Bonn

| Das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes ist gerade für ältere Menschen unangenehm, vor allem, wenn es sich um FFP2-Masken handelt. Zudem ist ein zu langes Tragen dieser Masken gesundheitsschädlich, weshalb die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) bestimmte Richtwerte für das Tragen von FFP2-Masken empfiehlt. Diese Empfehlungen können in der Hochphase der Pandemie jedoch nicht an jedem Arbeitsplatz eingehalten werden. Die Versetzung einer Mitarbeiterin, die das zu lange Tragen kritisierte, an einen Arbeitsplatz, an dem eine zeitlich nicht so lange Maskenpflicht besteht, ist rechtmäßig, entschied das ArbG Herne). |

Sachverhalt

Eine Krankenschwester arbeitete seit dem Jahr 2000 für ihren Arbeitgeber, einen Krankenhausbetreiber. In den letzten fünf Jahren wurde sie auf der interdisziplinären Intensivstation eingesetzt.

 

Auf dieser Intensivstation werden auch an Covid-19 erkrankte Patienten behandelt, sodass von den Beschäftigten auf dieser Station bei sämtlichen pflegerischen Tätigkeiten Schutzmasken des Typs FFP2 getragen werden müssen.

 

Das Krankenhaus hatte unter Einbeziehung eines Betriebsarztes eine Gefährdungsbeurteilung zu den bei ihr zugrunde gelegten Tragezeiten von 120 Minuten mit einer nachfolgenden Tragepause von 15 Minuten für FFP2-Masken auch für den Bereich dieser interdisziplinären Intensivstation vorgenommen. Bei einer kürzeren Tragezeit würde nicht genügend Personal (insbesondere Fachkräfte) vorhanden sein, um den Krankenhausbetrieb aufrechterhalten zu können, weil zu viele Mitarbeiter in den entsprechenden Bereichen eingesetzt werden müssten. Ferner hatte der Arbeitgeber den Arbeitssicherheitsbeauftragten beteiligt und die Gefährdungsbeurteilung im Rahmen einer Ausschusssitzung zur Arbeitssicherheit unter Einbeziehung der Mitarbeitervertretung letztlich freigegeben.

 

Beachten Sie | Damit weichen die Trage- und Pausenzeiten für FFP2-Masken auf der Intensivstation für die dortigen Beschäftigten von den empfohlenen Richtwerten der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) ab, welche eine Tragezeit von 75 Minuten und eine Pausenzeit von 30 Minuten ausweisen.

 

Die Diskussion zwischen den Parteien verschärft sich

Aufgrund dieser verlängerten Tragezeiten kam es wiederholt zu Diskussionen zwischen der Krankenschwester und ihrem Arbeitgeber. Dieser bot ihr an, den Dienst auf einer anderen Station des Krankenhauses abzuleisten.

 

Denn dort sei kein durchgängiges Tragen einer FFP2-Maske erforderlich. Das lehnte die Mitarbeiterin ab und bewertete den Vorschlag als Drohung. Zugleich kündigte sie an, sich an ihre Gewerkschaft wegen notwendiger Maskenpausen wenden zu wollen.

 

Letzten Endes versetzte der Arbeitgeber die Krankenschwester auf eine onkologische Station. Finanzielle Einbußen erlitt sie dadurch nicht, bis auf die Intensivstationszulage in Höhe von rund 50 EUR, die nun nicht mehr gezahlt wurde. Gegen diese Versetzung klagte die Krankenschwester vor dem ArbG Herne (6.5.21, 4 Ca 2437/20, Abruf-Nr. 222403).

Entscheidungsgründe

Der Arbeitgeber hat sein Weisungs- und Direktionsrecht rechtmäßig ausgeübt. Die Krankenschwester muss weiterhin auf der onkologischen Station arbeiten.

 

Keine Beschränkung des Weisungsrechts

Aus dem Arbeitsvertrag der Krankenschwester ergab sich keine Beschränkung des Weisungsrechts des Arbeitgebers. Insbesondere lässt sich diesem Arbeitsvertrag nicht entnehmen, dass ein Arbeitseinsatz der Krankenschwester auf bestimmten Stationen des Krankenhauses erfolgen soll.

 

Beachten Sie | Durch den rund fünfjährigen Einsatz als Krankenschwester auf der interdisziplinären Intensivstation ist auch keine Einschränkung des Direktionsrechts eingetreten, dass künftig nur noch eine Beschäftigung auf dieser Station zulässig sein sollte. Nur beim Hinzutreten besonderer Umstände, aufgrund derer der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll, kann es durch konkludentes Verhalten zu einer vertraglichen Beschränkung der Ausübung des Direktionsrechts kommen. Solche Umstände trug die Krankenschwester aber nicht vor.

 

Arbeitgeber übte sein Ermessen korrekt aus

Das vertragliche Direktions- und Weisungsrecht des Arbeitgebers umfasst die Befugnis, die Krankenschwester nach Maßgabe des § 106 GewO, § 315 Abs. 1 BGB einem anderen Arbeitsort als dem bisherigen zuzuweisen. Dabei muss der Arbeitgeber im Falle der Versetzung sein Weisungsrecht jedoch nach billigem Ermessen ausüben.

 

MERKE | Billiges Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen.

 

Der Arbeitgeber hat sein Ermessen in diesem Fall korrekt ausgeübt. Die Krankenschwester hat wiederholt vorgetragen, dass sie die Tragezeiten der FFP-Masken nach den Richtlinien der DGUV einhalten möchte. Auf der onkologischen Station muss nicht durchgängig eine FFP2-Maske getragen werden. Deshalb kann dem persönlichen Interesse der Krankenschwester an ihrem Gesundheitsschutz dort eher Rechnung getragen werden. Durch die Versetzung wird sich vermutlich das entsprechende Konfliktpotenzial in der Intensivabteilung hinsichtlich der Maskentrage- und Maskenpausenzeiten maßgeblich reduzieren lassen.

Relevanz für die Praxis

„Maskenfälle“ werden die Gerichte noch häufiger beschäftigen. Gerade ältere Arbeitnehmer haben oftmals mehr unter dem Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes zu leiden.

 

Gesundheitsschutz und Arbeitnehmerinteressen

Dabei bewegen sich die Parteien stets in dem Spannungsverhältnis zwischen den Interessen des Einzelnen und dem Anspruch der Allgemeinheit auf umfassenden Gesundheitsschutz. Der Arbeitgeber muss immer eine Abwägung treffen.

 

PRAXISTIPP | Der vorliegende Fall zeigt, dass eine Versetzung als verhältnismäßig milde Maßnahme den Arbeitsvertragsparteien ermöglicht, das Arbeitsverhältnis ‒ von Fragen des Gesundheitsschutzes unbelastet ‒ fortzusetzen, gerade auch in Zeiten besonderer Herausforderungen für das Gesundheitssystem.

 
Quelle: Ausgabe 08 / 2021 | Seite 130 | ID 47506235