· Fachbeitrag · Arbeitgeberleistungen
Fahrkarte auch für Auswärtstätigkeit oder Familienheimfahrt ‒ Steuerfreiheit richtig prüfen
von StB Dipl.-Finw. (FH) Susanne Weber, WTS Steuerberatungsges. mbH, München
| Das BMF hat die Regeln zur Gestellung von Job-Tickets und zur Privatnutzung im ÖPNV nach § 3 Nr. 15 EStG veröffentlicht ( LGP 10/2019, Seite 166 ). Das Schreiben zeigt u. a. auf, wie zu verfahren ist, wenn der Arbeitnehmer eine Fahrkarte auch für Dienstreisen oder wöchentliche Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung nutzt. LGP erläutert die Regeln und zeigt, welche Möglichkeiten der Arbeitgeber bei Gestellung einer BahnCard 100 hat, damit diese steuerfrei bleibt. Außerdem erfahren Sie die Details bei der Entfernungspauschale und zu den Nachweispflichten. |
Nutzung zu Auswärtstätigkeit oder Familienheimfahrt
Es gibt Fälle, in denen der Arbeitnehmer eine Fahrkarte, die er für die Fahrt Wohnung/erste Tätigkeitsstätte angeschafft oder vom Arbeitgeber erhalten hat, auch für Fahrten im Rahmen von Dienstreisen (Auswärtstätigkeiten) oder wöchentlichen Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung nutzt. In dem Fall ist die Arbeitgeberleistung nach Dienstreisegrundsätzen steuerfrei (§ 3 Nr. 13 oder 16 EStG), soweit sie auf diese Fahrten entfällt. Die Steuerfreistellung nach § 3 Nr. 13 oder 16 EStG hat dabei Vorrang gegenüber der nach § 3 Nr. 15 EStG, so das BMF (Schreiben vom 15.08.2019, Az. IV C 5 ‒ S 2342/19/10007 :001, Rz. 14, Abruf-Nr. 210780).
Amortisationsprognose
Der Arbeitgeber kann mit einer Prognoserechnung prüfen, ob die Fahrkarte bereits bei der Beschaffung insgesamt steuerfrei belassen werden kann (siehe nachfolgend 1. bis 3.).
1. Prognostizierte Vollamortisation durch Fahrten nach § 3 Nr. 13 oder 16 EStG
Die Prognose zum Zeitpunkt der Hingabe der Fahrkarte (z. B. Bahncard 100) kann ergeben, dass
- die Summe aus den ersparten Kosten für Einzelfahrscheine, die ohne Nutzung der Fahrkarte während deren Gültigkeitsdauer für die Fahrten im Rahmen einer Dienstreise (Auswärtstätigkeit) oder wöchentliche Familienheimfahrten bei doppelter Haushaltsführung anfallen würden,
- die Kosten der Fahrkarte erreichen oder übersteigen (prognostizierte Vollamortisation ohne § 3 Nr. 15 EStG). Dann ist die Überlassung der Fahrkarte in voller Höhe als Reisekosten bzw. Kosten für doppelte Haushaltsführung steuerfrei. Die Nutzungsmöglichkeiten darüber hinaus sind unbeachtlich.
Tritt die prognostizierte Vollamortisierung aus unvorhersehbaren Gründen (z. B. Krankheit oder Verschiebung von Dienstreisen) nicht ein, muss nicht nachversteuert werden.
Ändern sich aber die der Prognose zugrunde liegenden Annahmen grundlegend (z. B. Wechsel vom Außendienst in den Innendienst), muss eine Korrektur und ggf. Nachversteuerung für den noch nicht abgelaufenen Gültigkeitszeitraum erfolgen (BMF, Schreiben vom 15.08.2019, Rz. 15).
Eine solche Prognose hat die Finanzverwaltung bereits in der Vergangenheit bei der Frage zugelassen, ob eine Bahncard (25/50/100) als Reisekosten steuerfrei vom Arbeitgeber erstattet oder zur Verfügung gestellt werden kann (z. B. OFD Frankfurt a. M., Verfügung vom 31.07.2017, Az. S 2334 A ‒ 80 ‒ St 222, Abruf-Nr. 196491, LGP 5/2018, Seite 75, Abruf-Nr. 45140566). Neu ist die Regelung, dass eine neue Prognose für den Rest der Gültigkeitsdauer erforderlich ist, wenn sich die zugrunde liegenden Annahmen grundlegend ändern.
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Der Arbeitgeber erstattet einem Arbeitnehmer mit Familienwohnsitz in Hannover und erster Tätigkeitsstätte in Nürnberg eine Bahncard 100 zum Preis von 4.395 Euro für seine wöchentliche Familienheimfahrt im Rahmen der doppelten Haushaltsführung. Einzelfahrkarten würden regulär 237 Euro (hin und zurück) kosten.
Ergebnis: Die Bahncard 100 wird sich nach 18,5 Fahrten amortisiert haben und kann daher steuerfrei erstattet werden. Dass der Arbeitnehmer mit der Bahncard 100 auch sonstige Privatfahrten und ggf. auch Fahrten Wohnung/Arbeitsstätte durchführen kann, ist unbeachtlich. Der Wert der Bahncard muss als steuerfreie Vergütung bei doppelter Haushaltsführung in Zeile 21 der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung eingetragen werden. |
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Der Arbeitgeber erstattet einem Arbeitnehmer mit erster Tätigkeitsstätte in Hamburg eine Bahncard 100 zum Preis von 4.395 Euro, weil der Arbeitnehmer an zwei Tagen pro Woche an einem anderen Standort des Arbeitgebers in Berlin tätig sein soll. Einzelfahrkarten für die Strecke Hamb‒Berlin würden regulär 174 Euro (hin und zurück) kosten.
Ergebnis: Die Bahncard 100 wird sich nach 25 Fahrten amortisiert haben und kann steuerfrei erstattet werden. Dass der Arbeitnehmer mit der Bahncard 100 auch sonstige Privatfahrten und ggf. auch Fahrten Wohnung/Arbeitsstätte oder Familienheimfahrten bei doppelter Haushaltsführung durchführen kann, ist unbeachtlich. Der Wert der Bahncard muss nicht in der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung angegeben werden. Denn bei Dienstreisen (Auswärtstätigkeiten) sind nur die steuerfrei erstatteten Verpflegungspauschalen zu bescheinigen. |
2. Prognostizierte Vollamortisation unter Einbezug von § 3 Nr. 15 EStG
Die Arbeitgeberleistung ist auch insgesamt steuerfrei, wenn die Prognose zum Zeitpunkt der Hingabe der Fahrkarte ergibt, dass die Summe
- aus den ersparten Kosten für Einzelfahrscheine, die ohne Nutzung der Fahrkarte während deren Gültigkeitsdauer für die Fahrten im Rahmen einer Dienstreise (Auswärtstätigkeit) oder wöchentliche Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung anfallen würden und
- dem regulären Verkaufspreis einer Fahrkarte für die Strecke Wohnung/erste Tätigkeitsstätte für den entsprechenden Gültigkeitszeitraum
die Kosten der Fahrkarte erreicht oder übersteigt.
Die Arbeitgeberleistung ist vorrangig als Reisekosten oder Mehraufwendungen bei doppelter Haushaltsführung steuerfrei nach § 3 Nr. 13 oder 16 EStG in Höhe der prognostizierten ersparten Kosten für Einzelfahrscheine, die ohne Nutzung der Fahrkarte während deren Gültigkeitsdauer für Dienstreisen (Auswärtstätigkeiten) oder Familienheimfahrten anfallen würden. Im Übrigen ist sie nachrangig steuerfrei nach § 3 Nr. 15 EStG als Kosten für die Fahrten Wohnung/erste Tätigkeitsstätte. Auf den Umfang der späteren tatsächlichen Nutzung und die darüber hinaus gehenden privaten Nutzungsmöglichkeiten kommt es nicht an.
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Der Arbeitgeber stellt dem Arbeitnehmer mit erster Tätigkeitsstätte in Düsseldorf und Wohnort in Duisburg eine Bahncard 100 zum Preis von 4.395 Euro zur Verfügung. Nach der Prognose werden die ersparten Kosten für Einzelfahrscheine für Dienstreisen im Gültigkeitszeitraum der Bahncard 3.000 Euro betragen. Der reguläre Fahrpreis für eine Jahresfahrkarte mit der Bahn (inkl. ICE) für die Strecke Duisburg-Düsseldorf beträgt 1.558 Euro.
Ergebnis: Nach der Prognose werden die tatsächlichen Fahrtkosten für Dienstreisen (3.000 Euro) und Fahrten Wohnung/erste Tätigkeitsstätte (1.558 Euro) die Kosten für die Bahncard 100 (4.395 Euro) übersteigen. Die Bahncard kann dem Arbeitnehmer steuerfrei gestellt werden. Sie stellt in Höhe der prognostizierten Kosten für Dienstreisen (3.000 Euro) nach § 3 Nr. 13 oder 16 steuerfreien Reisekostenersatz dar. Der verbleibende Betrag (1.395 Euro) entfällt auf die Fahrten Wohnung/erste Tätigkeitsstätte und ist nach § 3 Nr. 15 EStG steuerfrei. Dieser Betrag muss in der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung in Zeile 17 bescheinigt werden. |
Tritt die prognostizierte Vollamortisation aus unvorhersehbaren Gründen (z. B. Krankheit oder Verschiebung von Dienstreisen) nicht ein, muss nicht nachversteuert werden. Ändern sich aber die der Prognose zugrunde liegenden Annahmen grundlegend (z. B. Wechsel vom Außen- in den Innendienst), muss eine Korrektur und ggf. Nachversteuerung für den noch nicht abgelaufenen Gültigkeitszeitraum erfolgen (BMF, Schreiben vom 15.08.2019, Rz. 16).
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Nach dem Ablauf der Gültigkeitsdauer der Bahncard 100 stellt sich heraus, dass entgegen der Prognose aus unvorhersehbaren Gründen die ersparten Kosten für Fahrten bei Dienstreisen nur 2.500 Euro betragen haben.
Ergebnis: Dass die prognostizierte Vollamortisation nicht eingetreten ist (2.500 Euro + 1.558 Euro = 4.058 Euro), ist unerheblich und führt nicht zu einer Nachversteuerung bzw. Änderung der nach § 3 Nr. 15 EStG steuerfreien Arbeitgeberleistung. Es ist auch keine Änderung der Lohnsteuerbescheinigung erforderlich (BMF, Schreiben vom 15.08.2019, Rz. 17). |
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Nach dem Ablauf der Gültigkeitsdauer der Bahncard 100 stellt sich heraus, dass entgegen der Prognose aus unvorhersehbaren Gründen die ersparten Kosten für Fahrten bei Dienstreisen 4.000 Euro betragen haben.
Ergebnis: Nach dem BMF-Schreiben sind die prognostizierten Beträge weiter maßgebend. Eine unvorhersehbare Erhöhung der Kosten, die für Dienstreisen angefallen wären, führt nicht zu einer Änderung der Prognose. Es bleibt dabei, dass ein Betrag von 1.395 Euro in Zeile 17 der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung bescheinigt werden muss. Etwas anderes gilt nur, wenn die der Prognose zugrunde liegenden Annahmen sich grundlegend ändern und deshalb während der Gültigkeitsdauer eine neue Prognose für die Restlaufzeit der Bahncard erstellt wurde (BMF, Schreiben vom 15.08.2019, Rz. 18). |
In den Beispielsfällen im BMF-Schreiben wird (wie selbstverständlich) davon ausgegangen, dass am Ende der Laufzeit der Bahncard 100 die Kosten, die für Dienstreisen angefallen wären, bekannt sind. Tatsächlich ist dies nur der Fall, wenn der Arbeitnehmer während der Gültigkeitsdauer der Bahncard Aufzeichnungen über die Kosten für Bahnfahrten führt, die angefallen wären. Eine Pflicht hierzu ergibt sich aus dem BMF-Schreiben jedoch nicht.
3. Prognostizierte Teilamortisation durch Fahrten nach § 3 Nr. 13 oder 16 EStG
Ergibt die Prognose zum Zeitpunkt der Beschaffung der Fahrkarte, dass die Summe
- aus den ersparten Kosten für Einzelfahrscheine, die ohne Nutzung der Fahrkarte während deren Gültigkeitsdauer für die steuerlich begünstigten Fahrten im Rahmen einer Dienstreise (Auswärtstätigkeit) oder wöchentliche Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung anfallen würden und
- dem regulären Verkaufspreis einer Fahrkarte für die Strecke Wohnung/erste Tätigkeitsstätte für den entsprechenden Gültigkeitszeitraum
die Kosten der Fahrkarte nicht erreicht, handelt es sich um eine prognostizierte Teilamortisation. In dem Fall stellt die Überlassung der Fahrkarte bzw. die Kostenerstattung hierfür zunächst in voller Höhe steuerpflichtigen Arbeitslohn dar. Sie kann insoweit steuerfrei belassen werden, als die Voraussetzungen für eine Steuerfreistellung nach § 3 Nr. 15 EStG vorliegen. Im Übrigen ist die Überlassung der Fahrkarte bzw. die Kostenerstattung hierfür lohnsteuerpflichtig (BMF, Schreiben vom 15.08.2019, Rz. 19).
Die Fahrtkosten, die während der Gültigkeitsdauer der Fahrkarte durch deren tatsächliche Nutzung für Fahrten im Rahmen einer Dienstreise (Auswärtstätigkeit) oder für wöchentliche Familienheimfahrten bei einer doppelten Haushaltsführung erspart wurden, können zusätzlich monatsweise oder auch am Ende des Gültigkeitszeitraums als Korrekturbetrag den steuerpflichtigen Arbeitslohn mindern. Hierzu kann der dann feststehende steuerfreie Erstattungsanspruch als negativer Arbeitslohn vom Steuerbrutto abgezogen werden. Wurde die Überlassung einer Fahrkarte als Sachzuwendung nach § 37b EStG pauschal versteuert, kann diese insoweit rückgängig gemacht werden.
PRAXISTIPP | Wurde die Überlassung einer Fahrkarte als Sachzuwendung nach § 37b EStG pauschal versteuert, kann dies insoweit rückgängig gemacht werden. Bei prognostizierter Teilamortisation bleibt der auf die Strecke Wohnung/erste Tätigkeitsstätte entfallende Teil der Fahrkarte auf jeden Fall steuerfrei und muss entsprechend in der Lohnsteuerbescheinigung angegeben werden (zum Jahreswechsel ggf. anteilig). Aus dem Grund wird es im BMF-Schreiben als ausreichend angesehen, wenn die nachträgliche Steuerfreistellung für Dienstreisen (Auswärtstätigkeiten) und wöchentliche Familienheimfahrten bei doppelter Haushaltsführung erst am Ende der Gültigkeitsdauer der Fahrkarte berücksichtigt wird. Eine Korrektur zum Ende des Kalenderjahrs wird nicht für erforderlich gehalten. |
Für die Ermittlung des Korrekturbetrags können aus Vereinfachungsgründen die ersparten Reisekosten für Einzelfahrscheine, maximal jedoch die verbleibenden Kosten für die Fahrkarte, zugrunde gelegt werden. Die nach § 3 Nr. 15 EStG steuerfreien Leistungen ändern sich dadurch nach dem BMF-Schreiben nicht, sie müssen weiter in Zeile 17 der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung eingetragen werden (BMF, Schreiben vom 15.08.2019, Rz. 20).
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Der Arbeitgeber stellt dem Arbeitnehmer mit erster Tätigkeitsstätte in Düsseldorf und Wohnort in Duisburg eine Bahncard 100 zum Preis von 4.395 Euro mit Gültigkeitszeitraum vom 01.01.bis 31.12. zur Verfügung. Nach einer Prognose werden die ersparten Kosten für Einzelfahrscheine für Dienstreisen im Gültigkeitszeitraum der Bahncard 2.500 Euro betragen. Der reguläre Fahrpreis für eine Jahresfahrkarte mit der Bahn (inkl. ICE) zwischen Duisburg und Düsseldorf beträgt 1.558 Euro.
Ergebnis: Der Arbeitgeber prognostiziert eine Teilamortisation, weil die tatsächlichen Fahrtkosten für Dienstreisen (2.500 Euro) und Fahrten Wohnung/erste Tätigkeitsstätte (1.558 Euro) die Kosten für die Bahncard 100 (4.395 Euro) nicht erreichen werden. Er kann daher die Bahncard dem Arbeitnehmer nur in Höhe der auf die Fahrten Wohnung/erste Tätigkeitsstätte entfallenden Kosten (1.558 Euro) steuerfrei zur Verfügung stellen. Den Restbetrag in Höhe von 2.837 Euro muss er als geldwerten Vorteil versteuern. |
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Tatsächlich ergeben sich im Laufe der Gültigkeitsdauer für dienstliche Fahrten des Arbeitnehmers ersparte Kosten der Einzelfahrscheine in Höhe von 4.000 Euro.
Ergebnis: Der Arbeitgeber kann (monatlich oder am Ende der Gültigkeitsdauer der Bahncard 100 bzw. spätestens zum Ende des Kalenderjahrs) den steuerpflichtigen Arbeitslohn in Höhe der bis dahin durch die tatsächliche Nutzung der Bahncard 100 für Dienstreisen (Auswärtstätigkeiten) ersparten Kosten der Einzelfahrscheine mindern. Diese Minderung ist aber begrenzt auf die Kosten der Bahncard 100, die nicht auf die Fahrten Wohnung/erste Tätigkeitsstätte entfallen. Danach ergibt sich noch eine steuerfreie Reisekostenerstattung in Höhe von 2.837 Euro ‒ neben den bereits steuerfrei belassenen Arbeitgeberleistungen nach § 3 Nr. 15 EStG in Höhe von 1.558 Euro (BMF, Schreiben vom 15.08.2019, Rz. 21). |
Wichtig | Diese Lösung im Beispiel des BMF steht u. E. im Widerspruch zu Tz. 14 des BMF-Schreibens. Denn diese besagt, dass die Steuerfreiheit für Dienstreisen/wöchentliche Heimfahrten bei einer doppelten Haushaltsführung vorrangig vor der Steuerfreiheit für die Fahrten Wohnung/erste Tätigkeitsstätte zu berücksichtigen ist.
Verzicht auf eine Amortisationsprognose
Führt der Arbeitgeber keine Amortisationsprognose durch, stellt die Überlassung der Fahrkarte zunächst in voller Höhe steuerpflichtigen Arbeitslohn dar. Die ersparten Kosten
- für Einzelfahrscheine, die ohne Nutzung der Fahrkarte während deren Gültigkeitsdauer für die steuerlich begünstigten Fahrten im Rahmen einer Dienstreise (Auswärtstätigkeit) oder wöchentliche Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung angefallen wären, und
- für den regulären Verkaufspreis einer Fahrkarte für die Strecke zwischen Wohnung/erste Tätigkeitsstätte, die für den entsprechenden Gültigkeitszeitraum entstanden wären (Fahrten im Sinne des § 3 Nr. 15 EStG),
sind am Ende des Kalenderjahrs der Gültigkeit der Fahrkarte als Korrekturbetrag beim steuerpflichtigen Arbeitslohn mindernd zu berücksichtigen.
Bei einer Gültigkeit der Fahrkarte über den Jahreswechsel hinaus sowie bei einer mehrjährigen Gültigkeitsdauer ist der Korrekturbetrag zum Ende eines jeden Kalenderjahrs sowie zum Ende des Gültigkeitszeitraums zu ermitteln
- anhand der in dem jeweiligen Zeitraum durchgeführten Fahrten für Dienstreisen (Auswärtstätigkeiten) bzw. wöchentlichen Heimfahrten bei einer doppelten Haushaltsführung sowie
- anhand des zeitanteiligen regulären Verkaufspreises einer Fahrkarte für die Strecke Wohnung/erste Tätigkeitsstätte.
Dabei hat die Steuerfreistellung nach § 3 Nr. 13 oder 16 EStG Vorrang gegenüber der Steuerfreistellung nach § 3 Nr. 15 EStG. Die Summe der Korrekturbeträge kann insgesamt höchstens bis zum Betrag des steuerpflichtigen Arbeitslohns mindernd berücksichtigt werden.
Eine Änderung der sich für abgelaufene Kalenderjahre nach § 3 Nr. 15 EStG ergebenden Korrekturbeträge ist nach dem BMF-Schreiben nicht zulässig. Dies gilt auch, wenn sich in nachfolgenden Kalenderjahren in großem Umfang dienstliche Fahrten ergeben, die nach § 3 Nr. 13 oder 16 EStG begünstigt sind (BMF, Schreiben vom 15.08.2019, Rz. 22).
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Der Arbeitgeber überlässt dem Arbeitnehmer mit Wohnsitz in Duisburg und erster Tätigkeitsstätte in Düsseldorf eine Bahncard 100, die er zum Preis von 4.395 Euro erworben hat. Die Bahncard ist vom 01.10.2019 bis 30.09.2020 gültig. Eine Prognoseberechnung führt der Arbeitgeber nicht durch. Der reguläre Fahrpreis einer Jahresbahnfahrkarte für die Strecke Duisburg-Düsseldorf (inkl. ICE) beträgt 1.558 Euro. Zum Ende des Kalenderjahrs 2019 ergibt sich anhand der vom Arbeitnehmer geführten Aufzeichnungen, dass für Dienstreisen Fahrkarten in Höhe von 500 Euro gekauft hätten werden müssen. Für das Kalenderjahr 2020 wären für Fahrten im Rahmen von Dienstreisen 1.500 Euro angefallen. |
Ergebnis: Der Arbeitgeber nimmt keine Prognoseberechnung vor. Daher führt die Überlassung der Bahncard im Jahr 2019 in Höhe von 4.395 Euro zu einem steuerpflichtigen geldwerten Vorteil. Zum Ende des Kalenderjahrs 2019 kann der Arbeitgeber die ersparten Kosten der Einzelfahrscheine für Dienstreisen nach § 3 Nr. 13 oder 16 EStG in Höhe von 500 Euro und den anteiligen regulären Preis der Jahresfahrkarte für die Strecke Wohnung/erste Tätigkeitsstätte nach § 3 Nr. 15 EStG in Höhe von 390 Euro (= 3/12 von 1.558 Euro) als negativen Arbeitslohn berücksichtigen. Die nach § 3 Nr. 15 EStG steuerfreie Leistung in Höhe von 390 Euro muss in Zeile 17 der Lohnsteuerbescheinigung 2019 eingetragen werden.
Zum Ende des Gültigkeitszeitraums der Bahncard 100 (30.09.2020) kann der Arbeitgeber den steuerpflichtigen Arbeitslohn um folgende Beträge mindern:
Die Summe der Korrekturbeträge beträgt 3.558 Euro (500 Euro + 390 Euro + 1.500 Euro + 1.168 Euro) und übersteigt nicht die Höhe des steuerpflichtigen Arbeitslohns im Jahr 2019 von 4.395 Euro (BMF, Schreiben vom 15.08.2019, Rz. 23). |
Arbeitgeberleistungen auf Entfernungspauschale anrechnen
Die Minderung der steuerfreien Arbeitgeberleistungen erfolgt von der abziehbaren Entfernungspauschale, die nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 2 EStG ermittelt wurde, d. h. nach Beachtung der 4.500-Euro-Grenze.
§ 3c Abs. 1 EStG ist ebenfalls zu beachten. Sprich: Soweit der Arbeitgeber die Kosten für eine Fahrkarte steuerfrei erstattet hat, darf die Entfernungspauschale nicht mehr als Werbungskosten abgezogen werden (BMF, Schreiben vom 15.08.2019, Rz. 32).
Der Arbeitgeber muss die nach § 3 Nr. 15 EStG steuerfreie Leistung grundsätzlich individuell für jeden Arbeitnehmer ermitteln und in Zeile 17 der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung bescheinigen. Bietet er gleichartige Fahrberechtigungen allen seinen Arbeitnehmern an und zahlt hierfür an den Verkehrsträger einen pauschalen Preis pro Arbeitnehmer, kann er zur Ermittlung des Minderungsbetrags für den einzelnen Arbeitnehmer seine Gesamtaufwendungen einschließlich USt nach Köpfen auf die Anzahl aller Arbeitnehmer aufteilen, unabhängig davon, wie viele die Fahrberechtigungen annehmen oder auf sie verzichten (BMF, Schreiben vom 15.08.2019, Rz. 33).
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Ein Arbeitgeber schließt mit einem regionalen Verkehrsträger einen Vertrag, wo-nach alle 50 Arbeitnehmer eine Fahrkarte für den gesamten Verkehrsbund erhalten sollen. Hierfür zahlt er 30.000 Euro inkl. USt an den Verkehrsträger (pro Arbeitnehmer pauschal 600 Euro im Kalenderjahr).
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Ergebnis: Der Arbeitgeber teilt seine Aufwendungen einschließl. USt von 30.000 Euro durch die Anzahl der Arbeitnehmer und weist bei jedem Arbeitnehmer, der auf die Fahrkarte nicht wirksam verzichtet hat, 600 Euro in Zeile 17 der Lohnsteuerbescheinigung aus, unabhängig von der tatsächlichen Nutzung.
Die Überlassung der Jahreskarten ist bei A und B steuerfrei nach § 3 Nr. 15 EStG, weil es sich um eine Fahrkarte für den ÖPNV handelt. Die Entfernungspauschale ist bei A und B um 600 Euro maximal bis auf null Euro zu kürzen.
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Arbeitnehmer A fährt an 220 Tagen von seiner Wohnung mit dem Auto 30 km zum Bahnhof Villingen-Schwenningen und von dort 100 km mit der Bahn zur ersten Tätigkeitsstätte in Stuttgart. Die kürzeste Straßenverbindung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte beträgt 110 km. Der Arbeitgeber überlässt dem Arbeitnehmer eine Jahreskarte der Bahn 1. Klasse ausschließlich für die Strecke Wohnung/erste Tätigkeitsstätte im Wert von 4.693 Euro. Diesen Betrag weist der Arbeitgeber in der Zeile 17 der Lohnsteuerbescheinigung aus.
Ergebnis: Die Überlassung der Jahreskarte ist steuerfrei nach § 3 Nr. 15 EStG. Von der maßgeblichen Entfernung von 110 km entfällt eine Teilstrecke von 30 km auf Fahrten mit dem Auto und eine Teilstrecke von 80 km auf die Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Es ergibt sich folgende Entfernungspauschale:
Die Entfernungspauschale beträgt somit insgesamt 6.480 Euro (1.980 Euro + 4.500 Euro). Von diesem Gesamtbetrag sind die nach § 3 Nr. 15 EStG steuerfreien Aufwendungen für die Jahreskarte in Höhe von 4.693 Euro abzuziehen. Damit verbleibt eine Entfernungspauschale von 1.787 Euro (6.480 Euro ./. 4.693 Euro) (BMF, Schreiben vom 15.08.2019, Rz. 35). |
Wichtig | Das BMF-Schreiben enthält als Beispiel 8 einen weiteren Fall, in dem einem Arbeitnehmer für eine Zugstrecke von 40 Kilometern eine Fahrkarte mit einem Preis 4.600 Euro steuerfrei erstattet wurde, was u. E. nicht vorstellbar ist. Es kann sich hierbei allenfalls um eine Bahncard 100 handeln, die nur bei entsprechender Prognose für Dienstreisefahrten steuerfrei bleiben kann (BMF, Schreiben vom 15.08.2019, Rz. 36).
Aufzeichnungs- und Nachweispflichten
Für die Aufzeichnung der steuerfreien Arbeitgeberleistungen im Lohnkonto gilt Folgendes:
- Überlässt der Arbeitgeber eine Fahrkarte für den ÖPNV oder für den Personenfernverkehr, die nur zur Nutzung für die Strecke zwischen Wohnung/erste Tätigkeitsstätte berechtigt, muss er den Beleg für die erworbene Fahrkarte als Beleg zum Lohnkonto aufbewahren.
- Geht die Fahrkarte für den Personenfernverkehr über die Strecke Wohnung/erste Tätigkeitsstätte hinaus oder wird sie auch für Dienstreisen (Auswärtstätigkeiten) oder wöchentliche Familienheimfahrten bei doppelter Haushaltsführung genutzt, müssen zusätzlich Nachweise zur Ermittlung des nach § 3 Nr. 15 EStG steuerfreien Betrags (z. B. Prognoseberechnung für Nutzung einer Bahncard zu Dienstreisen) als Beleg zum Lohnkonto aufbewahrt werden. Das Gleiche gilt, wenn der Arbeitgeber eine Bahncard 100 überlässt oder erstattet, auf die Amortisationsprognose verzichtet und im Nachhinein die fiktiven Kosten für Dienstreisen (Auswärtstätigkeiten) oder wöchentliche Familienheimfahrt bei doppelter Haushaltsführung als negativen Arbeitslohn berücksichtigt (BMF, Schreiben vom 15.08.2019, Rz. 40 und 41).
- Erstattet der Arbeitgeber die Aufwendungen für die vom Arbeitnehmer selbst beschafften Fahrkarten, müssen die Fahrkarten oder entsprechende Belege (z. B. Rechnungen über den Erwerb eines Fahrausweises oder eine Bestätigung des Verkehrsträgers über den Bezug eines Jobtickets) als Belege zum Lohnkonto aufbewahrt werden. Der Zuschuss darf dabei die Aufwendungen des Arbeitnehmers einschließl. Umsatzsteuer für die entsprechenden Fahrkarten nicht übersteigen (BMF, Schreiben vom 15.08.2019, Rz. 39).
Anwendungsregelung für BMF-Schreiben
Das BMF-Schreiben ist seit dem 01.01.2019 anzuwenden.
Hat der Arbeitgeber von der Steuerfreiheit des § 3 Nr. 15 EStG aktuell noch keinen Gebrauch gemacht, sondern pauschaliert die Arbeitgeberleistungen weiterhin nach § 40 EStG oder § 37b EStG oder belässt als Sachzuwendung gewährte Vergünstigungen im Rahmen der monatlichen 44-Euro-Sachbezugsfreigrenze steuerfrei, kann dies auch bis zum 31.12.2019 fortgeführt werden. Bei Anwendung des § 40 EStG müssen die pauschal besteuerten Beträge dann in der Zeile 18 der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung bescheinigt werden (BMF, Schreiben vom 15.08.2019, Rz. 43).
Hat der Arbeitnehmer eine Fahrkarte vor dem 01.01.2019 erworben, für die er auch nach dem 01.01.2019 noch Zahlungen erbringt (z. B. Abo mit monatlicher Zahlung), können die Zuschüsse des Arbeitgebers ab dem 01.01.2019 nach § 3 Nr. 15 EStG steuerfrei bleiben. Hat der Arbeitnehmer seine Fahrkarte aber bereits vor dem 01.01.2019 bezahlt (z.B. Abo mit Einmalzahlung, Jahresticket), können im Jahr 2019 keine steuerfreien Zuschüsse geleistet werden, auch wenn die Fahrkarte 2019 noch gültig ist (BMF, Schreiben vom 15.08.2019, Rz. 44 und 45).
Weiterführender Hinweis
- Beitrag „BMF konkretisiert Steuerfreiheit von Job-Tickets und Privatfahrten im ÖPNV“, LGP 10/2019, Seite 166 → Abruf-Nr. 46135287