· Fachbeitrag · Arzneimittel-Abrechnung
Forderungsabtretungen an Rezeptabrechner: Aussonderungsrecht der Apotheke in der Insolvenz?
von RA, FA HGesR Prof. Dr. Stephan Arens, MWW Rechtsanwälte, Koblenz/Bonn; RA, FA StR Theo Clotten, Dr. Schmidt und Partner, Koblenz/Dresden/Oberhausen
| Wie erwartet ist über das Vermögen des Apothekenrechenzentrums AvP Deutschland GmbH am 01.11.2020 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Die betroffenen Apotheken mussten ihre Forderungen gegen AvP bis zum 24.11.2020 anmelden. Nun kommt der Frage, ob den Apotheken an den Geldern ein „Aussonderungsrecht“ zusteht, entscheidende Bedeutung zu. AH gibt einen Überblick, wann Forderungen in der Insolvenz eines Abrechners abgesichert sind. |
Bestehen von Aussonderungsrechten
„Normale“ Zahlungsforderungen im Insolvenzverfahren sind sogenannte Tabellenforderungen. Sämtliche Insolvenzgläubiger erhalten nur eine quotale Befriedigung.
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Die Apotheke tritt eine Forderung an den Rezeptabrechner ab. Dieser rechnet gegenüber dem Kostenträger ab. Weiter ist vereinbart, dass der Abrechner den vereinnahmten Betrag (abzüglich einer Provision) innerhalb einer bestimmten Frist auf das Konto der Apotheke überweist. |
Im Fall der Insolvenz des Rezeptabrechners erhält jede einzelne Apotheke aus der vorhandenen Insolvenzmasse eine Zahlung, die der Quote ihrer Forderung im Verhältnis zur Gesamtheit der angemeldeten Forderungen entspricht. Dieses Prinzip wird jedoch häufig ‒ u. a. bei sogenannten Absonderungsrechten ‒ durchbrochen. Zur Aussonderung berechtigen regelmäßig dingliche Rechte, wie z. B. das Eigentum an einer Sache. Ein solches Aussonderungsrecht kann aber auch bei Forderungen bestehen.
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Die Apotheke aus Beispiel 1 hat mit dem Abrechner vereinbart, dass die Gelder auf einem Treuhandkonto für die Apotheke verwahrt und von diesem Konto ausgezahlt werden. |
In diesem Fall kommt der Apotheke ein Aussonderungsrecht zu. Während im ersten Beispiel nur ein Auszahlungsanspruch besteht, d. h. ein „schuldrechtlicher Verschaffungsanspruch“, tritt in Beispiel 2 eine weitere dingliche Komponente hinzu. Diese besteht darin, dass die vereinnahmten Gelder eigenes Vermögen der Apotheke sind, ausgesondert werden können und nicht in die Insolvenzmasse fallen.
Erlöschen des Aussonderungsrechts
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) kann ein Aussonderungsrecht daran scheitern, dass die Schuldnerin Kundengelder vertragswidrig zu eigenen Zwecken verwendet und mit eigenem Geld vermischt (BGH, Urteil vom 10.02.2011, Az. IX ZR 49/10, Abruf-Nr. 111396).
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Die Apotheke hat wie in Beispiel 2 die Einrichtung eines Treuhandkontos vereinbart. Der Rezeptabrechner lässt sich die Leistungen des Kostenträgers auf ein allgemeines Konto überweisen, von dem auch Mietzahlungen des Abrechners, Löhne etc. abgehen. |
Nach der Rechtsprechung des BGH dürfte hier kein Aussonderungsrecht der Apotheke bestehen. Selbst wenn der Treuhänder das Guthaben auf einem (zunächst) ausschließlich für Fremdgeld bestimmten und genutzten Konto (auch) für eigene Zwecke verwendet, entfällt das Aussonderungsrecht regelmäßig auch hinsichtlich der verbliebenen, im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch vorhandenen Gelder. Anders ist dies lediglich dann, wenn der Treuhänder aufgrund der Treuhandvereinbarung aus Geldern, die auf ein Treuhandkonto eingehen, Provisionszahlungen o. Ä. auf ein eigenes Konto überweist.
MERKE | Damit entscheidet allein der Treuhänder, ob er die Bindung respektiert oder sich über sie hinwegsetzt. Hält er sich nicht an die Vereinbarung, kann dies zur Folge haben, dass das Konto insgesamt nicht mehr dem Vermögen der Apotheke zugerechnet werden kann. |
Ansprüche gegen die Geschäftsleitung persönlich
Ist die Einrichtung von Treuhandkonten vertraglich zwar vereinbart, werden diese aber tatsächlich nicht geführt, kann dies regelmäßig eine strafrechtlich relevante Untreue (§ 266 Strafgesetzbuch) sein. Dies führt im Ergebnis zu einem zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch gegen die Geschäftsführung persönlich. Da das Privatvermögen nicht zur Begleichung der offenen Forderungen ausreichen dürfte, ist zu prüfen, ob seitens der Geschäftsführung eine sogenannte D & O-Versicherung (Directors-and-Officers-Versicherung) besteht. Dies ist eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung, die ein Unternehmen für seine Organe und leitenden Angestellten abschließt. Auf diese könnten die Apotheken zugreifen, sollten die entstandenen Schäden durch die Leitungsorgane verursacht worden sein.
FAZIT | Bei der Zwischenschaltung von Rezeptabrechnern handelt es sich um ein juristisch komplexes Thema mit erheblichen Haftungsgefahren. Die vertraglichen Vereinbarungen sollten daher genau geprüft werden. Wie die Rechtslage im Falle der Insolvenz der AVP Deutschland GmbH ist, dürfte in den nächsten Wochen und Monaten noch intensiv aufgearbeitet und wahrscheinlich erst durch den BGH endgültig entschieden werden. |