· Fachbeitrag · Bauabzugssteuer
Betriebsausgabenabzug auch bei Zahlungen an inaktive ausländische Domizilgesellschaft
von Prof. Dr. Ralf Jahn, Würzburg
| Die Vorschrift des § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG findet auch auf inaktive ausländische Domizilgesellschaften Anwendung. Dies hat das Niedersächsische FG ‒ soweit ersichtlich ‒ als erstes FG klargestellt. Die Entscheidung erging im zweiten Rechtsgang. Das letzte Wort hat allerdings der BFH (Niedersächsische FG 5.2.20, 9 K 95/13, EFG 20, 857; BFH: IV R 4/20 ). |
Sachverhalt
Eine inländische Entwicklungs- und Bauträger-KG nahm im Jahr 2002 Bauleistungen britischer Subunternehmer bei der Realisierung diverser Großobjekte in Anspruch. Nach den Feststellungen des Bundeszentralamtes für Steuern (BZSt) handelte es sich bei den britischen Firmen um wirtschaftlich inaktive Domizilgesellschaften. Die KG nahm von den Gegenleistungen den Steuerabzug von 15 % für Rechnung der Subunternehmer vor, meldete diese Bauabzugssteuer beim zuständigen Finanzamt an und führte die Steuer ab.
Da die KG hierbei aber den tatsächlichen Zahlungsempfänger nicht benennen konnte, kürzte das FA nach § 160 AO den Betriebsausgabenabzug um 70 % der Gesamtgegenleistung: § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG, der die Anwendung des § 160 AO ausschließt, sei auf inaktive ausländische Domizilgesellschaften nicht anwendbar. Der hiergegen gerichteten Klage der KG hat das Niedersächsische FG nun stattgegeben, allerdings ist die Revision beim BFH anhängig (BFH IV R 4/20).
Anmerkungen
§ 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG gewährt Empfängern von Bauleistungen auch bei fehlender Benennung der Zahlungsempfänger den vollen Betriebsausgabenabzug, wenn der Bauleistungsempfänger seiner Verpflichtung aus § 48 Abs. 1 EStG nachkommt, von der Gegenleistung einen Steuerabzug in Höhe von 15 % für Rechnung des Leistenden vorzunehmen (sog. Bauabzugssteuer), diesen Steuerabzugsbetrag anmeldet und an das zuständige Finanzamt auch tatsächlich abführt.
Diese Voraussetzungen waren im Streitfall erfüllt. Da § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG nach seinem Wortlaut die Anwendung ‒ des vom FA herangezogenen ‒ § 160 AO ausschließt, musste das FG aus seiner Sicht der Klage der KG stattgeben. Ein Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO) lag im Streitfall nicht vor. Es war also nicht ersichtlich, dass sich die KG im Zusammenwirken mit einer formal als Subunternehmer eingeschalteten Domizilgesellschaft in rechtsmissbräuchlicher Weise einen Steuervorteil erschleichen wollte. Die Anwendbarkeit von § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG auch auf inaktive ausländische Domizilgesellschaften begründet das FG Niedersachsen im Einzelnen wie folgt:
- Das FG beruft sich zunächst auf den eindeutigen Wortlaut von § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG. Eine einschränkende Auslegung zum Nachteil des Steuerpflichtigen kommt nach Ansicht des Gerichts nicht in Betracht. Insbesondere fehlt ein gesetzlich geregelter Aktivitätsvorbehalt für ausländische Domizilgesellschaften im Gesetz. Auch aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich hiernach nichts anderes.
- Auch verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG bestehen nach Ansicht des FG Niedersachsen nicht. Das Gericht erkennt keinen verfassungswidrigen Begünstigungsausschluss Dritter, die nicht Bauleistungen empfangen. Eine verfassungskonforme Auslegung ‒ gegen den eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ‒ sei deshalb nicht geboten.
- Eine Anwendung der Ausschlussregelung auf inaktive ausländische Domizilgesellschaften ist nach Ansicht des FG nur dann wegen Gestaltungsmissbrauchs (§ 42 AO) bedenklich, wenn der Bauleistungsempfänger § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG „instrumentalisiert“ und sich den Abzug im Zusammenwirken in einer formal als Subunternehmer eingeschalteten ausländischen Domizilgesellschaft entgegen § 160 AO in rechtsmissbräuchlicher Weise „erschlichen“ hat. Hierfür fehlten allerdings im Streitfall die erforderlichen tatsächlichen Anhaltspunkte.
Relevanz für die Praxis
Das Urteil des Niedersächsische FG ist aus Sicht des Steuerpflichtigen zunächst günstig, weil das Gericht den Betriebsausgabenabzug bei der Bauabzugssteuer auch im Fall inaktiver ausländischer Domizilgesellschaft zulässt, obwohl eine konkrete Empfängerbenennung nicht möglich ist. Allerdings begibt sich das FG Niedersachsen hierbei auf rechtlich umstrittenes Terrain. Deswegen bleibt mit Spannung abzuwarten, wie sich der BFH im Revisionsverfahren (BFH IV R 4/20) nunmehr in materieller Hinsicht zur Anwendbarkeit von § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG in Fällen wie dem vorliegenden äußern wird.
Domizilgesellschaften haben zwar ihren Sitz im Ausland, verfügen aber in aller Regel über keine ausreichenden Sach- und Personalmittel. Ihre Gründung und Unterhaltung ist auch innerhalb der EU durchaus gebräuchlich und nicht von vornherein illegal.
Weiterführende Hinweise
- Zu den neuen Anzeigepflichten für Auslandsbeteiligungen nach dem SteuerumgehungsbekämpfungsG (23.6.17, BGBl. I, 1682) s. Hidien, PIStB 18, 152
- Allgemein zu Domizilgesellschaften s. Jahn, PIStB 03, 44
- Zum Vorsteuerabzug aus Rechnungen von Domizilgesellschaften s. Jahn, PIStB 03, 321