· Fachbeitrag · Arbeitsrecht
Das 1x1 im Mutterschutz, der Elternzeit und des Elterngelds ‒ Teil 2
von Dr. Guido Mareck, stellvertr. Direktor Arbeitsgericht Dortmund
| Zum 1.9.21 ändert sich einiges im BEEG. Ein Grund mehr, sich generell mit dem Thema Mutterschutz, Elternzeit und Elterngeld zu beschäftigen. In Teil 1 ging es um den Mutterschutz und -lohn, das Beschäftigungsverbot und was in der Schwangerschaft gilt. Teil 2 widmet sich den Fragen rund um das Elterngeld und die Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis. |
1. Das Elterngeld
Voraussetzungen für den Elterngeldbezug sind:
- Wohnsitz in Deutschland oder mindestens Aufenthalt in Deutschland,
- Mit dem Kind Zusammenleben im eigenen Haushalt,
- Betreuung des Kindes,
- Erziehung des Kindes,
- Keine oder zumindest keine volle Erwerbstätigkeit.
Beim Elterngeld gilt die Inlandsversteuerung. Es erfolgt eine Abschmelzung des Elterngelds von 67 Prozent auf 65 Prozent oberhalb eines Nettoverdiensts von 1.200 EUR vor der Geburt. Zwischen dem Nettoverdienst vor der Geburt von 1.200 EUR und 1.240 EUR beträgt die Abschmelzung 0,1 Prozent je 2 EUR Einkommen. Bei Elterngeld oberhalb des Nettoverdiensts von 1.240 EUR wird eine Abschmelzung auf 65 Prozent vorgenommen. Der Höchstbetrag ist 1.800 EUR monatlich (§ 2 Abs. 1 S. 1 BEEG).
PRAXISTIPP | Derzeit gilt: Ab einem zu versteuernden Einkommen von 250.000 (alleinstehend), bzw. 500.000 EUR (Ehepaar) hat man keinen Anspruch auf Elterngeld. Ab dem 1.9.21 gilt nach der Splittingtabelle eine Deckelung auf 300.000 EUR.
Beträgt das Nettoentgelt vor der Geburt weniger als 1.000 EUR, bekommen Geringverdiener nicht 67 Prozent ihres Nettoeinkommens, sondern mehr als 67 Prozent. Der Prozentsatz erhöht sich um 0,1 Prozent je 2 EUR, um die das maßgebliche Einkommen den Betrag von 1.000 EUR unterschreitet, auf bis zu 100 Prozent. |
Das Elterngeld wird auch für die Monate gezahlt, in denen der betreuende Elternteil die Erwerbstätigkeit nicht vollständig unterbricht, sondern sie auf bis zu 30 Stunden wöchentlich einschränkt. Ab dem 1.9.21 sind es dann 32 Stunden. Die Höhe des Elterngelds errechnet sich auch in diesem Fall aus dem tatsächlichen Einkommensausfall. Als berücksichtigungsfähiges Einkommen vor der Geburt wird höchstens ein Einkommen von 2.770 EUR netto berücksichtigt ‒ daher maximal 1.800 EUR Elterngeld. Es gibt das Basis-Elterngeld, das ElterngeldPlus und den Partnerschaftsbonus:
- Basis-Elterngeld: 65 Prozent des Einkommens-Unterschieds
- ElterngeldPlus ist die Hälfte des Basis-Elterngelds
- Der Partnerschaftsbonus wird während der Elternzeit bzw. Elternzeit-Plus gewährt, wenn die Eltern maximal 4 Monate gleichzeitig für mindestens 25 und maximal 30 Wochenstunden arbeiten und beide Elternteile elterngeldberechtigt nach § 1 BEEG sind. Ab dem 1.9.21 sind es mindestens 24 und maximal 32 Stunden.
Das BMFSFJ erklärt die drei Familienleistungen wie folgt:
a) Das Basis-Elterngeld
Den Eltern stehen gemeinsam insgesamt 14 Monate Basis-Elterngeld zu, wenn sich beide an der Betreuung beteiligen und den Eltern dadurch Einkommen wegfällt. Sie können die Monate frei untereinander aufteilen. Ein Elternteil kann dabei mindestens 2 und höchstens 12 Monate für sich in Anspruch nehmen. Alleinerziehende, die das Elterngeld zum Ausgleich des wegfallenden Erwerbseinkommens beziehen, können die vollen 14 Monate Elterngeld in Anspruch nehmen. Basis-Elterngeld können Eltern nur innerhalb der ersten 14 Lebensmonate des Kindes erhalten. Danach können sie nur noch das ElterngeldPlus oder den Partnerschaftsbonus beziehen.
b) Das ElterngeldPlus
Das ElterngeldPlus ist für Eltern konzipiert, die schon während des Elterngeldbezugs wieder in Teilzeit arbeiten wollen. Sie können damit länger als bisher Elterngeld in Anspruch nehmen. ElterngeldPlus können Eltern doppelt so lange bekommen wie Basis-Elterngeld, also maximal 28 Monate: Ein Monat Basis-Elterngeld entspricht 2 Monaten ElterngeldPlus. Wenn Eltern nach der Geburt nicht arbeiten, ist das ElterngeldPlus halb so hoch wie das Basis-Elterngeld. Wenn sie nach der Geburt in Teilzeit arbeiten, kann das monatliche ElterngeldPlus genauso hoch sein wie das monatliche Basis-Elterngeld mit Teilzeit.
c) Der Partnerschaftsbonus
Eltern, die sich für ein partnerschaftliches Zeitarrangement entscheiden, erhalten einen Partnerschaftsbonus: Sie bekommen 4 zusätzliche ElterngeldPlus-Monate, wenn sie in dieser Zeit gleichzeitig zwischen 25 und 30 Wochenstunden arbeiten. Ab 1.9.21 kann der Partnerschaftsbonus mit 24 bis 32 Wochenstunden bezogen werden. Die Regelung gilt auch für getrennt erziehende Eltern, die als Eltern gemeinsam in Teilzeit gehen. Alleinerziehenden steht der gesamte Partnerschaftsbonus zu.
PRAXISTIPP | Bei einer Frühgeburt (mindestens 6 Wochen vor dem errechneten Geburtsdatum) erhalten die Eltern zusätzliche Monate Elterngeld (keine zusätzliche Elternzeit). Ab dem 1.9.21 gilt:
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2. Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit
Der Anspruch auf Elternzeit besteht bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres eines Kindes (§ 15 Abs. 2 S. 1 BEEG). Das ist das Ende des Tages, der dem 4. Geburtstag des Kindes vorausgeht. Die Zeit der Mutterschutzfrist nach § 3 Abs. 2 und Abs. 3 MuSchG wird auf die Begrenzung nach § 15 Abs. 2 S. 1 und 2 BEEG angerechnet. Bei mehreren Kindern besteht der Anspruch auf Elternzeit für jedes Kind, auch wenn sich die Zeiträume überschneiden.
Nimmt die ArbN die Elternzeit im Anschluss an die Mutterschutzfrist oder im Anschluss an einen auf die Mutterschutzfrist folgenden Erholungsurlaub, werden die Zeit der Mutterschutzfrist (§ 3 Abs. 2 MuSchG) und die Zeit des Erholungsurlaubs auf den Zweijahreszeitraum angerechnet (§ 16 Abs. 1 S. 5 BEEG). Die Elternzeit bis zum vollendeten 3. Lebensjahr muss spätestens 7 Wochen vorher angemeldet, während die Elternzeit vom 3. Geburtstag bis zum vollendeten 8. Lebensjahr 13 Wochen vorher angemeldet werden muss (§ 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 BEEG).
PRAXISTIPP | Bei Überschneidung der Elternzeiten von zwei Kindern verfällt die Elternzeit für das jeweilige einzelne Kind nicht. |
Das Gesetz unterscheidet ausdrücklich zwischen der
- Vollendung des 3. Lebensjahres einerseits und
- dem 4. Geburtstag des Kindes andererseits.
Insofern ist die Vollendung des 3. Lebensjahres der Tag, der dem 4. Geburtstag vorausgeht. Dieser Unterschied wird an vielen Stellen getroffen. Er hängt u. a. mit der Möglichkeit einer späteren Inanspruchnahme der Elternzeit bis zu 24 Monate zusammen.
Nach § 15 Abs. 6 BEEG kann der ArbN gegenüber dem ArbG unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 7 BEEG während der Gesamtdauer der Elternzeit zweimal eine Verringerung seiner Arbeitszeit beanspruchen. Der Anspruch auf diese Elternteilzeit darf frühestens mit dem Verlangen nach Elternzeit erhoben werden. Eine gleichzeitige Inanspruchnahme von Elternzeit und Beantragung von Elternteilzeit ist deshalb zulässig und ggf. auch sinnvoll. Der Antrag kann aber auch später während des Laufs der Elternzeit gestellt werden. Dabei sind die Ankündigungsfristen zu beachten.
Voraussetzungen für den Teilzeitanspruch sind:
- Der ArbG beschäftigt, unabhängig von der Anzahl der Personen in Berufsbildung, in der Regel mehr als 15 ArbN (Kopfzahl entscheidend),
- das Arbeitsverhältnis besteht in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als 6 Monate,
- die vertraglich vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit soll für mindestens 2 Monate auf einen Umfang von nicht weniger als 15 und nicht mehr als 30 Wochenstunden reduziert werden. Änderung: Ab dem 1.9.21 gilt: „nicht mehr als 32 Wochenstunden.“,
- dem Anspruch stehen keine dringenden betrieblichen Gründe entgegen,
- der Anspruch wurde dem ArbG für den Zeitraum bis zum vollendeten 3. Lebensjahr des Kindes 7 Wochen und für den Zeitraum zwischen dem 3. Geburtstag und dem vollendeten 8. Lebensjahr des Kindes 13 Wochen (Altregelung: einheitlich 7 Wochen) vor Beginn der Teilzeittätigkeit schriftlich mitgeteilt (§ 15 Abs. 7 S. 1 Nr. 5a und b BEEG).
Daraus ergeben sich zwei Fallgruppen:
- Geplanter Beginn der Teilzeit innerhalb von 2 Jahren nach der Geburt und ggf. Fortdauer der Teilzeit bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres des Kindes = Es gilt eine Frist von 7 Wochen.
- Geplanter Beginn der Teilzeit erst nach Ablauf der 2 Jahre (im 3. Jahr oder im Übertragungszeitraum) = längere Frist von 13 Wochen.
Bei Anträgen mit zu kurzer Frist sind diese nicht unwirksam, sondern führen zu einem späteren Beginn der Elternteilzeit unter Wahrung der o. g. Fristen.
3. Beendigung der Elternzeit
Die vorzeitige Beendigung der Elternzeit erfolgt „automatisch“ bei
- Tod des Kindes (§ 16 Abs. 4 BEEG). Hier endet die Elternzeit spätestens 3 Wochen nach dem Tod des Kindes,
- Tod des Berechtigten (§ 16 Abs. 3 BEEG),
- Ende des Arbeitsverhältnisses z. B. durch Ablauf der Befristung,
- einvernehmlich mit Zustimmung des ArbG (§ 16 Abs. 3 S. 1 BEEG).
Die ArbN kann die Elternzeit auch gegen den Willen des ArbG einseitig verkürzen bzw. beendigen (§ 16 Abs. 3 S. 3 BEEG), wenn sie die Schutzfrist nach § 3 MuSchG in Anspruch nimmt. Dies muss sie dem ArbG rechtzeitig mitteilen. Was rechtzeitig ist, ist ungeklärt. Das Gesetz sieht keine feste Frist vor. Da der ArbG durch die Erklärung personell umdisponieren muss, ist auch hier von einer Mindestfrist von 4 Wochen auszugehen (strittig!). Die durch die vorzeitige Beendigung der Elternzeit nicht verbrauchte Elternzeit kann nach § 15 Abs. 2 S. 3 BEEG für bis maximal 24 Monate noch bis zum vollendeten 8. Lebensjahr eines Kindes in Anspruch genommen werden. Wäre dies aber die dritte Inanspruchnahme, hätte der ArbG ein Ablehnungsrecht nach § 16 Abs. 1 S. 7 BEEG aus dringenden betrieblichen Gründen.
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Die ArbN wird während der Elternzeit erneut schwanger; sie hat zu diesem Zeitpunkt erstmals 12 Monate Elternzeit in Anspruch genommen. Sie erklärt die vorzeitige Beendigung der Elternzeit zum Beginn der Schutzfristen und nimmt zum Ende der Schutzfrist Elternzeit für ihr zweites Kind in Anspruch. Ergebnis: Sie kann ohne Zustimmung die ihr noch zustehenden Monate für das erste Kind bis zur Vollendung des 8. Lebensjahres des Kindes übertragen. |
Abwandlung: Sie hat bereits zweimal Elternzeit innerhalb der 12 Monate in Anspruch genommen. Ergebnis: Der ArbG kann, weil eine dritte Inanspruchnahme vorliegt, ablehnen, wenn dringende betriebliche Gründe entgegenstehen. |
Für den ArbG ist es daher entscheidend, korrekt zu dokumentieren, welche Zeitabschnitte gebildet werden. Insgesamt besteht ein Anspruch auf 36 Monate Elternzeit. Diese kann in drei Blöcke aufgeteilt werden. Daher sollte der ArbG immer genau dokumentieren, für welches Kind (bei mehreren) der/die ArbN gerade die Elternzeit nimmt.
4. Was gilt beim Wechsel des ArbG?
Kommt es in Arbeitsverhältnissen zwischen dem 3. und dem vollendeten 8. Lebensjahr des Kindes zu einem Arbeitgeberwechsel, bleibt die in den ersten 3 Lebensjahren des Kindes nicht in Anspruch genommene Elternzeit erhalten. ArbG müssen daher bei Neueinstellungen damit rechnen, dass der ArbN möglicherweise noch bis zu 2 Jahre Elternzeit in Anspruch nehmen kann. Über die nicht genommene Elternzeit hat der bisherige ArbG eine Bescheinigung zu erstellen. Auf Verlangen des neuen ArbG ist bei der Anmeldung der Elternzeit diese Bescheinigung des früheren ArbG über die bereits genommene Elternzeit vorzulegen.
5. Elternzeit und Urlaub
Der ArbG hat das Recht, den Erholungsurlaub des ArbN für das Urlaubsjahr, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um 1/12 zu kürzen (§ 17 BEEG). Die Kürzung ist für jedes Urlaubsjahr gesondert zu berechnen. Der ArbG muss sein Recht ausüben, es erfolgt keine automatische Berücksichtigung. Diese Kürzungsmöglichkeit besteht aber nicht mehr nach Gewährung des ungekürzten Urlaubs nach Beendigung der Elternzeit und nach Ende des Arbeitsverhältnisses als solchem.
Rechtsprechungsübersicht / Wichtige Entscheidungen zur Elternzeit und Urlaub | |
BAG 19.3.19, 9 AZR 362/18,Abruf-Nr. 208327 | Der ArbG muss dem ArbN erkennbar erklären, dass er den Urlaub in der Elternzeit kürzen möchte. |
BAG 10.2.15, 9 AZR 53/14 (F), Abruf-Nr. 143817 | Kann ein vollbeschäftigter ArbN vor seinem Wechsel in eine Teilzeittätigkeit mit weniger Wochenarbeitstagen Urlaub nicht nehmen, darf die Zahl der Tage des bezahlten Jahresurlaubs wegen des Übergangs in eine Teilzeitbeschäftigung nicht gekürzt werden. |
Abruf-Nr. 144712 | Die Kürzung des Urlaubs wegen Elternzeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist nicht zulässig. |
BAG 19.2.19, 9 AZR 541/15, Abruf-Nr. 207302 | Urlaub ist bis Ende des „nächsten“ Kalenderjahrs zu gewähren. Der Anspruch eines ArbN auf bezahlten Jahresurlaub erlischt in der Regel nur dann am Ende des Kalenderjahres, wenn der ArbG ihn zuvor über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der ArbN den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. |
Weiterführender Hinweis
- Das 1x1 im Mutterschutz, der Elternzeit und des Elterngelds ‒ mit den Änderungen im BEEG zum 1.9.21, Teil 1